Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite
Undank ward dem Alektryo,
Undank dem Urgockelio.
Ich habe euch den Ring geschenkt,
Doch ist hier Niemand, der mein denkt,
Ich muß euch Ringe wechseln sehn
Und Keiner will den Ring mir drehn,
Ich stehe hier auf meinem Stein --
Verlassen, einsam, ganz allein,
Und draußen bei der Linde ruht
Mein edles Weib, Urhinkel gut,
Sie wählte diesen Ort zum Grab,
Weil ich sie dort errettet hab'.
Drei Lilien stehn auf ihrer Gruft
Und senden Weihrauch in die Luft;
Wenn ein Geschick vorübergeht,
Ihr Geist bei diesen Lilien steht,
Mit denen er zum Himmel fleht'
Und Gott erhöret ihr Gebet.
Die Lilien leuchten dann zumal,
Die Sterne senken Strahl um Strahl
In ihre reinen Kelche ein;
Auch schweben schöne Engelein
In sie hinein und singen fein;
Das höret Alles klar und rein
Urhinkel an und stimmt mit ein
Und läßt das weiße Schleierlein
Im Sternenschein, im Mondenschein,
Hin spielen in den Lüftelein;
Ich aber muß hier einsam seyn
Und recht in meines Herzens Pein,
Wie's Kindlein nach dem Mütterlein,
Nach dem Urhinkel draußen schrein:
O laß doch den Urgockel dein
Nicht so allein, allein, allein!
Du plauderst draußen mit der Lilie,
Vom Thau berauscht im Sternenschein,
Mich hüllt hier trocken ohne Familie
Der alte kalte Epheu ein.
Undank ward dem Alektryo,
Undank dem Urgockelio.
Ich habe euch den Ring geſchenkt,
Doch iſt hier Niemand, der mein denkt,
Ich muß euch Ringe wechſeln ſehn
Und Keiner will den Ring mir drehn,
Ich ſtehe hier auf meinem Stein —
Verlaſſen, einſam, ganz allein,
Und draußen bei der Linde ruht
Mein edles Weib, Urhinkel gut,
Sie waͤhlte dieſen Ort zum Grab,
Weil ich ſie dort errettet hab'.
Drei Lilien ſtehn auf ihrer Gruft
Und ſenden Weihrauch in die Luft;
Wenn ein Geſchick voruͤbergeht,
Ihr Geiſt bei dieſen Lilien ſteht,
Mit denen er zum Himmel fleht'
Und Gott erhoͤret ihr Gebet.
Die Lilien leuchten dann zumal,
Die Sterne ſenken Strahl um Strahl
In ihre reinen Kelche ein;
Auch ſchweben ſchoͤne Engelein
In ſie hinein und ſingen fein;
Das hoͤret Alles klar und rein
Urhinkel an und ſtimmt mit ein
Und laͤßt das weiße Schleierlein
Im Sternenſchein, im Mondenſchein,
Hin ſpielen in den Luͤftelein;
Ich aber muß hier einſam ſeyn
Und recht in meines Herzens Pein,
Wie's Kindlein nach dem Muͤtterlein,
Nach dem Urhinkel draußen ſchrein:
O laß doch den Urgockel dein
Nicht ſo allein, allein, allein!
Du plauderſt draußen mit der Lilie,
Vom Thau berauſcht im Sternenſchein,
Mich huͤllt hier trocken ohne Familie
Der alte kalte Epheu ein.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0242" n="190"/>
          <l>Undank ward dem Alektryo,</l><lb/>
          <l>Undank dem Urgockelio.</l><lb/>
          <l>Ich habe euch den Ring ge&#x017F;chenkt,</l><lb/>
          <l>Doch i&#x017F;t hier Niemand, der mein denkt,</l><lb/>
          <l>Ich muß euch Ringe wech&#x017F;eln &#x017F;ehn</l><lb/>
          <l>Und Keiner will den Ring mir drehn,</l><lb/>
          <l>Ich &#x017F;tehe hier auf meinem Stein &#x2014;</l><lb/>
          <l>Verla&#x017F;&#x017F;en, ein&#x017F;am, ganz allein,</l><lb/>
          <l>Und draußen bei der Linde ruht</l><lb/>
          <l>Mein edles Weib, Urhinkel gut,</l><lb/>
          <l>Sie wa&#x0364;hlte die&#x017F;en Ort zum Grab,</l><lb/>
          <l>Weil ich &#x017F;ie dort errettet hab'.</l><lb/>
          <l>Drei Lilien &#x017F;tehn auf ihrer Gruft</l><lb/>
          <l>Und &#x017F;enden Weihrauch in die Luft;</l><lb/>
          <l>Wenn ein Ge&#x017F;chick voru&#x0364;bergeht,</l><lb/>
          <l>Ihr Gei&#x017F;t bei die&#x017F;en Lilien &#x017F;teht,</l><lb/>
          <l>Mit denen er zum Himmel fleht'</l><lb/>
          <l>Und Gott erho&#x0364;ret ihr Gebet.</l><lb/>
          <l>Die Lilien leuchten dann zumal,</l><lb/>
          <l>Die Sterne &#x017F;enken Strahl um Strahl</l><lb/>
          <l>In ihre reinen Kelche ein;</l><lb/>
          <l>Auch &#x017F;chweben &#x017F;cho&#x0364;ne Engelein</l><lb/>
          <l>In &#x017F;ie hinein und &#x017F;ingen fein;</l><lb/>
          <l>Das ho&#x0364;ret Alles klar und rein</l><lb/>
          <l>Urhinkel an und &#x017F;timmt mit ein</l><lb/>
          <l>Und la&#x0364;ßt das weiße Schleierlein</l><lb/>
          <l>Im Sternen&#x017F;chein, im Monden&#x017F;chein,</l><lb/>
          <l>Hin &#x017F;pielen in den Lu&#x0364;ftelein;</l><lb/>
          <l>Ich aber muß hier ein&#x017F;am &#x017F;eyn</l><lb/>
          <l>Und recht in meines Herzens Pein,</l><lb/>
          <l>Wie's Kindlein nach dem Mu&#x0364;tterlein,</l><lb/>
          <l>Nach dem Urhinkel draußen &#x017F;chrein:</l><lb/>
          <l>O laß doch den Urgockel dein</l><lb/>
          <l>Nicht &#x017F;o allein, allein, allein!</l><lb/>
          <l>Du plauder&#x017F;t draußen mit der Lilie,</l><lb/>
          <l>Vom Thau berau&#x017F;cht im Sternen&#x017F;chein,</l><lb/>
          <l>Mich hu&#x0364;llt hier trocken ohne Familie</l><lb/>
          <l>Der alte kalte Epheu ein.</l><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[190/0242] Undank ward dem Alektryo, Undank dem Urgockelio. Ich habe euch den Ring geſchenkt, Doch iſt hier Niemand, der mein denkt, Ich muß euch Ringe wechſeln ſehn Und Keiner will den Ring mir drehn, Ich ſtehe hier auf meinem Stein — Verlaſſen, einſam, ganz allein, Und draußen bei der Linde ruht Mein edles Weib, Urhinkel gut, Sie waͤhlte dieſen Ort zum Grab, Weil ich ſie dort errettet hab'. Drei Lilien ſtehn auf ihrer Gruft Und ſenden Weihrauch in die Luft; Wenn ein Geſchick voruͤbergeht, Ihr Geiſt bei dieſen Lilien ſteht, Mit denen er zum Himmel fleht' Und Gott erhoͤret ihr Gebet. Die Lilien leuchten dann zumal, Die Sterne ſenken Strahl um Strahl In ihre reinen Kelche ein; Auch ſchweben ſchoͤne Engelein In ſie hinein und ſingen fein; Das hoͤret Alles klar und rein Urhinkel an und ſtimmt mit ein Und laͤßt das weiße Schleierlein Im Sternenſchein, im Mondenſchein, Hin ſpielen in den Luͤftelein; Ich aber muß hier einſam ſeyn Und recht in meines Herzens Pein, Wie's Kindlein nach dem Muͤtterlein, Nach dem Urhinkel draußen ſchrein: O laß doch den Urgockel dein Nicht ſo allein, allein, allein! Du plauderſt draußen mit der Lilie, Vom Thau berauſcht im Sternenſchein, Mich huͤllt hier trocken ohne Familie Der alte kalte Epheu ein.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/242
Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/242>, abgerufen am 21.11.2024.