wo die Gebeine Gallinas und ihrer Jungen verbrannt wor¬ den, wirbelte, drehte, ballte sich und ward zum großen Er¬ staunen aller Anwesenden Hühner, denen die Federn darüber zu Berge stiegen -- Gallina; Alektryo unterbrach seine ernste Rede und flog von der Kanzel zu seiner Gefährtin nie¬ der, die er freudig begrüßte; aber Alektryo besann sich, flog wie¬ der auf die Kanzel, bat die Anwesenden um Vergebung, daß er von der Freude des Wiedersehens hingerissen, ihre ernsten Betrachtungen unterbrochen habe und forderte abermals Jene sich zu melden auf, welche sich zu vereinigen gedächten.
Da trat die Primadonna von Gelnhausen in die Ka¬ pelle und da der Organist eben die Fuge anstimmte:
"Laurentia, schönste Laurentia mein, Wann werden wir endlich vereiniget seyn?"
wollte sie künftig die Fugen nicht mehr Solo singen, son¬ dern mit ihm, da sie aber sich immer mit dem Gesang einander flohen und nachliefen, ohne jemals sich zu vereini¬ gen und ihr Zusammensingen eine Fuga perpetua, eine im¬ merwährende Flucht war, und da der gräfliche Erztruch¬ seß hereintrat, vermeldend, daß bereits servirt sey und bei längerem Verziehen das Fett am Hammelsbraten leicht gerinnen könne, so ordnete sich der Brautzug die Kapelle zu verlassen.
Man hatte die Wappenfahne bereits in Bewegung gesetzt, die Träger der Braut-Henne und des Braut-Hahnes hiel¬ ten bereits diese Reichskleinodien auf purpurnen Sammtkissen vor ihrer Brust, und Kronovus und Gackeleia wollten so eben von den Stufen des Altares herabsteigen, als Urgockel auf dem Grabstein sich abermals sehr heftig bewegte und mit drohender Stimme sprach:
"Wohl ist das Sprichwort wahr gestellt: Undank ist stets der Lohn der Welt,
wo die Gebeine Gallinas und ihrer Jungen verbrannt wor¬ den, wirbelte, drehte, ballte ſich und ward zum großen Er¬ ſtaunen aller Anweſenden Huͤhner, denen die Federn daruͤber zu Berge ſtiegen — Gallina; Alektryo unterbrach ſeine ernſte Rede und flog von der Kanzel zu ſeiner Gefaͤhrtin nie¬ der, die er freudig begruͤßte; aber Alektryo beſann ſich, flog wie¬ der auf die Kanzel, bat die Anweſenden um Vergebung, daß er von der Freude des Wiederſehens hingeriſſen, ihre ernſten Betrachtungen unterbrochen habe und forderte abermals Jene ſich zu melden auf, welche ſich zu vereinigen gedaͤchten.
Da trat die Primadonna von Gelnhauſen in die Ka¬ pelle und da der Organiſt eben die Fuge anſtimmte:
„Laurentia, ſchoͤnſte Laurentia mein, Wann werden wir endlich vereiniget ſeyn?“
wollte ſie kuͤnftig die Fugen nicht mehr Solo ſingen, ſon¬ dern mit ihm, da ſie aber ſich immer mit dem Geſang einander flohen und nachliefen, ohne jemals ſich zu vereini¬ gen und ihr Zuſammenſingen eine Fuga perpetua, eine im¬ merwaͤhrende Flucht war, und da der graͤfliche Erztruch¬ ſeß hereintrat, vermeldend, daß bereits ſervirt ſey und bei laͤngerem Verziehen das Fett am Hammelsbraten leicht gerinnen koͤnne, ſo ordnete ſich der Brautzug die Kapelle zu verlaſſen.
Man hatte die Wappenfahne bereits in Bewegung geſetzt, die Traͤger der Braut-Henne und des Braut-Hahnes hiel¬ ten bereits dieſe Reichskleinodien auf purpurnen Sammtkiſſen vor ihrer Bruſt, und Kronovus und Gackeleia wollten ſo eben von den Stufen des Altares herabſteigen, als Urgockel auf dem Grabſtein ſich abermals ſehr heftig bewegte und mit drohender Stimme ſprach:
„Wohl iſt das Sprichwort wahr geſtellt: Undank iſt ſtets der Lohn der Welt,
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wo die Gebeine Gallinas und ihrer Jungen verbrannt wor¬
den, wirbelte, drehte, ballte ſich und ward zum großen Er¬
ſtaunen aller Anweſenden Huͤhner, denen die Federn daruͤber
zu Berge ſtiegen — Gallina; Alektryo unterbrach ſeine
ernſte Rede und flog von der Kanzel zu ſeiner Gefaͤhrtin nie¬
der, die er freudig begruͤßte; aber Alektryo beſann ſich, flog wie¬
der auf die Kanzel, bat die Anweſenden um Vergebung, daß
er von der Freude des Wiederſehens hingeriſſen, ihre ernſten
Betrachtungen unterbrochen habe und forderte abermals Jene
ſich zu melden auf, welche ſich zu vereinigen gedaͤchten.
Da trat die Primadonna von Gelnhauſen in die Ka¬
pelle und da der Organiſt eben die Fuge anſtimmte:
„Laurentia, ſchoͤnſte Laurentia mein,
Wann werden wir endlich vereiniget ſeyn?“
wollte ſie kuͤnftig die Fugen nicht mehr Solo ſingen, ſon¬
dern mit ihm, da ſie aber ſich immer mit dem Geſang
einander flohen und nachliefen, ohne jemals ſich zu vereini¬
gen und ihr Zuſammenſingen eine Fuga perpetua, eine im¬
merwaͤhrende Flucht war, und da der graͤfliche Erztruch¬
ſeß hereintrat, vermeldend, daß bereits ſervirt ſey und
bei laͤngerem Verziehen das Fett am Hammelsbraten leicht
gerinnen koͤnne, ſo ordnete ſich der Brautzug die Kapelle zu
verlaſſen.
Man hatte die Wappenfahne bereits in Bewegung geſetzt,
die Traͤger der Braut-Henne und des Braut-Hahnes hiel¬
ten bereits dieſe Reichskleinodien auf purpurnen Sammtkiſſen
vor ihrer Bruſt, und Kronovus und Gackeleia wollten ſo eben
von den Stufen des Altares herabſteigen, als Urgockel auf
dem Grabſtein ſich abermals ſehr heftig bewegte und mit
drohender Stimme ſprach:
„Wohl iſt das Sprichwort wahr geſtellt:
Undank iſt ſtets der Lohn der Welt,
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/241>, abgerufen am 16.02.2025.
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