noden nun und dem Besitz der Grafschaft Vadutz entführten einige Ritter, welche nicht vom Auslande her regiert werden wollten, die Lehnshuldin und wurden hier von Urgockel er¬ schlagen."
Hierauf schwieg Gackeleia ein Weilchen, und da Gockel sie fragte, "warum sprichst du nicht?" antwortete sie, in dem sie ihm eine Spindel voll des feinsten Gespinnstes reichte: "Ei Vater, weil ich jenen Rocken nicht abgesponnen, lehnte mir das Ländchen so schwer auf den Schultern wie unge¬ rechtes Gut, da drehte ich den Ring Salomonis geschwind, geschwind am Finger wie eine Spindel und da hab ich sie nun voll feinem Garn für die Armen und es ist mir wieder ganz leicht auf den Schultern."
Da lächelten sie alle über die Gewissenhaftigkeit der neuen Königin Gackeleia von Gelnhausen, Gräfin von Go¬ ckelsruh und Hennegau, Lehnshuldin von Vadutz, und schau¬ ten die liebe Ahnfrau weiter an. Die goldnen Armringe, welche einst die weiten Aermel fest angeschlossen, waren los an den dürren Armen herabgesunken, die feinen weißen Hände ruh¬ ten an beiden Seiten des Leibes. Die Linke hielt die oben¬ genannten Heilkräuter, die Rechte ruhte auf einem großen Buch und faßte acht lange amaranthfarbige, mit Perlen ge¬ stickte Bänder, welche von dem ähnlichen Gürtel ausliefen, der das weite Gewand über den Hüften umschloß. An die¬ sem Gürtel hingen auch Schlüssel, und ein Löffel, Kinder zu speisen und eine Rassel, Scheere und Aehnliches. Die ha¬ gern feinen Füßchen schauten so arm und rührend unter dem Saum des Gewandes hervor, als zitterten sie, und die mit Perlen gestickten Goldpantöffelchen waren zu weit geworden, und eines herunter gefallen, so daß der eine Fuß mit den weißen schimmernden Zehen hervorsah. -- Da kniete Gacke¬ leia mit großer Liebe und Rührung an dem Sarge nieder und küßte den Fuß und benetzte ihn mit Thränen, mit den Worten: "du liebes armes Kind von Hennegau hast ja dein
noden nun und dem Beſitz der Grafſchaft Vadutz entfuͤhrten einige Ritter, welche nicht vom Auslande her regiert werden wollten, die Lehnshuldin und wurden hier von Urgockel er¬ ſchlagen.“
Hierauf ſchwieg Gackeleia ein Weilchen, und da Gockel ſie fragte, „warum ſprichſt du nicht?“ antwortete ſie, in dem ſie ihm eine Spindel voll des feinſten Geſpinnſtes reichte: „Ei Vater, weil ich jenen Rocken nicht abgeſponnen, lehnte mir das Laͤndchen ſo ſchwer auf den Schultern wie unge¬ rechtes Gut, da drehte ich den Ring Salomonis geſchwind, geſchwind am Finger wie eine Spindel und da hab ich ſie nun voll feinem Garn fuͤr die Armen und es iſt mir wieder ganz leicht auf den Schultern.“
Da laͤchelten ſie alle uͤber die Gewiſſenhaftigkeit der neuen Koͤnigin Gackeleia von Gelnhauſen, Graͤfin von Go¬ ckelsruh und Hennegau, Lehnshuldin von Vadutz, und ſchau¬ ten die liebe Ahnfrau weiter an. Die goldnen Armringe, welche einſt die weiten Aermel feſt angeſchloſſen, waren los an den duͤrren Armen herabgeſunken, die feinen weißen Haͤnde ruh¬ ten an beiden Seiten des Leibes. Die Linke hielt die oben¬ genannten Heilkraͤuter, die Rechte ruhte auf einem großen Buch und faßte acht lange amaranthfarbige, mit Perlen ge¬ ſtickte Baͤnder, welche von dem aͤhnlichen Guͤrtel ausliefen, der das weite Gewand uͤber den Huͤften umſchloß. An die¬ ſem Guͤrtel hingen auch Schluͤſſel, und ein Loͤffel, Kinder zu ſpeiſen und eine Raſſel, Scheere und Aehnliches. Die ha¬ gern feinen Fuͤßchen ſchauten ſo arm und ruͤhrend unter dem Saum des Gewandes hervor, als zitterten ſie, und die mit Perlen geſtickten Goldpantoͤffelchen waren zu weit geworden, und eines herunter gefallen, ſo daß der eine Fuß mit den weißen ſchimmernden Zehen hervorſah. — Da kniete Gacke¬ leia mit großer Liebe und Ruͤhrung an dem Sarge nieder und kuͤßte den Fuß und benetzte ihn mit Thraͤnen, mit den Worten: „du liebes armes Kind von Hennegau haſt ja dein
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noden nun und dem Beſitz der Grafſchaft Vadutz entfuͤhrten
einige Ritter, welche nicht vom Auslande her regiert werden
wollten, die Lehnshuldin und wurden hier von Urgockel er¬
ſchlagen.“
Hierauf ſchwieg Gackeleia ein Weilchen, und da Gockel
ſie fragte, „warum ſprichſt du nicht?“ antwortete ſie, in dem
ſie ihm eine Spindel voll des feinſten Geſpinnſtes reichte:
„Ei Vater, weil ich jenen Rocken nicht abgeſponnen, lehnte
mir das Laͤndchen ſo ſchwer auf den Schultern wie unge¬
rechtes Gut, da drehte ich den Ring Salomonis geſchwind,
geſchwind am Finger wie eine Spindel und da hab ich ſie
nun voll feinem Garn fuͤr die Armen und es iſt mir wieder
ganz leicht auf den Schultern.“
Da laͤchelten ſie alle uͤber die Gewiſſenhaftigkeit der
neuen Koͤnigin Gackeleia von Gelnhauſen, Graͤfin von Go¬
ckelsruh und Hennegau, Lehnshuldin von Vadutz, und ſchau¬
ten die liebe Ahnfrau weiter an. Die goldnen Armringe, welche
einſt die weiten Aermel feſt angeſchloſſen, waren los an den
duͤrren Armen herabgeſunken, die feinen weißen Haͤnde ruh¬
ten an beiden Seiten des Leibes. Die Linke hielt die oben¬
genannten Heilkraͤuter, die Rechte ruhte auf einem großen
Buch und faßte acht lange amaranthfarbige, mit Perlen ge¬
ſtickte Baͤnder, welche von dem aͤhnlichen Guͤrtel ausliefen,
der das weite Gewand uͤber den Huͤften umſchloß. An die¬
ſem Guͤrtel hingen auch Schluͤſſel, und ein Loͤffel, Kinder zu
ſpeiſen und eine Raſſel, Scheere und Aehnliches. Die ha¬
gern feinen Fuͤßchen ſchauten ſo arm und ruͤhrend unter dem
Saum des Gewandes hervor, als zitterten ſie, und die mit
Perlen geſtickten Goldpantoͤffelchen waren zu weit geworden,
und eines herunter gefallen, ſo daß der eine Fuß mit den
weißen ſchimmernden Zehen hervorſah. — Da kniete Gacke¬
leia mit großer Liebe und Ruͤhrung an dem Sarge nieder
und kuͤßte den Fuß und benetzte ihn mit Thraͤnen, mit den
Worten: „du liebes armes Kind von Hennegau haſt ja dein
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/257>, abgerufen am 23.11.2024.
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