gleichen. Der sie begleitende Leib-Lebküchler arbeitet mit lau¬ ter Honig aus dem Rachen des Löwen Samsons, und da sie eine Vorstellung dieses ihres Namenspatrons, wie er seine Feinde mit dem Eselskinnbacken erschlägt, in Honigkuchenteich poussiren lassen will, hat sie ihn mitgenommen, um Studien zu skitziren, was sehr unterhaltend ist; er hat mich schon portrai¬ tirt, und es gleicht, wie kein Osterei dem andern. -- Diese würdige Märtyrin der Ernsthaftigkeit empfehle ich nun der theil¬ nehmenden Kind- und Kinds-Kindlichkeit der königlichen und gräflichen Familie, allerunterthänigster, unwürdiger Oberhof- Osterhaas." Gackeleia empfand eine große Theilnahme für die honorable Kounteß und wollte sie umarmen, sie war aber zu groß und zu breit und wollte sich nicht bücken, da half sich Gackeleia mit dem Ring und drehte die Kounteß herunter, daß sie gerade groß genug war und schloß sie herz¬ lich in ihre Arme, wobei dieser sehr wohl zu Muthe ward, so daß sie lächelnd sagte: "Euer Kindlichkeit können auch mehr als Brod essen!" -- Gackeleia lächelte und drehte die Kounteß wieder in ihre große, breite Gestalt zurück, worauf sich Alles zu Tisch niedersetzte. -- Daß Gackeleia mehr als Brod essen konnte, bewies der Küchenzettel der hochzeitlichen Mahl¬ zeit; denn aus Achtung für die Kounteß verwandelte Gacke¬ leia durch den Ring Salomonis die ganze Gelnhausische Mahl¬ zeit in eine Schottländische, und die Verwunderung der auf¬ tragenden Bedienten und die Verlegenheit der Gelnhauser Gäste, die nicht wußten, wie sie die fremden Gerichte an¬ fassen sollten, erlustigte das ganze Fest. -- Besonders viel zur allgemeinen Freude trug der Leib-Lebküchler der Kounteß Gothol bei. Sie saß zwischen den Bildern ihrer Vorältern, er neben dem Oberhof-Osterhaas unten an und war in stäter Arbeit, daß ihm der Schweiß ausbrach, er hatte einen großen Kübel Honigteich neben sich, und indem er mit großen Appetit zu essen schien, knetete er mit Löffel, Messer und Gabel, das Bild irgend eines Anwesenden aus
gleichen. Der ſie begleitende Leib-Lebkuͤchler arbeitet mit lau¬ ter Honig aus dem Rachen des Loͤwen Samſons, und da ſie eine Vorſtellung dieſes ihres Namenspatrons, wie er ſeine Feinde mit dem Eſelskinnbacken erſchlaͤgt, in Honigkuchenteich pouſſiren laſſen will, hat ſie ihn mitgenommen, um Studien zu ſkitziren, was ſehr unterhaltend iſt; er hat mich ſchon portrai¬ tirt, und es gleicht, wie kein Oſterei dem andern. — Dieſe wuͤrdige Maͤrtyrin der Ernſthaftigkeit empfehle ich nun der theil¬ nehmenden Kind- und Kinds-Kindlichkeit der koͤniglichen und graͤflichen Familie, allerunterthaͤnigſter, unwuͤrdiger Oberhof- Oſterhaas.“ Gackeleia empfand eine große Theilnahme fuͤr die honorable Kounteß und wollte ſie umarmen, ſie war aber zu groß und zu breit und wollte ſich nicht buͤcken, da half ſich Gackeleia mit dem Ring und drehte die Kounteß herunter, daß ſie gerade groß genug war und ſchloß ſie herz¬ lich in ihre Arme, wobei dieſer ſehr wohl zu Muthe ward, ſo daß ſie laͤchelnd ſagte: „Euer Kindlichkeit koͤnnen auch mehr als Brod eſſen!“ — Gackeleia laͤchelte und drehte die Kounteß wieder in ihre große, breite Geſtalt zuruͤck, worauf ſich Alles zu Tiſch niederſetzte. — Daß Gackeleia mehr als Brod eſſen konnte, bewies der Kuͤchenzettel der hochzeitlichen Mahl¬ zeit; denn aus Achtung fuͤr die Kounteß verwandelte Gacke¬ leia durch den Ring Salomonis die ganze Gelnhauſiſche Mahl¬ zeit in eine Schottlaͤndiſche, und die Verwunderung der auf¬ tragenden Bedienten und die Verlegenheit der Gelnhauſer Gaͤſte, die nicht wußten, wie ſie die fremden Gerichte an¬ faſſen ſollten, erluſtigte das ganze Feſt. — Beſonders viel zur allgemeinen Freude trug der Leib-Lebkuͤchler der Kounteß Gothol bei. Sie ſaß zwiſchen den Bildern ihrer Voraͤltern, er neben dem Oberhof-Oſterhaas unten an und war in ſtaͤter Arbeit, daß ihm der Schweiß ausbrach, er hatte einen großen Kuͤbel Honigteich neben ſich, und indem er mit großen Appetit zu eſſen ſchien, knetete er mit Loͤffel, Meſſer und Gabel, das Bild irgend eines Anweſenden aus
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gleichen. Der ſie begleitende Leib-Lebkuͤchler arbeitet mit lau¬
ter Honig aus dem Rachen des Loͤwen Samſons, und da ſie
eine Vorſtellung dieſes ihres Namenspatrons, wie er ſeine
Feinde mit dem Eſelskinnbacken erſchlaͤgt, in Honigkuchenteich
pouſſiren laſſen will, hat ſie ihn mitgenommen, um Studien
zu ſkitziren, was ſehr unterhaltend iſt; er hat mich ſchon portrai¬
tirt, und es gleicht, wie kein Oſterei dem andern. — Dieſe
wuͤrdige Maͤrtyrin der Ernſthaftigkeit empfehle ich nun der theil¬
nehmenden Kind- und Kinds-Kindlichkeit der koͤniglichen und
graͤflichen Familie, allerunterthaͤnigſter, unwuͤrdiger Oberhof-
Oſterhaas.“ Gackeleia empfand eine große Theilnahme fuͤr
die honorable Kounteß und wollte ſie umarmen, ſie war
aber zu groß und zu breit und wollte ſich nicht buͤcken, da
half ſich Gackeleia mit dem Ring und drehte die Kounteß
herunter, daß ſie gerade groß genug war und ſchloß ſie herz¬
lich in ihre Arme, wobei dieſer ſehr wohl zu Muthe ward,
ſo daß ſie laͤchelnd ſagte: „Euer Kindlichkeit koͤnnen auch
mehr als Brod eſſen!“ — Gackeleia laͤchelte und drehte die
Kounteß wieder in ihre große, breite Geſtalt zuruͤck, worauf ſich
Alles zu Tiſch niederſetzte. — Daß Gackeleia mehr als Brod
eſſen konnte, bewies der Kuͤchenzettel der hochzeitlichen Mahl¬
zeit; denn aus Achtung fuͤr die Kounteß verwandelte Gacke¬
leia durch den Ring Salomonis die ganze Gelnhauſiſche Mahl¬
zeit in eine Schottlaͤndiſche, und die Verwunderung der auf¬
tragenden Bedienten und die Verlegenheit der Gelnhauſer
Gaͤſte, die nicht wußten, wie ſie die fremden Gerichte an¬
faſſen ſollten, erluſtigte das ganze Feſt. — Beſonders
viel zur allgemeinen Freude trug der Leib-Lebkuͤchler der
Kounteß Gothol bei. Sie ſaß zwiſchen den Bildern ihrer
Voraͤltern, er neben dem Oberhof-Oſterhaas unten an und war
in ſtaͤter Arbeit, daß ihm der Schweiß ausbrach, er hatte
einen großen Kuͤbel Honigteich neben ſich, und indem er
mit großen Appetit zu eſſen ſchien, knetete er mit Loͤffel,
Meſſer und Gabel, das Bild irgend eines Anweſenden aus
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/269>, abgerufen am 24.11.2024.
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