Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.Dann zwei Pflanzen aufgeschossen, Blatt vor Blatt gleich Leitersproßen Waren wie das Blatt des Mohns Und des Siegels Salomons, Und sie wuchsen bis zum Mond. Oben in dem Strauße thront Mild ein Weib in ernster Feier, Thront die Nacht in weiter Hülle, Schauet, thauet durch den Schleier Mutterstille, Mutterfülle Träumerisch vom blauen Zelt Auf das goldne Aehrenfeld. Ihr zur Rechten, ihr zur Linken Auf des Mohnes Blumen winken Sterne, Kinder aller Launen, Die da sinnen, harren, staunen, Beten, sehnen, prohezeihen, Wenig wohl um uns bekümmert Schweigen und ins Herz uns schreien. Während oben es so schimmert, Blättert unten in dem Düstern Still das Kind im großen Buche, "Find' nicht," sprach es, "was ich suche, Hör' doch alle Blätter flüstern Von des Jakobs Schlummerstein Und Rebeckas Edelstein, Was zu lesen ich so lüstern; Stiegen doch die Engel wieder Auf der Himmelsleiter nieder, Brächten mir ein Bischen Licht! Denn trotz Mond und Sterngefunkel Ist's zum Lesen doch zu dunkel. Sieh, als kaum das Kind so spricht, Nahen auf der lichten Bahn Gleich zwei Engel sich geschwinde Mit zwei Sternlein und dem Kinde Zünden sie die Lilien linde Zu des Thronstuhls Seiten an, Dann zwei Pflanzen aufgeſchoſſen, Blatt vor Blatt gleich Leiterſproßen Waren wie das Blatt des Mohns Und des Siegels Salomons, Und ſie wuchſen bis zum Mond. Oben in dem Strauße thront Mild ein Weib in ernſter Feier, Thront die Nacht in weiter Huͤlle, Schauet, thauet durch den Schleier Mutterſtille, Mutterfuͤlle Traͤumeriſch vom blauen Zelt Auf das goldne Aehrenfeld. Ihr zur Rechten, ihr zur Linken Auf des Mohnes Blumen winken Sterne, Kinder aller Launen, Die da ſinnen, harren, ſtaunen, Beten, ſehnen, prohezeihen, Wenig wohl um uns bekuͤmmert Schweigen und ins Herz uns ſchreien. Waͤhrend oben es ſo ſchimmert, Blaͤttert unten in dem Duͤſtern Still das Kind im großen Buche, »Find' nicht,« ſprach es, »was ich ſuche, Hoͤr' doch alle Blaͤtter fluͤſtern Von des Jakobs Schlummerſtein Und Rebeckas Edelſtein, Was zu leſen ich ſo luͤſtern; Stiegen doch die Engel wieder Auf der Himmelsleiter nieder, Braͤchten mir ein Bischen Licht! Denn trotz Mond und Sterngefunkel Iſt's zum Leſen doch zu dunkel. Sieh, als kaum das Kind ſo ſpricht, Nahen auf der lichten Bahn Gleich zwei Engel ſich geſchwinde Mit zwei Sternlein und dem Kinde Zuͤnden ſie die Lilien linde Zu des Thronſtuhls Seiten an, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0283" n="229"/> <l>Dann zwei Pflanzen aufgeſchoſſen,</l><lb/> <l>Blatt vor Blatt gleich Leiterſproßen</l><lb/> <l>Waren wie das Blatt des Mohns</l><lb/> <l>Und des Siegels Salomons,</l><lb/> <l>Und ſie wuchſen bis zum Mond.</l><lb/> <l>Oben in dem Strauße thront</l><lb/> <l>Mild ein Weib in ernſter Feier,</l><lb/> <l>Thront die Nacht in weiter Huͤlle,</l><lb/> <l>Schauet, thauet durch den Schleier</l><lb/> <l>Mutterſtille, Mutterfuͤlle</l><lb/> <l>Traͤumeriſch vom blauen Zelt</l><lb/> <l>Auf das goldne Aehrenfeld.</l><lb/> <l>Ihr zur Rechten, ihr zur Linken</l><lb/> <l>Auf des Mohnes Blumen winken</l><lb/> <l>Sterne, Kinder aller Launen,</l><lb/> <l>Die da ſinnen, harren, ſtaunen,</l><lb/> <l>Beten, ſehnen, prohezeihen,</l><lb/> <l>Wenig wohl um uns bekuͤmmert</l><lb/> <l>Schweigen und ins Herz uns ſchreien.</l><lb/> <l>Waͤhrend oben es ſo ſchimmert,</l><lb/> <l>Blaͤttert unten in dem Duͤſtern</l><lb/> <l>Still das Kind im großen Buche,</l><lb/> <l>»Find' nicht,« ſprach es, »was ich ſuche,</l><lb/> <l>Hoͤr' doch alle Blaͤtter fluͤſtern</l><lb/> <l>Von des Jakobs Schlummerſtein</l><lb/> <l>Und Rebeckas Edelſtein,</l><lb/> <l>Was zu leſen ich ſo luͤſtern;</l><lb/> <l>Stiegen doch die Engel wieder</l><lb/> <l>Auf der Himmelsleiter nieder,</l><lb/> <l>Braͤchten mir ein Bischen Licht!</l><lb/> <l>Denn trotz Mond und Sterngefunkel</l><lb/> <l>Iſt's zum Leſen doch zu dunkel.</l><lb/> <l>Sieh, als kaum das Kind ſo ſpricht,</l><lb/> <l>Nahen auf der lichten Bahn</l><lb/> <l>Gleich zwei Engel ſich geſchwinde</l><lb/> <l>Mit zwei Sternlein und dem Kinde</l><lb/> <l>Zuͤnden ſie die Lilien linde</l><lb/> <l>Zu des Thronſtuhls Seiten an,</l><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [229/0283]
Dann zwei Pflanzen aufgeſchoſſen,
Blatt vor Blatt gleich Leiterſproßen
Waren wie das Blatt des Mohns
Und des Siegels Salomons,
Und ſie wuchſen bis zum Mond.
Oben in dem Strauße thront
Mild ein Weib in ernſter Feier,
Thront die Nacht in weiter Huͤlle,
Schauet, thauet durch den Schleier
Mutterſtille, Mutterfuͤlle
Traͤumeriſch vom blauen Zelt
Auf das goldne Aehrenfeld.
Ihr zur Rechten, ihr zur Linken
Auf des Mohnes Blumen winken
Sterne, Kinder aller Launen,
Die da ſinnen, harren, ſtaunen,
Beten, ſehnen, prohezeihen,
Wenig wohl um uns bekuͤmmert
Schweigen und ins Herz uns ſchreien.
Waͤhrend oben es ſo ſchimmert,
Blaͤttert unten in dem Duͤſtern
Still das Kind im großen Buche,
»Find' nicht,« ſprach es, »was ich ſuche,
Hoͤr' doch alle Blaͤtter fluͤſtern
Von des Jakobs Schlummerſtein
Und Rebeckas Edelſtein,
Was zu leſen ich ſo luͤſtern;
Stiegen doch die Engel wieder
Auf der Himmelsleiter nieder,
Braͤchten mir ein Bischen Licht!
Denn trotz Mond und Sterngefunkel
Iſt's zum Leſen doch zu dunkel.
Sieh, als kaum das Kind ſo ſpricht,
Nahen auf der lichten Bahn
Gleich zwei Engel ſich geſchwinde
Mit zwei Sternlein und dem Kinde
Zuͤnden ſie die Lilien linde
Zu des Thronſtuhls Seiten an,
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