Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.Der Widder kömmt gelaufen schier und rennt dich übern Haufen hier, Gleich leert der Wassermann sein Faß, da kannst du werden pfütze¬ naß." So sprach er manch affabel Wort und trug das Lamm im Schna¬ bel fort, Wohl über Berg und Thal geschwind, daß er ihm eine Mutter find', Die es zum guten Hirten führ', er flog -- da pochts an meine Thür, Und ich erwachte." St. Marcellinustag. -- Heut stand ich armes Kind "Sag Mütterchen, wir bitten sehr, Wo kömmt das liebe Püppchen her? Das hier so artig in der Wiegen Gleich einem Engelein thut liegen." Da antwortete die Mutter: "Es ist ein liebes Schwesterlein, Es ist mein armes Kindelein, Verloren vor der Himmelsthür Fand es der Storch und bracht es mir, Nun will ichs treulich ziehen auf Durch seinen ganzen Lebenslauf. Die Kinder hörten die Antwort und standen voll Neu¬ Sonntag Exaudi, Rosensonntag. Ordenssitzung. Der Widder koͤmmt gelaufen ſchier und rennt dich uͤbern Haufen hier, Gleich leert der Waſſermann ſein Faß, da kannſt du werden pfuͤtze¬ naß.“ So ſprach er manch affabel Wort und trug das Lamm im Schna¬ bel fort, Wohl uͤber Berg und Thal geſchwind, daß er ihm eine Mutter find', Die es zum guten Hirten fuͤhr', er flog — da pochts an meine Thuͤr, Und ich erwachte.“ St. Marcellinustag. — Heut ſtand ich armes Kind „Sag Muͤtterchen, wir bitten ſehr, Wo koͤmmt das liebe Puͤppchen her? Das hier ſo artig in der Wiegen Gleich einem Engelein thut liegen.“ Da antwortete die Mutter: „Es iſt ein liebes Schweſterlein, Es iſt mein armes Kindelein, Verloren vor der Himmelsthuͤr Fand es der Storch und bracht es mir, Nun will ichs treulich ziehen auf Durch ſeinen ganzen Lebenslauf. Die Kinder hoͤrten die Antwort und ſtanden voll Neu¬ Sonntag Exaudi, Roſenſonntag. Ordensſitzung. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0310" n="256"/> <l>Der Widder koͤmmt gelaufen ſchier und rennt dich uͤbern Haufen<lb/> hier,</l><lb/> <l>Gleich leert der Waſſermann ſein Faß, da kannſt du werden pfuͤtze¬<lb/> naß.“</l><lb/> <l>So ſprach er manch affabel Wort und trug das Lamm im Schna¬<lb/> bel fort,</l><lb/> <l>Wohl uͤber Berg und Thal geſchwind, daß er ihm eine Mutter<lb/> find',</l><lb/> <l>Die es zum guten Hirten fuͤhr', er flog — da pochts an meine<lb/> Thuͤr,</l><lb/> <l>Und ich erwachte.“</l><lb/> </lg> <p><hi rendition="#g">St</hi>. <hi rendition="#g">Marcellinustag</hi>. — Heut ſtand ich armes Kind<lb/> von Hennegau mit den andern Kindern um eine Wiege, ſie<lb/> fragten:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Sag Muͤtterchen, wir bitten ſehr,</l><lb/> <l>Wo koͤmmt das liebe Puͤppchen her?</l><lb/> <l>Das hier ſo artig in der Wiegen</l><lb/> <l>Gleich einem Engelein thut liegen.“</l><lb/> </lg> <p>Da antwortete die Mutter:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Es iſt ein liebes Schweſterlein,</l><lb/> <l>Es iſt mein armes Kindelein,</l><lb/> <l>Verloren vor der Himmelsthuͤr</l><lb/> <l>Fand es der Storch und bracht es mir,</l><lb/> <l>Nun will ichs treulich ziehen auf</l><lb/> <l>Durch ſeinen ganzen Lebenslauf.</l><lb/> </lg> <p>Die Kinder hoͤrten die Antwort und ſtanden voll Neu¬<lb/> gierde um die Wiege herum, aufmerkſam auf jede Bewegung<lb/> der kleinen Puppe, die darin lag, mit Freude glaͤnzenden<lb/> Augen. — Ach! und das Leben iſt doch ſo ſchwer und ernſt!</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Sonntag Exaudi</hi>, <hi rendition="#g">Roſenſonntag</hi>. Ordensſitzung.<lb/> Ich konnte nicht dabei ſeyn, denn ich wartete heut das Kind¬<lb/> lein und trug es umher bis es ſchlief. Ich bin faſt ganz<lb/> ſtolz geweſen auf mein kleines Amt, ich meine oft, man<lb/> koͤnne mich zu gar nichts gebrauchen, und die Leute ſagten<lb/> mir das auch ſchon oft genug.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [256/0310]
Der Widder koͤmmt gelaufen ſchier und rennt dich uͤbern Haufen
hier,
Gleich leert der Waſſermann ſein Faß, da kannſt du werden pfuͤtze¬
naß.“
So ſprach er manch affabel Wort und trug das Lamm im Schna¬
bel fort,
Wohl uͤber Berg und Thal geſchwind, daß er ihm eine Mutter
find',
Die es zum guten Hirten fuͤhr', er flog — da pochts an meine
Thuͤr,
Und ich erwachte.“
St. Marcellinustag. — Heut ſtand ich armes Kind
von Hennegau mit den andern Kindern um eine Wiege, ſie
fragten:
„Sag Muͤtterchen, wir bitten ſehr,
Wo koͤmmt das liebe Puͤppchen her?
Das hier ſo artig in der Wiegen
Gleich einem Engelein thut liegen.“
Da antwortete die Mutter:
„Es iſt ein liebes Schweſterlein,
Es iſt mein armes Kindelein,
Verloren vor der Himmelsthuͤr
Fand es der Storch und bracht es mir,
Nun will ichs treulich ziehen auf
Durch ſeinen ganzen Lebenslauf.
Die Kinder hoͤrten die Antwort und ſtanden voll Neu¬
gierde um die Wiege herum, aufmerkſam auf jede Bewegung
der kleinen Puppe, die darin lag, mit Freude glaͤnzenden
Augen. — Ach! und das Leben iſt doch ſo ſchwer und ernſt!
Sonntag Exaudi, Roſenſonntag. Ordensſitzung.
Ich konnte nicht dabei ſeyn, denn ich wartete heut das Kind¬
lein und trug es umher bis es ſchlief. Ich bin faſt ganz
ſtolz geweſen auf mein kleines Amt, ich meine oft, man
koͤnne mich zu gar nichts gebrauchen, und die Leute ſagten
mir das auch ſchon oft genug.
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