Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

tend herein und freuten sich, daß ich die Wette gewonnen.
Wir gingen zur Kirche und nach dem Gottesdienst bat mich
Jakob von Guise, ihn in das Stüblein Verenas zu führen,
weil er mir etwas mitzutheilen habe. Dort sagte mir nuu
der fromme Mann: "Verena hat heute, ehe sie ihren Weg
zu Salmos Höhle antrat, mir aufgetragen, dir Folgendes zu
sagen. Als vor vielen Jahren Verena von deiner seligen
Frau Mutter das Pflegeamt des frommen Hühnleins erhielt,
bestand bereits das Gerücht, unten in den Gewölben des Gal¬
linariums lasse sich manchmal ein kleines Büblein sehen,
welches allerlei Geschäfte verrichte und dann wieder ver¬
schwinde. Es war Dieses von mehreren Wäscherinnen, die
dort vor Tag arbeiteten, gesehen worden. Einst ward Verena
auf ihrer Kammer Nachts erweckt und sah zum erstenmal
jenes Büblein vor sich stehen, welches sie mit den Worten
aus dem Bett zog: "der Iltis, der Iltis." Sie eilte hinab
und kam gerade noch früh genug, um einen Iltis zu ver¬
jagen, der zu dem Hühnlein hineindringen wollte. Als Ve¬
rena wieder zu Bette gegangen war, erschien ihr das Büb¬
lein wieder und sprach zu ihr: "du sollst mir Gutes thun,
du bist aus demselben Stamme mit mir, mein Vater ist
aus deinem Geschlecht oben am Rhein her. Er war ein
Knecht Salmos am Hahnebach und baute mit an dem
Schlosse Kirn, worin Salmo mit dem Hühnlein wohnte,
dessen Fütterung meinem Vater anvertraut war. Wir waren
alle Christen, und Salmo hat mich selbst unterrichtet, meine
Mutter war seines Söhnleins Amme. Wir hatten aber eine
Muhme, die war eine arge Heidinn und lebte in einer Höhle
des Waldes und war eine Weissaginn. Meine Eltern fürch¬
teten sich vor ihr, und ich mußte manchmal zu ihr gehen
nnd ihr freundlich thun, damit sie uns nicht schade. Ich
hatte eine große Begierde, zu reisen und zu lernen, die alte
Muhme erzählte mir immer von wunderbaren Ländern und
von Leuten, bei denen man Alles lernen könne. -- "O könnt

tend herein und freuten ſich, daß ich die Wette gewonnen.
Wir gingen zur Kirche und nach dem Gottesdienſt bat mich
Jakob von Guiſe, ihn in das Stuͤblein Verenas zu fuͤhren,
weil er mir etwas mitzutheilen habe. Dort ſagte mir nuu
der fromme Mann: „Verena hat heute, ehe ſie ihren Weg
zu Salmos Hoͤhle antrat, mir aufgetragen, dir Folgendes zu
ſagen. Als vor vielen Jahren Verena von deiner ſeligen
Frau Mutter das Pflegeamt des frommen Huͤhnleins erhielt,
beſtand bereits das Geruͤcht, unten in den Gewoͤlben des Gal¬
linariums laſſe ſich manchmal ein kleines Buͤblein ſehen,
welches allerlei Geſchaͤfte verrichte und dann wieder ver¬
ſchwinde. Es war Dieſes von mehreren Waͤſcherinnen, die
dort vor Tag arbeiteten, geſehen worden. Einſt ward Verena
auf ihrer Kammer Nachts erweckt und ſah zum erſtenmal
jenes Buͤblein vor ſich ſtehen, welches ſie mit den Worten
aus dem Bett zog: „der Iltis, der Iltis.“ Sie eilte hinab
und kam gerade noch fruͤh genug, um einen Iltis zu ver¬
jagen, der zu dem Huͤhnlein hineindringen wollte. Als Ve¬
rena wieder zu Bette gegangen war, erſchien ihr das Buͤb¬
lein wieder und ſprach zu ihr: „du ſollſt mir Gutes thun,
du biſt aus demſelben Stamme mit mir, mein Vater iſt
aus deinem Geſchlecht oben am Rhein her. Er war ein
Knecht Salmos am Hahnebach und baute mit an dem
Schloſſe Kirn, worin Salmo mit dem Huͤhnlein wohnte,
deſſen Fuͤtterung meinem Vater anvertraut war. Wir waren
alle Chriſten, und Salmo hat mich ſelbſt unterrichtet, meine
Mutter war ſeines Soͤhnleins Amme. Wir hatten aber eine
Muhme, die war eine arge Heidinn und lebte in einer Hoͤhle
des Waldes und war eine Weiſſaginn. Meine Eltern fuͤrch¬
teten ſich vor ihr, und ich mußte manchmal zu ihr gehen
nnd ihr freundlich thun, damit ſie uns nicht ſchade. Ich
hatte eine große Begierde, zu reiſen und zu lernen, die alte
Muhme erzaͤhlte mir immer von wunderbaren Laͤndern und
von Leuten, bei denen man Alles lernen koͤnne. — „O koͤnnt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0318" n="264"/>
tend herein und freuten &#x017F;ich, daß ich die Wette gewonnen.<lb/>
Wir gingen zur Kirche und nach dem Gottesdien&#x017F;t bat mich<lb/>
Jakob von Gui&#x017F;e, ihn in das Stu&#x0364;blein Verenas zu fu&#x0364;hren,<lb/>
weil er mir etwas mitzutheilen habe. Dort &#x017F;agte mir nuu<lb/>
der fromme Mann: &#x201E;Verena hat heute, ehe &#x017F;ie ihren Weg<lb/>
zu Salmos Ho&#x0364;hle antrat, mir aufgetragen, dir Folgendes zu<lb/>
&#x017F;agen. Als vor vielen Jahren Verena von deiner &#x017F;eligen<lb/>
Frau Mutter das Pflegeamt des frommen Hu&#x0364;hnleins erhielt,<lb/>
be&#x017F;tand bereits das Geru&#x0364;cht, unten in den Gewo&#x0364;lben des Gal¬<lb/>
linariums la&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich manchmal ein kleines Bu&#x0364;blein &#x017F;ehen,<lb/>
welches allerlei Ge&#x017F;cha&#x0364;fte verrichte und dann wieder ver¬<lb/>
&#x017F;chwinde. Es war Die&#x017F;es von mehreren Wa&#x0364;&#x017F;cherinnen, die<lb/>
dort vor Tag arbeiteten, ge&#x017F;ehen worden. Ein&#x017F;t ward Verena<lb/>
auf ihrer Kammer Nachts erweckt und &#x017F;ah zum er&#x017F;tenmal<lb/>
jenes Bu&#x0364;blein vor &#x017F;ich &#x017F;tehen, welches &#x017F;ie mit den Worten<lb/>
aus dem Bett zog: &#x201E;der Iltis, der Iltis.&#x201C; Sie eilte hinab<lb/>
und kam gerade noch fru&#x0364;h genug, um einen Iltis zu ver¬<lb/>
jagen, der zu dem Hu&#x0364;hnlein hineindringen wollte. Als Ve¬<lb/>
rena wieder zu Bette gegangen war, er&#x017F;chien ihr das Bu&#x0364;<lb/>
lein wieder und &#x017F;prach zu ihr: &#x201E;du &#x017F;oll&#x017F;t mir Gutes thun,<lb/>
du bi&#x017F;t aus dem&#x017F;elben Stamme mit mir, mein Vater i&#x017F;t<lb/>
aus deinem Ge&#x017F;chlecht oben am Rhein her. Er war ein<lb/>
Knecht Salmos am Hahnebach und baute mit an dem<lb/>
Schlo&#x017F;&#x017F;e Kirn, worin Salmo mit dem Hu&#x0364;hnlein wohnte,<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Fu&#x0364;tterung meinem Vater anvertraut war. Wir waren<lb/>
alle Chri&#x017F;ten, und Salmo hat mich &#x017F;elb&#x017F;t unterrichtet, meine<lb/>
Mutter war &#x017F;eines So&#x0364;hnleins Amme. Wir hatten aber eine<lb/>
Muhme, die war eine arge Heidinn und lebte in einer Ho&#x0364;hle<lb/>
des Waldes und war eine Wei&#x017F;&#x017F;aginn. Meine Eltern fu&#x0364;rch¬<lb/>
teten &#x017F;ich vor ihr, und ich mußte manchmal zu ihr gehen<lb/>
nnd ihr freundlich thun, damit &#x017F;ie uns nicht &#x017F;chade. Ich<lb/>
hatte eine große Begierde, zu rei&#x017F;en und zu lernen, die alte<lb/>
Muhme erza&#x0364;hlte mir immer von wunderbaren La&#x0364;ndern und<lb/>
von Leuten, bei denen man Alles lernen ko&#x0364;nne. &#x2014; &#x201E;O ko&#x0364;nnt<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[264/0318] tend herein und freuten ſich, daß ich die Wette gewonnen. Wir gingen zur Kirche und nach dem Gottesdienſt bat mich Jakob von Guiſe, ihn in das Stuͤblein Verenas zu fuͤhren, weil er mir etwas mitzutheilen habe. Dort ſagte mir nuu der fromme Mann: „Verena hat heute, ehe ſie ihren Weg zu Salmos Hoͤhle antrat, mir aufgetragen, dir Folgendes zu ſagen. Als vor vielen Jahren Verena von deiner ſeligen Frau Mutter das Pflegeamt des frommen Huͤhnleins erhielt, beſtand bereits das Geruͤcht, unten in den Gewoͤlben des Gal¬ linariums laſſe ſich manchmal ein kleines Buͤblein ſehen, welches allerlei Geſchaͤfte verrichte und dann wieder ver¬ ſchwinde. Es war Dieſes von mehreren Waͤſcherinnen, die dort vor Tag arbeiteten, geſehen worden. Einſt ward Verena auf ihrer Kammer Nachts erweckt und ſah zum erſtenmal jenes Buͤblein vor ſich ſtehen, welches ſie mit den Worten aus dem Bett zog: „der Iltis, der Iltis.“ Sie eilte hinab und kam gerade noch fruͤh genug, um einen Iltis zu ver¬ jagen, der zu dem Huͤhnlein hineindringen wollte. Als Ve¬ rena wieder zu Bette gegangen war, erſchien ihr das Buͤb¬ lein wieder und ſprach zu ihr: „du ſollſt mir Gutes thun, du biſt aus demſelben Stamme mit mir, mein Vater iſt aus deinem Geſchlecht oben am Rhein her. Er war ein Knecht Salmos am Hahnebach und baute mit an dem Schloſſe Kirn, worin Salmo mit dem Huͤhnlein wohnte, deſſen Fuͤtterung meinem Vater anvertraut war. Wir waren alle Chriſten, und Salmo hat mich ſelbſt unterrichtet, meine Mutter war ſeines Soͤhnleins Amme. Wir hatten aber eine Muhme, die war eine arge Heidinn und lebte in einer Hoͤhle des Waldes und war eine Weiſſaginn. Meine Eltern fuͤrch¬ teten ſich vor ihr, und ich mußte manchmal zu ihr gehen nnd ihr freundlich thun, damit ſie uns nicht ſchade. Ich hatte eine große Begierde, zu reiſen und zu lernen, die alte Muhme erzaͤhlte mir immer von wunderbaren Laͤndern und von Leuten, bei denen man Alles lernen koͤnne. — „O koͤnnt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/318
Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/318>, abgerufen am 22.11.2024.