bracht, hilf ihm sein Bündlein schnüren;" da umarmte sie mich und zog von dannen. Ich kann nicht sagen, wie tief mich die Worte erschütterten, die sie zum erstenmal von dem geheimnißvollen Büblein gesprochen. Ich ahndete, es stehe mir etwas Großes bevor; jedoch was sollte ich thun, ich mußte es erfolgen lassen. Jetzt aber stand ich auf, zündete meine Leuchte an und ging in das Waschhaus bei dem Gallinarium; wir hatten gewettet, wer zuerst da seyn werde. Ich war die Erste. Keine meiner Gespielinnen oder Mägde war zugegen. Ich blickte zwischen den großen Waschbütten scheu durch die weite dunkle Halle, die meine Lampe un¬ bestimmt erleuchtete. -- Ich dachte, wenn jetzt das Büblein käme! -- Da hörte ich die Hühner sich rühren und auch wie Schritte und glaubte schon, es nahten meine Mägde. Ich ging zu dem Stalle und sah da einen Knaben von etwa sechs Jahren, der aus dem dort hängenden Futtersäckchen der Ve¬ rena mit einem Maße Weizen schöpfte und den Hühnern vorwarf. Neben ihm stand ein offnes Reisesäckchen, in wel¬ chem ich allerlei Früchte schimmern sah. Mir schauderte ein wenig und ich sagte flüsternd: "ach das Büblein!" -- Da wendete es den Kopf und schaute mich wehmüthig lächelnd an, nickte und machte, auf das offne Reisesäckchen hindeu¬ tend, mit den Händen die Bewegung des Zubindens; da fühlte ich mich auf die Kniee niedergezogen und betete von Herzen; das Knäblein that eben so und antwortete ordent¬ lich im Gebet, und es war, als drehe es aus meinem Gebet eine Schnur zusammen, sein Bündelchen zu zu binden; die Schnur ward immer länger, und es faßte den Rand des Säck¬ chens zusammen und wickelte die Schnur darum und als ich sprach: "Gott gebe ihm die ewige Ruhe" sagte es, "und das ewige Licht leuchte ihm!" da hatte es dem Knoten geschlungen, schloß das Bündelchen, schwang es auf den Rücken, sprach: "tausend Gott vergelt's!" und verschwand in hellem schönen Schein. -- Im selben Augenblicke traten meine Mägde be¬
bracht, hilf ihm ſein Buͤndlein ſchnuͤren;“ da umarmte ſie mich und zog von dannen. Ich kann nicht ſagen, wie tief mich die Worte erſchuͤtterten, die ſie zum erſtenmal von dem geheimnißvollen Buͤblein geſprochen. Ich ahndete, es ſtehe mir etwas Großes bevor; jedoch was ſollte ich thun, ich mußte es erfolgen laſſen. Jetzt aber ſtand ich auf, zuͤndete meine Leuchte an und ging in das Waſchhaus bei dem Gallinarium; wir hatten gewettet, wer zuerſt da ſeyn werde. Ich war die Erſte. Keine meiner Geſpielinnen oder Maͤgde war zugegen. Ich blickte zwiſchen den großen Waſchbuͤtten ſcheu durch die weite dunkle Halle, die meine Lampe un¬ beſtimmt erleuchtete. — Ich dachte, wenn jetzt das Buͤblein kaͤme! — Da hoͤrte ich die Huͤhner ſich ruͤhren und auch wie Schritte und glaubte ſchon, es nahten meine Maͤgde. Ich ging zu dem Stalle und ſah da einen Knaben von etwa ſechs Jahren, der aus dem dort haͤngenden Futterſaͤckchen der Ve¬ rena mit einem Maße Weizen ſchoͤpfte und den Huͤhnern vorwarf. Neben ihm ſtand ein offnes Reiſeſaͤckchen, in wel¬ chem ich allerlei Fruͤchte ſchimmern ſah. Mir ſchauderte ein wenig und ich ſagte fluͤſternd: „ach das Buͤblein!“ — Da wendete es den Kopf und ſchaute mich wehmuͤthig laͤchelnd an, nickte und machte, auf das offne Reiſeſaͤckchen hindeu¬ tend, mit den Haͤnden die Bewegung des Zubindens; da fuͤhlte ich mich auf die Kniee niedergezogen und betete von Herzen; das Knaͤblein that eben ſo und antwortete ordent¬ lich im Gebet, und es war, als drehe es aus meinem Gebet eine Schnur zuſammen, ſein Buͤndelchen zu zu binden; die Schnur ward immer laͤnger, und es faßte den Rand des Saͤck¬ chens zuſammen und wickelte die Schnur darum und als ich ſprach: „Gott gebe ihm die ewige Ruhe“ ſagte es, „und das ewige Licht leuchte ihm!“ da hatte es dem Knoten geſchlungen, ſchloß das Buͤndelchen, ſchwang es auf den Ruͤcken, ſprach: „tauſend Gott vergelt's!“ und verſchwand in hellem ſchoͤnen Schein. — Im ſelben Augenblicke traten meine Maͤgde be¬
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bracht, hilf ihm ſein Buͤndlein ſchnuͤren;“ da umarmte ſie
mich und zog von dannen. Ich kann nicht ſagen, wie tief
mich die Worte erſchuͤtterten, die ſie zum erſtenmal von dem
geheimnißvollen Buͤblein geſprochen. Ich ahndete, es ſtehe
mir etwas Großes bevor; jedoch was ſollte ich thun, ich
mußte es erfolgen laſſen. Jetzt aber ſtand ich auf, zuͤndete
meine Leuchte an und ging in das Waſchhaus bei dem
Gallinarium; wir hatten gewettet, wer zuerſt da ſeyn werde.
Ich war die Erſte. Keine meiner Geſpielinnen oder Maͤgde
war zugegen. Ich blickte zwiſchen den großen Waſchbuͤtten
ſcheu durch die weite dunkle Halle, die meine Lampe un¬
beſtimmt erleuchtete. — Ich dachte, wenn jetzt das Buͤblein
kaͤme! — Da hoͤrte ich die Huͤhner ſich ruͤhren und auch wie
Schritte und glaubte ſchon, es nahten meine Maͤgde. Ich
ging zu dem Stalle und ſah da einen Knaben von etwa ſechs
Jahren, der aus dem dort haͤngenden Futterſaͤckchen der Ve¬
rena mit einem Maße Weizen ſchoͤpfte und den Huͤhnern
vorwarf. Neben ihm ſtand ein offnes Reiſeſaͤckchen, in wel¬
chem ich allerlei Fruͤchte ſchimmern ſah. Mir ſchauderte ein
wenig und ich ſagte fluͤſternd: „ach das Buͤblein!“ — Da
wendete es den Kopf und ſchaute mich wehmuͤthig laͤchelnd
an, nickte und machte, auf das offne Reiſeſaͤckchen hindeu¬
tend, mit den Haͤnden die Bewegung des Zubindens; da
fuͤhlte ich mich auf die Kniee niedergezogen und betete von
Herzen; das Knaͤblein that eben ſo und antwortete ordent¬
lich im Gebet, und es war, als drehe es aus meinem Gebet
eine Schnur zuſammen, ſein Buͤndelchen zu zu binden; die
Schnur ward immer laͤnger, und es faßte den Rand des Saͤck¬
chens zuſammen und wickelte die Schnur darum und als ich ſprach:
„Gott gebe ihm die ewige Ruhe“ ſagte es, „und das ewige
Licht leuchte ihm!“ da hatte es dem Knoten geſchlungen,
ſchloß das Buͤndelchen, ſchwang es auf den Ruͤcken, ſprach:
„tauſend Gott vergelt's!“ und verſchwand in hellem ſchoͤnen
Schein. — Im ſelben Augenblicke traten meine Maͤgde be¬
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/317>, abgerufen am 21.11.2024.
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