mühte sich, mich von der linken auf die rechte Seite zu le¬ gen, dabei sagte sie: "das fromme Hühnlein schickt mich, es weiß Alles." -- Ich richtete mich im Bette auf, ich glaubte zu träumen, ich sey noch ein Kind, wo Verena so zu thun pflegte. -- Sie aber sprach: "gnädige Gräfinn, goldne Amey, erschrick nicht. Es ist meines Bleibens nicht mehr lange hier. Du weißt, daß ich am Tag vor Sonnen¬ wende immer mit dem frommen Hühnlein in die Höhle gehe, wo der Vater deines Stammes den Salmo und das erste Hühnlein Gallina am Sonnwendetag gefunden, und daß ich dort einige Tage in Zurückgezogenheit während dem lär¬ menden Johannisfest ihrer gedenke. Dieses Jahr treibt es mich etwas früher hinaus, weil du heute mit Tages Anbe¬ ginn unten im Gallinarium große Wäsche hast und ich nicht von allen deinen Gespielen und Mägden will angesprochen werden. -- Ich bringe dir hier den Schlüssel zum Gallina¬ rium und meiner Kammer, du bist die Landesherrinn, ich habe ihn von dir und muß ihn dir wiedergeben, ich bin schon alt, ich hab schon viele Hühnlein erlebet, wer weiß seinen letzten Tag. In meiner Kammer in der Truhe wirst du mein Testament finden." -- Ich ward ganz ernsthaft über diese Reden Verenas und bat, sie möge doch bei solchen Ahn¬ dungen nicht allein in die Salmoshöhle gehen, damit ich ruhig seyn könne. Sie aber erwiederte: "habe keine Sorge um mich, ich bin zwar bereit, aber wir sehen uns auf Er¬ den doch wieder und wollen noch recht freudig zusammen seyn. -- O goldne Amey! achte auf Alles, was dir vertraut ist, besonders auf die amaranthseidne Decke von Hennegau." Als sie dieß sagte, ließ sich das heilige Hühnlein mit einem warnenden Tone in ihrem Korbe vernehmen. "Hörst du," fuhr sie fort, "Gallina ist auch meiner Meinung, und mah¬ net mich zugleich zum Scheiden, das Hühnchen weiß Alles." Hierauf fragte ich "und das Büblein?" da erwiederte Ve¬ rena mit großem Ernste: "es hat seine Sache zu Ende ge¬
muͤhte ſich, mich von der linken auf die rechte Seite zu le¬ gen, dabei ſagte ſie: „das fromme Huͤhnlein ſchickt mich, es weiß Alles.“ — Ich richtete mich im Bette auf, ich glaubte zu traͤumen, ich ſey noch ein Kind, wo Verena ſo zu thun pflegte. — Sie aber ſprach: „gnaͤdige Graͤfinn, goldne Amey, erſchrick nicht. Es iſt meines Bleibens nicht mehr lange hier. Du weißt, daß ich am Tag vor Sonnen¬ wende immer mit dem frommen Huͤhnlein in die Hoͤhle gehe, wo der Vater deines Stammes den Salmo und das erſte Huͤhnlein Gallina am Sonnwendetag gefunden, und daß ich dort einige Tage in Zuruͤckgezogenheit waͤhrend dem laͤr¬ menden Johannisfeſt ihrer gedenke. Dieſes Jahr treibt es mich etwas fruͤher hinaus, weil du heute mit Tages Anbe¬ ginn unten im Gallinarium große Waͤſche haſt und ich nicht von allen deinen Geſpielen und Maͤgden will angeſprochen werden. — Ich bringe dir hier den Schluͤſſel zum Gallina¬ rium und meiner Kammer, du biſt die Landesherrinn, ich habe ihn von dir und muß ihn dir wiedergeben, ich bin ſchon alt, ich hab ſchon viele Huͤhnlein erlebet, wer weiß ſeinen letzten Tag. In meiner Kammer in der Truhe wirſt du mein Teſtament finden.“ — Ich ward ganz ernſthaft uͤber dieſe Reden Verenas und bat, ſie moͤge doch bei ſolchen Ahn¬ dungen nicht allein in die Salmoshoͤhle gehen, damit ich ruhig ſeyn koͤnne. Sie aber erwiederte: „habe keine Sorge um mich, ich bin zwar bereit, aber wir ſehen uns auf Er¬ den doch wieder und wollen noch recht freudig zuſammen ſeyn. — O goldne Amey! achte auf Alles, was dir vertraut iſt, beſonders auf die amaranthſeidne Decke von Hennegau.“ Als ſie dieß ſagte, ließ ſich das heilige Huͤhnlein mit einem warnenden Tone in ihrem Korbe vernehmen. „Hoͤrſt du,“ fuhr ſie fort, „Gallina iſt auch meiner Meinung, und mah¬ net mich zugleich zum Scheiden, das Huͤhnchen weiß Alles.“ Hierauf fragte ich „und das Buͤblein?“ da erwiederte Ve¬ rena mit großem Ernſte: „es hat ſeine Sache zu Ende ge¬
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muͤhte ſich, mich von der linken auf die rechte Seite zu le¬
gen, dabei ſagte ſie: „das fromme Huͤhnlein ſchickt mich,
es weiß Alles.“ — Ich richtete mich im Bette auf, ich
glaubte zu traͤumen, ich ſey noch ein Kind, wo Verena ſo
zu thun pflegte. — Sie aber ſprach: „gnaͤdige Graͤfinn,
goldne Amey, erſchrick nicht. Es iſt meines Bleibens nicht
mehr lange hier. Du weißt, daß ich am Tag vor Sonnen¬
wende immer mit dem frommen Huͤhnlein in die Hoͤhle gehe,
wo der Vater deines Stammes den Salmo und das erſte
Huͤhnlein Gallina am Sonnwendetag gefunden, und daß
ich dort einige Tage in Zuruͤckgezogenheit waͤhrend dem laͤr¬
menden Johannisfeſt ihrer gedenke. Dieſes Jahr treibt es
mich etwas fruͤher hinaus, weil du heute mit Tages Anbe¬
ginn unten im Gallinarium große Waͤſche haſt und ich nicht
von allen deinen Geſpielen und Maͤgden will angeſprochen
werden. — Ich bringe dir hier den Schluͤſſel zum Gallina¬
rium und meiner Kammer, du biſt die Landesherrinn, ich
habe ihn von dir und muß ihn dir wiedergeben, ich bin ſchon
alt, ich hab ſchon viele Huͤhnlein erlebet, wer weiß ſeinen
letzten Tag. In meiner Kammer in der Truhe wirſt du
mein Teſtament finden.“ — Ich ward ganz ernſthaft uͤber
dieſe Reden Verenas und bat, ſie moͤge doch bei ſolchen Ahn¬
dungen nicht allein in die Salmoshoͤhle gehen, damit ich
ruhig ſeyn koͤnne. Sie aber erwiederte: „habe keine Sorge
um mich, ich bin zwar bereit, aber wir ſehen uns auf Er¬
den doch wieder und wollen noch recht freudig zuſammen
ſeyn. — O goldne Amey! achte auf Alles, was dir vertraut
iſt, beſonders auf die amaranthſeidne Decke von Hennegau.“
Als ſie dieß ſagte, ließ ſich das heilige Huͤhnlein mit einem
warnenden Tone in ihrem Korbe vernehmen. „Hoͤrſt du,“
fuhr ſie fort, „Gallina iſt auch meiner Meinung, und mah¬
net mich zugleich zum Scheiden, das Huͤhnchen weiß Alles.“
Hierauf fragte ich „und das Buͤblein?“ da erwiederte Ve¬
rena mit großem Ernſte: „es hat ſeine Sache zu Ende ge¬
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/316>, abgerufen am 22.11.2024.
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