dann sage ich tausend Gottvergelts und reise in den Him¬ mel!" -- nach diesen Worten verschwand das Büblein, und Verena gieng zu dir und dann zu mir, ich aber ersuche dich, erfülle den Wunsch des Bübleins mit Gebet." So sprach Jakob von Guise zu mir, und da ich ihm hierauf erzählte, was mir vor einer Stunde mit dem Büblein geschehen, und wie ich ihm bereits sein Bündlein geschlossen und es seinen Weg in den Himmel freudig angetreten habe, gab er mir seinen Segen und sprach: "wir wollen dieses Ereigniß für uns bewahren." So habe ich es dann auch allein für mich niedergeschrieben. -- Als ich in das Gallinarium zurückkehrte, fand ich meine Mägde schon in der Wäsche plätschernd und meine Gespielen mit mancherlei Anordnung und Aufsicht be¬ schäftigt. Ich begab mich mit Jungfer Cordula, welche immer bei Krankheit oder Abwesenheit Verenas ihre Stelle vertrat, in das Stübchen Verenas, überreichte ihr die Schlüs¬ sel zu den Hühnern und dem Futter und dem Kornspeicher, nahm in ihrer Gegenwart das versiegelte Testament Verenas aus der Truhe und ließ sie in dem Stübchen zurück. -- Ich war nach dem Erlebten eben nicht besonders erschüttert; es war mir recht von Herzen lieb, daß dem Büblein geholfen war; -- aber indem ich mich fragte, warum mich Das nicht stärker bewegte, dem Verena doch so viel mühselige Jahre gewidmet hatte, antwortete eine Stimme aus meinem In¬ nern, da ich vorübergehend mich vor dem großen Kreuze beugte: "hast du je für das Glück Anderer ein Opfer gebracht? dem Büblein, aber nicht dir ist geholfen, auch du thuest das Deine, wer wird dir dein Bündlein schnüren? Was soll dich erschüttern? Zu Leid und Freud gehört ein Echo, ein Wie¬ derhall, der antwortet; -- aber du bist einsam!" -- Als ich diese Stimme in meinem Innern hörte, war mir unheim¬ lich; ich blieb aber mit dem Gewande am Geländer der Treppe hängen, ich schaute um und sah das Kreuz an, da war's, als spreche es zu mir: "Ich bin so einsam, o lasse
dann ſage ich tauſend Gottvergelts und reiſe in den Him¬ mel!“ — nach dieſen Worten verſchwand das Buͤblein, und Verena gieng zu dir und dann zu mir, ich aber erſuche dich, erfuͤlle den Wunſch des Buͤbleins mit Gebet.“ So ſprach Jakob von Guiſe zu mir, und da ich ihm hierauf erzaͤhlte, was mir vor einer Stunde mit dem Buͤblein geſchehen, und wie ich ihm bereits ſein Buͤndlein geſchloſſen und es ſeinen Weg in den Himmel freudig angetreten habe, gab er mir ſeinen Segen und ſprach: „wir wollen dieſes Ereigniß fuͤr uns bewahren.“ So habe ich es dann auch allein fuͤr mich niedergeſchrieben. — Als ich in das Gallinarium zuruͤckkehrte, fand ich meine Maͤgde ſchon in der Waͤſche plaͤtſchernd und meine Geſpielen mit mancherlei Anordnung und Aufſicht be¬ ſchaͤftigt. Ich begab mich mit Jungfer Cordula, welche immer bei Krankheit oder Abweſenheit Verenas ihre Stelle vertrat, in das Stuͤbchen Verenas, uͤberreichte ihr die Schluͤſ¬ ſel zu den Huͤhnern und dem Futter und dem Kornſpeicher, nahm in ihrer Gegenwart das verſiegelte Teſtament Verenas aus der Truhe und ließ ſie in dem Stuͤbchen zuruͤck. — Ich war nach dem Erlebten eben nicht beſonders erſchuͤttert; es war mir recht von Herzen lieb, daß dem Buͤblein geholfen war; — aber indem ich mich fragte, warum mich Das nicht ſtaͤrker bewegte, dem Verena doch ſo viel muͤhſelige Jahre gewidmet hatte, antwortete eine Stimme aus meinem In¬ nern, da ich voruͤbergehend mich vor dem großen Kreuze beugte: „haſt du je fuͤr das Gluͤck Anderer ein Opfer gebracht? dem Buͤblein, aber nicht dir iſt geholfen, auch du thueſt das Deine, wer wird dir dein Buͤndlein ſchnuͤren? Was ſoll dich erſchuͤttern? Zu Leid und Freud gehoͤrt ein Echo, ein Wie¬ derhall, der antwortet; — aber du biſt einſam!“ — Als ich dieſe Stimme in meinem Innern hoͤrte, war mir unheim¬ lich; ich blieb aber mit dem Gewande am Gelaͤnder der Treppe haͤngen, ich ſchaute um und ſah das Kreuz an, da war's, als ſpreche es zu mir: „Ich bin ſo einſam, o laſſe
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dann ſage ich tauſend Gottvergelts und reiſe in den Him¬
mel!“ — nach dieſen Worten verſchwand das Buͤblein, und
Verena gieng zu dir und dann zu mir, ich aber erſuche dich,
erfuͤlle den Wunſch des Buͤbleins mit Gebet.“ So ſprach
Jakob von Guiſe zu mir, und da ich ihm hierauf erzaͤhlte,
was mir vor einer Stunde mit dem Buͤblein geſchehen, und
wie ich ihm bereits ſein Buͤndlein geſchloſſen und es ſeinen
Weg in den Himmel freudig angetreten habe, gab er mir
ſeinen Segen und ſprach: „wir wollen dieſes Ereigniß fuͤr
uns bewahren.“ So habe ich es dann auch allein fuͤr mich
niedergeſchrieben. — Als ich in das Gallinarium zuruͤckkehrte,
fand ich meine Maͤgde ſchon in der Waͤſche plaͤtſchernd und
meine Geſpielen mit mancherlei Anordnung und Aufſicht be¬
ſchaͤftigt. Ich begab mich mit Jungfer Cordula, welche
immer bei Krankheit oder Abweſenheit Verenas ihre Stelle
vertrat, in das Stuͤbchen Verenas, uͤberreichte ihr die Schluͤſ¬
ſel zu den Huͤhnern und dem Futter und dem Kornſpeicher,
nahm in ihrer Gegenwart das verſiegelte Teſtament Verenas
aus der Truhe und ließ ſie in dem Stuͤbchen zuruͤck. — Ich
war nach dem Erlebten eben nicht beſonders erſchuͤttert; es
war mir recht von Herzen lieb, daß dem Buͤblein geholfen
war; — aber indem ich mich fragte, warum mich Das nicht
ſtaͤrker bewegte, dem Verena doch ſo viel muͤhſelige Jahre
gewidmet hatte, antwortete eine Stimme aus meinem In¬
nern, da ich voruͤbergehend mich vor dem großen Kreuze
beugte: „haſt du je fuͤr das Gluͤck Anderer ein Opfer gebracht?
dem Buͤblein, aber nicht dir iſt geholfen, auch du thueſt das
Deine, wer wird dir dein Buͤndlein ſchnuͤren? Was ſoll dich
erſchuͤttern? Zu Leid und Freud gehoͤrt ein Echo, ein Wie¬
derhall, der antwortet; — aber du biſt einſam!“ — Als
ich dieſe Stimme in meinem Innern hoͤrte, war mir unheim¬
lich; ich blieb aber mit dem Gewande am Gelaͤnder der
Treppe haͤngen, ich ſchaute um und ſah das Kreuz an, da
war's, als ſpreche es zu mir: „Ich bin ſo einſam, o laſſe
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/321>, abgerufen am 21.11.2024.
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