Traumes, von welchem ich kein Wort erwähnt hatte; -- sie hatte also dasselbe geträumt, und woher kam der Reim, den ich drei Tage vorher im Garten bei den Lilien gehört, wie¬ der in ihren Traum? -- Alles das machte einen tieferen Ein¬ druck auf mich, als mir lieb war. Ich habe einen eignen Abscheu vor Wunderbarem, das meine Freiheit stört. -- Ich äußerte Nichts davon, daß sie Dasselbe mit mir geträumt und sagte ganz unbefangen: "was hältst du von dem Trau¬ me?" und sie erwiederte mit ernstem Ton: "einstens wird es keiner mehr seyn." -- Ich fuhr aber fort: "was sagtest du von den Kleinoden auf meiner Schulter, du seyst durch sie geheilt, warum drücktest du so mit deiner Stirne darauf?" da fühlte ich an ihrer Stirne einen tiefen Eindruck von dem spitzen Steine und fuhr fort: "ist dieser unsinnige Eindruck etwa ein Beweis deiner Klugheit?" -- Da richtete sich Kla¬ reta auf und sprach mit ruhigem Bewußtseyn: "meine Her¬ rinn! ich will dir ein wichtiges Geheimniß von den Edel¬ steinen sagen, durch welche du mit dem Ländchen Vadutz belehnt und ich dir unterthan geworden. Es ruht in diesen Kleinodien eine wunderbare, schädliche und heilende Kraft, welche ich beide erfahren habe; denn ich ward krank durch sie und bin gesund durch sie geworden vor wenigen Augen¬ blicken. Jetzt aber will ich dir sagen, woher ich das Ge¬ heimniß dieser Kleinode kenne. -- Mein Vater ist über Meer gezogen gegen die Sarazenen, er ließ die Mutter und uns drei Mägdlein zurück, wir waren nicht reich und lebten von künstlicher Bildweberei. Ach! bald kam eine Botschaft, der Vater sey gefangen, wir sollten ihn auslösen. Es war aber Jürgo, ein Edelknecht des Vaters, unser einziger Schutz und Freund. -- Er war ein gar kunstreicher Weber, arbei¬ tete Tag und Nacht für uns und verkaufte auch unsre Ar¬ beit. Er that uns Alles zu Liebe und wir liebten ihn als einen Bruder. Er bot sich uns an, hinein zu reisen und den Vater zu lösen. Wir verkauften alle unsre Habe, um ihn
Traumes, von welchem ich kein Wort erwaͤhnt hatte; — ſie hatte alſo daſſelbe getraͤumt, und woher kam der Reim, den ich drei Tage vorher im Garten bei den Lilien gehoͤrt, wie¬ der in ihren Traum? — Alles das machte einen tieferen Ein¬ druck auf mich, als mir lieb war. Ich habe einen eignen Abſcheu vor Wunderbarem, das meine Freiheit ſtoͤrt. — Ich aͤußerte Nichts davon, daß ſie Dasſelbe mit mir getraͤumt und ſagte ganz unbefangen: „was haͤltſt du von dem Trau¬ me?“ und ſie erwiederte mit ernſtem Ton: „einſtens wird es keiner mehr ſeyn.“ — Ich fuhr aber fort: „was ſagteſt du von den Kleinoden auf meiner Schulter, du ſeyſt durch ſie geheilt, warum druͤckteſt du ſo mit deiner Stirne darauf?“ da fuͤhlte ich an ihrer Stirne einen tiefen Eindruck von dem ſpitzen Steine und fuhr fort: „iſt dieſer unſinnige Eindruck etwa ein Beweis deiner Klugheit?“ — Da richtete ſich Kla¬ reta auf und ſprach mit ruhigem Bewußtſeyn: „meine Her¬ rinn! ich will dir ein wichtiges Geheimniß von den Edel¬ ſteinen ſagen, durch welche du mit dem Laͤndchen Vadutz belehnt und ich dir unterthan geworden. Es ruht in dieſen Kleinodien eine wunderbare, ſchaͤdliche und heilende Kraft, welche ich beide erfahren habe; denn ich ward krank durch ſie und bin geſund durch ſie geworden vor wenigen Augen¬ blicken. Jetzt aber will ich dir ſagen, woher ich das Ge¬ heimniß dieſer Kleinode kenne. — Mein Vater iſt uͤber Meer gezogen gegen die Sarazenen, er ließ die Mutter und uns drei Maͤgdlein zuruͤck, wir waren nicht reich und lebten von kuͤnſtlicher Bildweberei. Ach! bald kam eine Botſchaft, der Vater ſey gefangen, wir ſollten ihn ausloͤſen. Es war aber Juͤrgo, ein Edelknecht des Vaters, unſer einziger Schutz und Freund. — Er war ein gar kunſtreicher Weber, arbei¬ tete Tag und Nacht fuͤr uns und verkaufte auch unſre Ar¬ beit. Er that uns Alles zu Liebe und wir liebten ihn als einen Bruder. Er bot ſich uns an, hinein zu reiſen und den Vater zu loͤſen. Wir verkauften alle unſre Habe, um ihn
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Traumes, von welchem ich kein Wort erwaͤhnt hatte; — ſie
hatte alſo daſſelbe getraͤumt, und woher kam der Reim, den
ich drei Tage vorher im Garten bei den Lilien gehoͤrt, wie¬
der in ihren Traum? — Alles das machte einen tieferen Ein¬
druck auf mich, als mir lieb war. Ich habe einen eignen
Abſcheu vor Wunderbarem, das meine Freiheit ſtoͤrt. — Ich
aͤußerte Nichts davon, daß ſie Dasſelbe mit mir getraͤumt
und ſagte ganz unbefangen: „was haͤltſt du von dem Trau¬
me?“ und ſie erwiederte mit ernſtem Ton: „einſtens wird
es keiner mehr ſeyn.“ — Ich fuhr aber fort: „was ſagteſt
du von den Kleinoden auf meiner Schulter, du ſeyſt durch
ſie geheilt, warum druͤckteſt du ſo mit deiner Stirne darauf?“
da fuͤhlte ich an ihrer Stirne einen tiefen Eindruck von dem
ſpitzen Steine und fuhr fort: „iſt dieſer unſinnige Eindruck
etwa ein Beweis deiner Klugheit?“ — Da richtete ſich Kla¬
reta auf und ſprach mit ruhigem Bewußtſeyn: „meine Her¬
rinn! ich will dir ein wichtiges Geheimniß von den Edel¬
ſteinen ſagen, durch welche du mit dem Laͤndchen Vadutz
belehnt und ich dir unterthan geworden. Es ruht in dieſen
Kleinodien eine wunderbare, ſchaͤdliche und heilende Kraft,
welche ich beide erfahren habe; denn ich ward krank durch
ſie und bin geſund durch ſie geworden vor wenigen Augen¬
blicken. Jetzt aber will ich dir ſagen, woher ich das Ge¬
heimniß dieſer Kleinode kenne. — Mein Vater iſt uͤber Meer
gezogen gegen die Sarazenen, er ließ die Mutter und uns
drei Maͤgdlein zuruͤck, wir waren nicht reich und lebten von
kuͤnſtlicher Bildweberei. Ach! bald kam eine Botſchaft, der
Vater ſey gefangen, wir ſollten ihn ausloͤſen. Es war aber
Juͤrgo, ein Edelknecht des Vaters, unſer einziger Schutz
und Freund. — Er war ein gar kunſtreicher Weber, arbei¬
tete Tag und Nacht fuͤr uns und verkaufte auch unſre Ar¬
beit. Er that uns Alles zu Liebe und wir liebten ihn als
einen Bruder. Er bot ſich uns an, hinein zu reiſen und den
Vater zu loͤſen. Wir verkauften alle unſre Habe, um ihn
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/332>, abgerufen am 21.11.2024.
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