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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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des Dankes; -- in demselben Augenblick aber ergrimmte Ro¬
thenfahn und rief: "Hammel, Hammel stutz" und stieß den
Bruder mit der Stirne nieder, daß er blutete. -- Da entsetzte
sich die Mutter, die Augen giengen ihr auf, sie erkannte den
Unterschied zwischen links und rechts, sie gedachte des Ge¬
bots des sterbenden Grafen Anselm, die Edelsteine nicht zu
trennen, sie sah den bösen Sohn zitternd an und sagte: "Gott
verzeihe mir, ich habe himmelschreiendes Unrecht gethan,
Wolfbrand, du bist ein Ungeheuer, die ganze Macht des Stei¬
nes werde an dir lebendig!" -- Da zog sie den Hego an
ihr Herz, und da sie das rothe Blut von seiner weißen Stirne
niederrinnen sah, riß sie die Farbe in tiefer Liebe zu ihm
hin, und sie küßte seine Stirne und segnete ihn nochmals
und sprach: "alle deine Nachkommen sollen Zeugniß davon
geben, daß dein rothes Blut zu mir geschrieen und mein
Herz in meinem Tod mit Lieb und Reue erfüllet hat! aller
Segen komme über dich! -- Hüte dich vor deinem Bruder,
aber räche dich nicht an ihm, -- nein! heile mit deiner Rech¬
ten, was meine Linke verdarb, -- ich werde keine Ruhe fin¬
den, bis die beiden Edelsteine vereint auf deinen Schultern
ruhn!" da starb sie. -- Wolfbrand nahm die Schlösser und
Burgen des Landes in Besitz und pflanzte seine rothe Fahne
überall auf. Er übte große Gewaltthat an Land und Leu¬
ten, Alles floh vor ihm. -- Hego zog auf seinen Berg, baute
sich ein Haus und hütete die Heerden, welche ihm die Mut¬
ter geschenkt. Segen und Friede war mit ihm, Unsegen
und Unfriede mit Jenem. Die verfolgten Unterthanen trie¬
ben ihre Heerden zu ihm und flehten ihn um Schutz. Dar¬
über ergrimmte Wolfbrand immer mehr und sein Haß gegen
den Bruder stieg bis zum Wahnsinn. Er hetzte ihm hung¬
rige Wölfe an seine Heerde, und wenn der Bruder sanft und
liebvoll ihn ermahnte, rief er ihn an: "Hammel stutz -- und
Vadutz!" -- da nun unter dem Volk die Rede entstand, er
sey nicht ihr vollkommener Herr, er trage nicht die beiden

des Dankes; — in demſelben Augenblick aber ergrimmte Ro¬
thenfahn und rief: „Hammel, Hammel ſtutz“ und ſtieß den
Bruder mit der Stirne nieder, daß er blutete. — Da entſetzte
ſich die Mutter, die Augen giengen ihr auf, ſie erkannte den
Unterſchied zwiſchen links und rechts, ſie gedachte des Ge¬
bots des ſterbenden Grafen Anſelm, die Edelſteine nicht zu
trennen, ſie ſah den boͤſen Sohn zitternd an und ſagte: „Gott
verzeihe mir, ich habe himmelſchreiendes Unrecht gethan,
Wolfbrand, du biſt ein Ungeheuer, die ganze Macht des Stei¬
nes werde an dir lebendig!“ — Da zog ſie den Hego an
ihr Herz, und da ſie das rothe Blut von ſeiner weißen Stirne
niederrinnen ſah, riß ſie die Farbe in tiefer Liebe zu ihm
hin, und ſie kuͤßte ſeine Stirne und ſegnete ihn nochmals
und ſprach: „alle deine Nachkommen ſollen Zeugniß davon
geben, daß dein rothes Blut zu mir geſchrieen und mein
Herz in meinem Tod mit Lieb und Reue erfuͤllet hat! aller
Segen komme uͤber dich! — Huͤte dich vor deinem Bruder,
aber raͤche dich nicht an ihm, — nein! heile mit deiner Rech¬
ten, was meine Linke verdarb, — ich werde keine Ruhe fin¬
den, bis die beiden Edelſteine vereint auf deinen Schultern
ruhn!“ da ſtarb ſie. — Wolfbrand nahm die Schloͤſſer und
Burgen des Landes in Beſitz und pflanzte ſeine rothe Fahne
uͤberall auf. Er uͤbte große Gewaltthat an Land und Leu¬
ten, Alles floh vor ihm. — Hego zog auf ſeinen Berg, baute
ſich ein Haus und huͤtete die Heerden, welche ihm die Mut¬
ter geſchenkt. Segen und Friede war mit ihm, Unſegen
und Unfriede mit Jenem. Die verfolgten Unterthanen trie¬
ben ihre Heerden zu ihm und flehten ihn um Schutz. Dar¬
uͤber ergrimmte Wolfbrand immer mehr und ſein Haß gegen
den Bruder ſtieg bis zum Wahnſinn. Er hetzte ihm hung¬
rige Woͤlfe an ſeine Heerde, und wenn der Bruder ſanft und
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[284/0338] des Dankes; — in demſelben Augenblick aber ergrimmte Ro¬ thenfahn und rief: „Hammel, Hammel ſtutz“ und ſtieß den Bruder mit der Stirne nieder, daß er blutete. — Da entſetzte ſich die Mutter, die Augen giengen ihr auf, ſie erkannte den Unterſchied zwiſchen links und rechts, ſie gedachte des Ge¬ bots des ſterbenden Grafen Anſelm, die Edelſteine nicht zu trennen, ſie ſah den boͤſen Sohn zitternd an und ſagte: „Gott verzeihe mir, ich habe himmelſchreiendes Unrecht gethan, Wolfbrand, du biſt ein Ungeheuer, die ganze Macht des Stei¬ nes werde an dir lebendig!“ — Da zog ſie den Hego an ihr Herz, und da ſie das rothe Blut von ſeiner weißen Stirne niederrinnen ſah, riß ſie die Farbe in tiefer Liebe zu ihm hin, und ſie kuͤßte ſeine Stirne und ſegnete ihn nochmals und ſprach: „alle deine Nachkommen ſollen Zeugniß davon geben, daß dein rothes Blut zu mir geſchrieen und mein Herz in meinem Tod mit Lieb und Reue erfuͤllet hat! aller Segen komme uͤber dich! — Huͤte dich vor deinem Bruder, aber raͤche dich nicht an ihm, — nein! heile mit deiner Rech¬ ten, was meine Linke verdarb, — ich werde keine Ruhe fin¬ den, bis die beiden Edelſteine vereint auf deinen Schultern ruhn!“ da ſtarb ſie. — Wolfbrand nahm die Schloͤſſer und Burgen des Landes in Beſitz und pflanzte ſeine rothe Fahne uͤberall auf. Er uͤbte große Gewaltthat an Land und Leu¬ ten, Alles floh vor ihm. — Hego zog auf ſeinen Berg, baute ſich ein Haus und huͤtete die Heerden, welche ihm die Mut¬ ter geſchenkt. Segen und Friede war mit ihm, Unſegen und Unfriede mit Jenem. Die verfolgten Unterthanen trie¬ ben ihre Heerden zu ihm und flehten ihn um Schutz. Dar¬ uͤber ergrimmte Wolfbrand immer mehr und ſein Haß gegen den Bruder ſtieg bis zum Wahnſinn. Er hetzte ihm hung¬ rige Woͤlfe an ſeine Heerde, und wenn der Bruder ſanft und liebvoll ihn ermahnte, rief er ihn an: „Hammel ſtutz — und Vadutz!“ — da nun unter dem Volk die Rede entſtand, er ſey nicht ihr vollkommener Herr, er trage nicht die beiden

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/338>, abgerufen am 21.11.2024.