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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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Edelsteine, das Land sey ihm nur zur linken Hand angetraut,
zogen sich die Unterthanen immer mehr zu der weißen Fah¬
ne. -- Indessen bauten die Unterthanen dem guten Hego ein
festes Schloß auf seinen Berg, um ihn und das Seine vor
dem wüthenden Wolfbrand zu schützen und nannten das
Schloß Vadutz. Wolfbrand verlangte nun den andern Edel¬
stein von seinem Bruder und war so von Sinnen gekommen,
daß er ihn herausforderte, wer von beiden den Andern mit
der Stirne niederstoße, solle beide Edelsteine haben. Hego
schloß sich in seine Burg Vadutz ein und ließ ihm sagen:
"so du willst, stoße diese Veste nieder!" da belagerte der un¬
sinnige Wolfbrand Vadutz, alles Volk aber verließ ihn, und
als er sich allein sah, rannte er mit seiner harten Stirne so
wüthend gegen das Thor, daß er wie todt niedersank. Hego
ließ ihn hereintragen und pflegte ihn, aber es war keine
Hoffnung, sein Kopf war gespalten. Da nun Hego überall
umfragte, ob Niemand Hülfe für den lieben Bruder wüßte,
kam ein weiser, frommer Meister, der sagte ihm: "lasse sein
Haupt an St. Johannis Vorabend auf dem Edelstein dei¬
ner rechten Schulter ruhen und sieh, was erfolgt." Das
that Hego, und Wolfbrand ward ruhig und mild und ge¬
wann seinen Verstand wieder, und bat seinen Bruder um
Vergebung und alle die er betrübet und starb in Hegos Arm
einen schönen Tod. Dieser aber trug nun beide Edelsteine
und hatte das ganze Ländchen, das nannte er Vadutz, wie
sein Schloß, und baute dem weisen Meister ein Kloster, wo
der Leib seiner Mutter ruhte und legte den Leib Wolfbrands
mit seiner rothen Fahne an ihre linke Seite. Er hieß aber
das Kloster Bänderen, weil die Mutter den Raum dazu
auf einer grünen Wiese mit tief rothen Bändern abgesteckt
hatte. -- Dann regierte Graf Hego das Land Vadutz gar
milde, hatte viele Söhne und Töchter, und jährlich am
St. Johannisabend warden unweise, arme Menschen zu
ihm geführt, die lehnten ihr Haupt auf seine rechte Schul¬

Edelſteine, das Land ſey ihm nur zur linken Hand angetraut,
zogen ſich die Unterthanen immer mehr zu der weißen Fah¬
ne. — Indeſſen bauten die Unterthanen dem guten Hego ein
feſtes Schloß auf ſeinen Berg, um ihn und das Seine vor
dem wuͤthenden Wolfbrand zu ſchuͤtzen und nannten das
Schloß Vadutz. Wolfbrand verlangte nun den andern Edel¬
ſtein von ſeinem Bruder und war ſo von Sinnen gekommen,
daß er ihn herausforderte, wer von beiden den Andern mit
der Stirne niederſtoße, ſolle beide Edelſteine haben. Hego
ſchloß ſich in ſeine Burg Vadutz ein und ließ ihm ſagen:
„ſo du willſt, ſtoße dieſe Veſte nieder!“ da belagerte der un¬
ſinnige Wolfbrand Vadutz, alles Volk aber verließ ihn, und
als er ſich allein ſah, rannte er mit ſeiner harten Stirne ſo
wuͤthend gegen das Thor, daß er wie todt niederſank. Hego
ließ ihn hereintragen und pflegte ihn, aber es war keine
Hoffnung, ſein Kopf war geſpalten. Da nun Hego uͤberall
umfragte, ob Niemand Huͤlfe fuͤr den lieben Bruder wuͤßte,
kam ein weiſer, frommer Meiſter, der ſagte ihm: „laſſe ſein
Haupt an St. Johannis Vorabend auf dem Edelſtein dei¬
ner rechten Schulter ruhen und ſieh, was erfolgt.“ Das
that Hego, und Wolfbrand ward ruhig und mild und ge¬
wann ſeinen Verſtand wieder, und bat ſeinen Bruder um
Vergebung und alle die er betruͤbet und ſtarb in Hegos Arm
einen ſchoͤnen Tod. Dieſer aber trug nun beide Edelſteine
und hatte das ganze Laͤndchen, das nannte er Vadutz, wie
ſein Schloß, und baute dem weiſen Meiſter ein Kloſter, wo
der Leib ſeiner Mutter ruhte und legte den Leib Wolfbrands
mit ſeiner rothen Fahne an ihre linke Seite. Er hieß aber
das Kloſter Baͤnderen, weil die Mutter den Raum dazu
auf einer gruͤnen Wieſe mit tief rothen Baͤndern abgeſteckt
hatte. — Dann regierte Graf Hego das Land Vadutz gar
milde, hatte viele Soͤhne und Toͤchter, und jaͤhrlich am
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ihm gefuͤhrt, die lehnten ihr Haupt auf ſeine rechte Schul¬

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[285/0339] Edelſteine, das Land ſey ihm nur zur linken Hand angetraut, zogen ſich die Unterthanen immer mehr zu der weißen Fah¬ ne. — Indeſſen bauten die Unterthanen dem guten Hego ein feſtes Schloß auf ſeinen Berg, um ihn und das Seine vor dem wuͤthenden Wolfbrand zu ſchuͤtzen und nannten das Schloß Vadutz. Wolfbrand verlangte nun den andern Edel¬ ſtein von ſeinem Bruder und war ſo von Sinnen gekommen, daß er ihn herausforderte, wer von beiden den Andern mit der Stirne niederſtoße, ſolle beide Edelſteine haben. Hego ſchloß ſich in ſeine Burg Vadutz ein und ließ ihm ſagen: „ſo du willſt, ſtoße dieſe Veſte nieder!“ da belagerte der un¬ ſinnige Wolfbrand Vadutz, alles Volk aber verließ ihn, und als er ſich allein ſah, rannte er mit ſeiner harten Stirne ſo wuͤthend gegen das Thor, daß er wie todt niederſank. Hego ließ ihn hereintragen und pflegte ihn, aber es war keine Hoffnung, ſein Kopf war geſpalten. Da nun Hego uͤberall umfragte, ob Niemand Huͤlfe fuͤr den lieben Bruder wuͤßte, kam ein weiſer, frommer Meiſter, der ſagte ihm: „laſſe ſein Haupt an St. Johannis Vorabend auf dem Edelſtein dei¬ ner rechten Schulter ruhen und ſieh, was erfolgt.“ Das that Hego, und Wolfbrand ward ruhig und mild und ge¬ wann ſeinen Verſtand wieder, und bat ſeinen Bruder um Vergebung und alle die er betruͤbet und ſtarb in Hegos Arm einen ſchoͤnen Tod. Dieſer aber trug nun beide Edelſteine und hatte das ganze Laͤndchen, das nannte er Vadutz, wie ſein Schloß, und baute dem weiſen Meiſter ein Kloſter, wo der Leib ſeiner Mutter ruhte und legte den Leib Wolfbrands mit ſeiner rothen Fahne an ihre linke Seite. Er hieß aber das Kloſter Baͤnderen, weil die Mutter den Raum dazu auf einer gruͤnen Wieſe mit tief rothen Baͤndern abgeſteckt hatte. — Dann regierte Graf Hego das Land Vadutz gar milde, hatte viele Soͤhne und Toͤchter, und jaͤhrlich am St. Johannisabend warden unweiſe, arme Menſchen zu ihm gefuͤhrt, die lehnten ihr Haupt auf ſeine rechte Schul¬

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/339>, abgerufen am 22.11.2024.