feuer springe, werde in diesem Jahre noch heurathen." -- Ich dankte Klareta herzlich, daß sie mich zurückgehalten, denn sonst wäre ich schon über diesem neunten Feuer drüben gewesen, und was hätten dann die Leute von mir gedacht? denn keine Jungfrau, welche über die acht frühern Feuer gesprungen, sprang über dieses, um nicht der lärmenden Neckerei ausgesetzt zu seyn. Mich verdroß der Aberglaube, ich war so schön im Zuge, ich wäre gern nochmals gesprun¬ gen; ich sprach zu Klareta: "komm führe mich in mein Bleichzelt, sonst stehe ich dir für Nichts gut, denn mir ist, als stecke mir noch ein Sprung in den Füßen. Wir mußten aber, um den neunten Feuer auszuweichen, das am Ende eines Hohlwegs brannte, eine Strecke zurückgehen; sieh, da kam uns Gluth und Jauchzen entgegen; in schnellem Lauf trieben die jüngern Bursche ein mit Stroh und Reisern um¬ wickeltes, großes, brennendes Rad in den Hohlweg auf das Feuer los; vor dem Rade her floh eine Schaar von muth¬ willigen Mägdlein, welche sie neckend gegen das neunte Feuer hintreiben wollten. Es war kein Ausweg für mich zwischen dem Rad und dem Feuer; Klareta warf sich in einen Busch, mich trieb die Schaar der Mägdlein vor sich her. Ich war früher am Ziel und im schnellen Sprunge über die Flamme hinaus, und hatte nun auch das neunte Röslein erobert und in meinem geschürzten Vortuche bewahrt. -- Man erkannte mich nicht in Klaretas Mantel. -- Ich eilte aus dem Getümmel und traf bald mit meinen Gespielen zusammen, welche singend mit ihren Kinderschaaren zur Stadt zurückzogen und mich an meinem Schlafzelt auf der Bleiche verließen. -- Die Schwe¬ stern Klaretas, welche auf der Bleiche wachend zurückgeblie¬ ben waren, boten mir vor meinem Zelt gute Nacht, küßten mir die Hände und verließen mich. -- In dem Zelt fand ich Klareta. Sie saß dicht neben dem Eingang an der Erde. Ich sah sie, wendete mich aber nicht zu ihr; von Thau be¬ netzt, legte ich Klaretas Mantel ab und andere Schuhe an
feuer ſpringe, werde in dieſem Jahre noch heurathen.“ — Ich dankte Klareta herzlich, daß ſie mich zuruͤckgehalten, denn ſonſt waͤre ich ſchon uͤber dieſem neunten Feuer druͤben geweſen, und was haͤtten dann die Leute von mir gedacht? denn keine Jungfrau, welche uͤber die acht fruͤhern Feuer geſprungen, ſprang uͤber dieſes, um nicht der laͤrmenden Neckerei ausgeſetzt zu ſeyn. Mich verdroß der Aberglaube, ich war ſo ſchoͤn im Zuge, ich waͤre gern nochmals geſprun¬ gen; ich ſprach zu Klareta: „komm fuͤhre mich in mein Bleichzelt, ſonſt ſtehe ich dir fuͤr Nichts gut, denn mir iſt, als ſtecke mir noch ein Sprung in den Fuͤßen. Wir mußten aber, um den neunten Feuer auszuweichen, das am Ende eines Hohlwegs brannte, eine Strecke zuruͤckgehen; ſieh, da kam uns Gluth und Jauchzen entgegen; in ſchnellem Lauf trieben die juͤngern Burſche ein mit Stroh und Reiſern um¬ wickeltes, großes, brennendes Rad in den Hohlweg auf das Feuer los; vor dem Rade her floh eine Schaar von muth¬ willigen Maͤgdlein, welche ſie neckend gegen das neunte Feuer hintreiben wollten. Es war kein Ausweg fuͤr mich zwiſchen dem Rad und dem Feuer; Klareta warf ſich in einen Buſch, mich trieb die Schaar der Maͤgdlein vor ſich her. Ich war fruͤher am Ziel und im ſchnellen Sprunge uͤber die Flamme hinaus, und hatte nun auch das neunte Roͤslein erobert und in meinem geſchuͤrzten Vortuche bewahrt. — Man erkannte mich nicht in Klaretas Mantel. — Ich eilte aus dem Getuͤmmel und traf bald mit meinen Geſpielen zuſammen, welche ſingend mit ihren Kinderſchaaren zur Stadt zuruͤckzogen und mich an meinem Schlafzelt auf der Bleiche verließen. — Die Schwe¬ ſtern Klaretas, welche auf der Bleiche wachend zuruͤckgeblie¬ ben waren, boten mir vor meinem Zelt gute Nacht, kuͤßten mir die Haͤnde und verließen mich. — In dem Zelt fand ich Klareta. Sie ſaß dicht neben dem Eingang an der Erde. Ich ſah ſie, wendete mich aber nicht zu ihr; von Thau be¬ netzt, legte ich Klaretas Mantel ab und andere Schuhe an
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feuer ſpringe, werde in dieſem Jahre noch heurathen.“ —
Ich dankte Klareta herzlich, daß ſie mich zuruͤckgehalten,
denn ſonſt waͤre ich ſchon uͤber dieſem neunten Feuer druͤben
geweſen, und was haͤtten dann die Leute von mir gedacht?
denn keine Jungfrau, welche uͤber die acht fruͤhern Feuer
geſprungen, ſprang uͤber dieſes, um nicht der laͤrmenden
Neckerei ausgeſetzt zu ſeyn. Mich verdroß der Aberglaube,
ich war ſo ſchoͤn im Zuge, ich waͤre gern nochmals geſprun¬
gen; ich ſprach zu Klareta: „komm fuͤhre mich in mein
Bleichzelt, ſonſt ſtehe ich dir fuͤr Nichts gut, denn mir iſt,
als ſtecke mir noch ein Sprung in den Fuͤßen. Wir mußten
aber, um den neunten Feuer auszuweichen, das am Ende
eines Hohlwegs brannte, eine Strecke zuruͤckgehen; ſieh, da
kam uns Gluth und Jauchzen entgegen; in ſchnellem Lauf
trieben die juͤngern Burſche ein mit Stroh und Reiſern um¬
wickeltes, großes, brennendes Rad in den Hohlweg auf das
Feuer los; vor dem Rade her floh eine Schaar von muth¬
willigen Maͤgdlein, welche ſie neckend gegen das neunte Feuer
hintreiben wollten. Es war kein Ausweg fuͤr mich zwiſchen
dem Rad und dem Feuer; Klareta warf ſich in einen Buſch,
mich trieb die Schaar der Maͤgdlein vor ſich her. Ich war
fruͤher am Ziel und im ſchnellen Sprunge uͤber die Flamme
hinaus, und hatte nun auch das neunte Roͤslein erobert und in
meinem geſchuͤrzten Vortuche bewahrt. — Man erkannte mich
nicht in Klaretas Mantel. — Ich eilte aus dem Getuͤmmel und
traf bald mit meinen Geſpielen zuſammen, welche ſingend mit
ihren Kinderſchaaren zur Stadt zuruͤckzogen und mich an
meinem Schlafzelt auf der Bleiche verließen. — Die Schwe¬
ſtern Klaretas, welche auf der Bleiche wachend zuruͤckgeblie¬
ben waren, boten mir vor meinem Zelt gute Nacht, kuͤßten
mir die Haͤnde und verließen mich. — In dem Zelt fand
ich Klareta. Sie ſaß dicht neben dem Eingang an der Erde.
Ich ſah ſie, wendete mich aber nicht zu ihr; von Thau be¬
netzt, legte ich Klaretas Mantel ab und andere Schuhe an
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/366>, abgerufen am 22.11.2024.
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