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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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war weiter und weiter gelaufen bis hieher, und die gute
Verena, die das Hühnlein verstand, war gefolgt. Als Ve¬
rena vor mir stand, sprach sie: "Goldne Amey, ich brauche
dich nicht zur rechten Seite zu wenden, du bist schon selbst
dahin gewendet, das fromme Hühnlein hat mich hergeführt,
es weiß Alles." Da fragte ich wie gewohnt: "Was macht
das Büblein?" und sie erwiederte:

Es hat sein Sach gemacht,
Es hat sein Sach gut gemacht,
Du hast sein Bündlein zugemacht,
Es hat es freudig heimgebracht,
Hat angeklopfet fein und sacht,
Die Mutter hat ihm aufgemacht,
Der Vater hat es angelacht,
Dann hat es gleich an uns gedacht,
Hat dich auf deinem Weg bewacht,
Hat mich und's Hühnlein hergebracht,
Daß ich hier Alles nehm' in Acht,
Bis daß die Hochzeit ist vollbracht.

So weit hatte ich Alles in dem Briefe an Klareta ge¬
schrieben, als Verena mich mit den Worten unterbrach:
"Warum schreibst du, hast du nicht den Riug Salomonis
am Finger, hat denn dein Bräutigam dich liebste Dirn aus
Hennegau durch einen Brief oder durch den Ring hieher ge¬
bracht? so thue du auch." -- Da drehte ich schnell den
Ring, und wünschte die drei Schwestern aus Kloster Lilien¬
thal und meine Ordens-Gespielinnen und Jakob von Guise
aus Hennegau zu mir, und daß sie mir alles das Nöthig¬
ste von dem Meinigen mitbrächten; und alsbald kamen die
Schwestern mit ihren drei Lilien und die Gespielinnen mit
ihren Pflichthühnern zum ersten Mahle zur Hochzeit. Ja¬
kob von Guise, der sie begleitet hatte, vollzog die Trauung
in der Schloßkapelle und segnete das ganze Haus, Verena
gab das Hühnlein Gallina zu dem Hahn Alecktryo in das
Raugraf Gockel'sche Gallinarium; und sie sah Nachts das

war weiter und weiter gelaufen bis hieher, und die gute
Verena, die das Huͤhnlein verſtand, war gefolgt. Als Ve¬
rena vor mir ſtand, ſprach ſie: „Goldne Amey, ich brauche
dich nicht zur rechten Seite zu wenden, du biſt ſchon ſelbſt
dahin gewendet, das fromme Huͤhnlein hat mich hergefuͤhrt,
es weiß Alles.“ Da fragte ich wie gewohnt: „Was macht
das Buͤblein?“ und ſie erwiederte:

Es hat ſein Sach gemacht,
Es hat ſein Sach gut gemacht,
Du haſt ſein Buͤndlein zugemacht,
Es hat es freudig heimgebracht,
Hat angeklopfet fein und ſacht,
Die Mutter hat ihm aufgemacht,
Der Vater hat es angelacht,
Dann hat es gleich an uns gedacht,
Hat dich auf deinem Weg bewacht,
Hat mich und's Huͤhnlein hergebracht,
Daß ich hier Alles nehm' in Acht,
Bis daß die Hochzeit iſt vollbracht.

So weit hatte ich Alles in dem Briefe an Klareta ge¬
ſchrieben, als Verena mich mit den Worten unterbrach:
„Warum ſchreibſt du, haſt du nicht den Riug Salomonis
am Finger, hat denn dein Braͤutigam dich liebſte Dirn aus
Hennegau durch einen Brief oder durch den Ring hieher ge¬
bracht? ſo thue du auch.“ — Da drehte ich ſchnell den
Ring, und wuͤnſchte die drei Schweſtern aus Kloſter Lilien¬
thal und meine Ordens-Geſpielinnen und Jakob von Guiſe
aus Hennegau zu mir, und daß ſie mir alles das Noͤthig¬
ſte von dem Meinigen mitbraͤchten; und alsbald kamen die
Schweſtern mit ihren drei Lilien und die Geſpielinnen mit
ihren Pflichthuͤhnern zum erſten Mahle zur Hochzeit. Ja¬
kob von Guiſe, der ſie begleitet hatte, vollzog die Trauung
in der Schloßkapelle und ſegnete das ganze Haus, Verena
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[327/0381] war weiter und weiter gelaufen bis hieher, und die gute Verena, die das Huͤhnlein verſtand, war gefolgt. Als Ve¬ rena vor mir ſtand, ſprach ſie: „Goldne Amey, ich brauche dich nicht zur rechten Seite zu wenden, du biſt ſchon ſelbſt dahin gewendet, das fromme Huͤhnlein hat mich hergefuͤhrt, es weiß Alles.“ Da fragte ich wie gewohnt: „Was macht das Buͤblein?“ und ſie erwiederte: Es hat ſein Sach gemacht, Es hat ſein Sach gut gemacht, Du haſt ſein Buͤndlein zugemacht, Es hat es freudig heimgebracht, Hat angeklopfet fein und ſacht, Die Mutter hat ihm aufgemacht, Der Vater hat es angelacht, Dann hat es gleich an uns gedacht, Hat dich auf deinem Weg bewacht, Hat mich und's Huͤhnlein hergebracht, Daß ich hier Alles nehm' in Acht, Bis daß die Hochzeit iſt vollbracht. So weit hatte ich Alles in dem Briefe an Klareta ge¬ ſchrieben, als Verena mich mit den Worten unterbrach: „Warum ſchreibſt du, haſt du nicht den Riug Salomonis am Finger, hat denn dein Braͤutigam dich liebſte Dirn aus Hennegau durch einen Brief oder durch den Ring hieher ge¬ bracht? ſo thue du auch.“ — Da drehte ich ſchnell den Ring, und wuͤnſchte die drei Schweſtern aus Kloſter Lilien¬ thal und meine Ordens-Geſpielinnen und Jakob von Guiſe aus Hennegau zu mir, und daß ſie mir alles das Noͤthig¬ ſte von dem Meinigen mitbraͤchten; und alsbald kamen die Schweſtern mit ihren drei Lilien und die Geſpielinnen mit ihren Pflichthuͤhnern zum erſten Mahle zur Hochzeit. Ja¬ kob von Guiſe, der ſie begleitet hatte, vollzog die Trauung in der Schloßkapelle und ſegnete das ganze Haus, Verena gab das Huͤhnlein Gallina zu dem Hahn Alecktryo in das Raugraf Gockel'ſche Gallinarium; und ſie ſah Nachts das

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/381>, abgerufen am 21.11.2024.