zu nehmen, und ihn zum Grafen von Hennegau und Vadutz zu machen, oder du mußt uns die Kleinodien von Vadutz von deinen Schultern geben, dann magst du heim ziehen." Da ich Keines von Beiden eingehen wollte, wollten sie mir bei der Linde die Achselbänder von den Schultern reißen; mein Geschrei erfüllte den Wald; ich flehte zu Gott: "o sende den Hahn, die Löwen zu vertreiben, ich gelobe, so es dein Wille, wenn er mich rettet, den Ring demüthig von ihm zu em¬ pfangen." Da brach ein Ritter hervor mit einem lebendi¬ gen schwarzen Hahn auf dem Helm, sein Schwert schlug meine drei Feinde nieder, und der Hahn krähte siegreich auf seinem Helm. Er half mir, er tröstete mich, er saß bei mir unter der Linde, er sah mich freundlich lächelnd an und drehte einen kostbaren Ring an seinem Finger, leise Worte murmelnd. -- Ich wußte schon Alles aus dem Traum und that mir eine unwahre Gewalt an, seinen Ring nicht an zu nehmen; ich ergab mich der schützenden Kraft des Achselban¬ des, ich neigte das Haupt auf die rechte Schulter; aber lei¬ der saß er mir zur rechten, unwillkührlich streckte ich den Ringfinger aus, und der Siegelring Salomonis umfaßte ihn, und das arme Kind von Hennegau war die verlobte Braut des Raugrafen Gockel von Hanau auf Gockelsruh. -- Das Brautkrönchen der Mutter hatte ich auf den Kopf, das Pa¬ radiesgärtchen vor der Brust, seit ich entführt ward; mir fiel ein, wie ich einmal als Kind geglaubt, da ich in diesem Schmuck herum fühlte, es begegne mir eine Hand mit einem Ringe. Das war also nun auch erfüllt und noch mehr -- im Augenblick, da der Ritter mir den Ring an den Finger steckte, krähte der schwarze Hahn Alektryo auf seinem Helm und flog nieder gegen ein Gebüsch, aus welchem Verena mit dem frommen Hühnlein Gallina hervortrat, das sie in ihrem langen Korbe trug. Du kannst dir meine Freude den¬ ken. -- Sie war am Johannisvorabend wie gewöhnlich zur Höhle Salmos gewallfahret, das fromme Hühnlein aber
zu nehmen, und ihn zum Grafen von Hennegau und Vadutz zu machen, oder du mußt uns die Kleinodien von Vadutz von deinen Schultern geben, dann magſt du heim ziehen.“ Da ich Keines von Beiden eingehen wollte, wollten ſie mir bei der Linde die Achſelbaͤnder von den Schultern reißen; mein Geſchrei erfuͤllte den Wald; ich flehte zu Gott: „o ſende den Hahn, die Loͤwen zu vertreiben, ich gelobe, ſo es dein Wille, wenn er mich rettet, den Ring demuͤthig von ihm zu em¬ pfangen.“ Da brach ein Ritter hervor mit einem lebendi¬ gen ſchwarzen Hahn auf dem Helm, ſein Schwert ſchlug meine drei Feinde nieder, und der Hahn kraͤhte ſiegreich auf ſeinem Helm. Er half mir, er troͤſtete mich, er ſaß bei mir unter der Linde, er ſah mich freundlich laͤchelnd an und drehte einen koſtbaren Ring an ſeinem Finger, leiſe Worte murmelnd. — Ich wußte ſchon Alles aus dem Traum und that mir eine unwahre Gewalt an, ſeinen Ring nicht an zu nehmen; ich ergab mich der ſchuͤtzenden Kraft des Achſelban¬ des, ich neigte das Haupt auf die rechte Schulter; aber lei¬ der ſaß er mir zur rechten, unwillkuͤhrlich ſtreckte ich den Ringfinger aus, und der Siegelring Salomonis umfaßte ihn, und das arme Kind von Hennegau war die verlobte Braut des Raugrafen Gockel von Hanau auf Gockelsruh. — Das Brautkroͤnchen der Mutter hatte ich auf den Kopf, das Pa¬ radiesgaͤrtchen vor der Bruſt, ſeit ich entfuͤhrt ward; mir fiel ein, wie ich einmal als Kind geglaubt, da ich in dieſem Schmuck herum fuͤhlte, es begegne mir eine Hand mit einem Ringe. Das war alſo nun auch erfuͤllt und noch mehr — im Augenblick, da der Ritter mir den Ring an den Finger ſteckte, kraͤhte der ſchwarze Hahn Alektryo auf ſeinem Helm und flog nieder gegen ein Gebuͤſch, aus welchem Verena mit dem frommen Huͤhnlein Gallina hervortrat, das ſie in ihrem langen Korbe trug. Du kannſt dir meine Freude den¬ ken. — Sie war am Johannisvorabend wie gewoͤhnlich zur Hoͤhle Salmos gewallfahret, das fromme Huͤhnlein aber
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zu nehmen, und ihn zum Grafen von Hennegau und Vadutz
zu machen, oder du mußt uns die Kleinodien von Vadutz
von deinen Schultern geben, dann magſt du heim ziehen.“
Da ich Keines von Beiden eingehen wollte, wollten ſie mir
bei der Linde die Achſelbaͤnder von den Schultern reißen; mein
Geſchrei erfuͤllte den Wald; ich flehte zu Gott: „o ſende den
Hahn, die Loͤwen zu vertreiben, ich gelobe, ſo es dein Wille,
wenn er mich rettet, den Ring demuͤthig von ihm zu em¬
pfangen.“ Da brach ein Ritter hervor mit einem lebendi¬
gen ſchwarzen Hahn auf dem Helm, ſein Schwert ſchlug
meine drei Feinde nieder, und der Hahn kraͤhte ſiegreich auf
ſeinem Helm. Er half mir, er troͤſtete mich, er ſaß bei
mir unter der Linde, er ſah mich freundlich laͤchelnd an und
drehte einen koſtbaren Ring an ſeinem Finger, leiſe Worte
murmelnd. — Ich wußte ſchon Alles aus dem Traum und
that mir eine unwahre Gewalt an, ſeinen Ring nicht an zu
nehmen; ich ergab mich der ſchuͤtzenden Kraft des Achſelban¬
des, ich neigte das Haupt auf die rechte Schulter; aber lei¬
der ſaß er mir zur rechten, unwillkuͤhrlich ſtreckte ich den
Ringfinger aus, und der Siegelring Salomonis umfaßte ihn,
und das arme Kind von Hennegau war die verlobte Braut
des Raugrafen Gockel von Hanau auf Gockelsruh. — Das
Brautkroͤnchen der Mutter hatte ich auf den Kopf, das Pa¬
radiesgaͤrtchen vor der Bruſt, ſeit ich entfuͤhrt ward; mir
fiel ein, wie ich einmal als Kind geglaubt, da ich in dieſem
Schmuck herum fuͤhlte, es begegne mir eine Hand mit einem
Ringe. Das war alſo nun auch erfuͤllt und noch mehr —
im Augenblick, da der Ritter mir den Ring an den Finger
ſteckte, kraͤhte der ſchwarze Hahn Alektryo auf ſeinem Helm
und flog nieder gegen ein Gebuͤſch, aus welchem Verena
mit dem frommen Huͤhnlein Gallina hervortrat, das ſie in
ihrem langen Korbe trug. Du kannſt dir meine Freude den¬
ken. — Sie war am Johannisvorabend wie gewoͤhnlich zur
Hoͤhle Salmos gewallfahret, das fromme Huͤhnlein aber
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/380>, abgerufen am 22.11.2024.
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