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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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keimten und schossen schnell auf in reichen, goldnen Aehren,
und füllten die Grube und den Getreidekasten und umgaben
den Thronstuhl und das Kinderstühlchen und den Knaben
und Verena und mich, und alle Aehren wehten durcheinan¬
der und Keines sah das Andere mehr; denn Alles war nun
Eines. -- Der Schnitter aber nahte immer mehr und konnte
kaum Alles schneiden, was aufschoß; es wuchs ihm unter
der Sense empor. Während dem Allem flocht ich am Erndte¬
kranz aus vielen Blumen und stimmte in das Lied des Schnit¬
ters ein:

Es ist ein Schnitter, der heißt Tod,
Er mäht das Korn, wenns Gott gebot;
Schon wetzt er die Sense,
Daß schneidend sie glänze,
Bald wird er dich schneiden,
Du mußt es nur leiden;
Mußt in den Erndtekranz hinein,
Hüte dich schöns Blümelein!
Was heut noch frisch und blühend steht
Wird morgen schon hinweggemäht,
Ihr edlen Narcissen,
Ihr süßen Melissen,
Ihr sehnenden Winden,
Ihr Leid-Hyacinthen,
Müßt in den Erndtekranz hinein,
Hüte dich schöns Blümelein!
Viel hunderttausend ohne Zahl,
Ihr sinket durch der Sense Stahl,
Weh Rosen, weh Lilien,
Weh krause Basilien!
Selbst euch Kaiserkronen
Wird er nicht verschonen;
Ihr müßt zum Erndtekranz hinein,
Hüte dich schöns Blümelein!
Du himmelfarben Ehrenpreis,
Du Träumer, Mohn, roth, gelb und weiß,

keimten und ſchoſſen ſchnell auf in reichen, goldnen Aehren,
und fuͤllten die Grube und den Getreidekaſten und umgaben
den Thronſtuhl und das Kinderſtuͤhlchen und den Knaben
und Verena und mich, und alle Aehren wehten durcheinan¬
der und Keines ſah das Andere mehr; denn Alles war nun
Eines. — Der Schnitter aber nahte immer mehr und konnte
kaum Alles ſchneiden, was aufſchoß; es wuchs ihm unter
der Senſe empor. Waͤhrend dem Allem flocht ich am Erndte¬
kranz aus vielen Blumen und ſtimmte in das Lied des Schnit¬
ters ein:

Es iſt ein Schnitter, der heißt Tod,
Er maͤht das Korn, wenns Gott gebot;
Schon wetzt er die Senſe,
Daß ſchneidend ſie glaͤnze,
Bald wird er dich ſchneiden,
Du mußt es nur leiden;
Mußt in den Erndtekranz hinein,
Huͤte dich ſchoͤns Bluͤmelein!
Was heut noch friſch und bluͤhend ſteht
Wird morgen ſchon hinweggemaͤht,
Ihr edlen Narciſſen,
Ihr ſuͤßen Meliſſen,
Ihr ſehnenden Winden,
Ihr Leid-Hyacinthen,
Muͤßt in den Erndtekranz hinein,
Huͤte dich ſchoͤns Bluͤmelein!
Viel hunderttauſend ohne Zahl,
Ihr ſinket durch der Senſe Stahl,
Weh Roſen, weh Lilien,
Weh krauſe Baſilien!
Selbſt euch Kaiſerkronen
Wird er nicht verſchonen;
Ihr muͤßt zum Erndtekranz hinein,
Huͤte dich ſchoͤns Bluͤmelein!
Du himmelfarben Ehrenpreis,
Du Traͤumer, Mohn, roth, gelb und weiß,
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[334/0390] keimten und ſchoſſen ſchnell auf in reichen, goldnen Aehren, und fuͤllten die Grube und den Getreidekaſten und umgaben den Thronſtuhl und das Kinderſtuͤhlchen und den Knaben und Verena und mich, und alle Aehren wehten durcheinan¬ der und Keines ſah das Andere mehr; denn Alles war nun Eines. — Der Schnitter aber nahte immer mehr und konnte kaum Alles ſchneiden, was aufſchoß; es wuchs ihm unter der Senſe empor. Waͤhrend dem Allem flocht ich am Erndte¬ kranz aus vielen Blumen und ſtimmte in das Lied des Schnit¬ ters ein: Es iſt ein Schnitter, der heißt Tod, Er maͤht das Korn, wenns Gott gebot; Schon wetzt er die Senſe, Daß ſchneidend ſie glaͤnze, Bald wird er dich ſchneiden, Du mußt es nur leiden; Mußt in den Erndtekranz hinein, Huͤte dich ſchoͤns Bluͤmelein! Was heut noch friſch und bluͤhend ſteht Wird morgen ſchon hinweggemaͤht, Ihr edlen Narciſſen, Ihr ſuͤßen Meliſſen, Ihr ſehnenden Winden, Ihr Leid-Hyacinthen, Muͤßt in den Erndtekranz hinein, Huͤte dich ſchoͤns Bluͤmelein! Viel hunderttauſend ohne Zahl, Ihr ſinket durch der Senſe Stahl, Weh Roſen, weh Lilien, Weh krauſe Baſilien! Selbſt euch Kaiſerkronen Wird er nicht verſchonen; Ihr muͤßt zum Erndtekranz hinein, Huͤte dich ſchoͤns Bluͤmelein! Du himmelfarben Ehrenpreis, Du Traͤumer, Mohn, roth, gelb und weiß,

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/390>, abgerufen am 22.11.2024.