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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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Die Gespielen.

Winke nur, winke nur, sind gar leichte, leichte Wink,
Bis den Finger drücket der goldne Treuering.
Dein Schleierlein weht so feucht und thränenschwer,
O wie weinet die schöne Braut so sehr!
Ringlein sehn heut lieblich aus,
Morgen werden Fesseln draus.

Die Lilienfräulein.

Wir Lilien aus dem Lilienthal,
Wir kehren einstens wieder,
Dann in ein Bettchen eng und schmahl
Sinkt müd dein Brautkleid nieder,
Dann naht der Seelenbräutigam
Das Lamm von königlichem Stamm,
Und wer ihm nicht entgegengeht,
Bleibt unerhört und unerhöht.

Die Gespielen.

Springe heut, springe heut deinen letzten, letzten Tanz,
Welken erst die Rosen, stehn Dornen in dem Kranz,
Dein Schleierlein weht so feucht und thränenschwer,
O wie weinet die schöne Braut so sehr!
Mußt die Blümlein lassen stehn,
Mußt nun auf den Acker gehn.

Die Lilienfräulein.

Führt sternenreine Engellein
Die Braut auf guter Weide,
Durch Lieb und Leid, bis klar und rein
Der Geist im Lilienkleide
Sich scheidet von dem Dornenthal
Und mit uns singt beim Hochzeitsmahl:
O Stern und Blume, Geist und Kleid
Lieb, Leid und Zeit und Ewigkeit!

Es wird Jedermann leicht einsehen, daß alles Dieses mehr
zum Weinen als zum Lachen war, erst die kühlen Nächte
auf der Bleiche in Hennegau, dann die Geschichte der Klei¬
nodien von Vadutz, dann durch neun Feuer gesprungen, dann

Die Geſpielen.

Winke nur, winke nur, ſind gar leichte, leichte Wink,
Bis den Finger druͤcket der goldne Treuering.
Dein Schleierlein weht ſo feucht und thraͤnenſchwer,
O wie weinet die ſchoͤne Braut ſo ſehr!
Ringlein ſehn heut lieblich aus,
Morgen werden Feſſeln draus.

Die Lilienfraͤulein.

Wir Lilien aus dem Lilienthal,
Wir kehren einſtens wieder,
Dann in ein Bettchen eng und ſchmahl
Sinkt muͤd dein Brautkleid nieder,
Dann naht der Seelenbraͤutigam
Das Lamm von koͤniglichem Stamm,
Und wer ihm nicht entgegengeht,
Bleibt unerhoͤrt und unerhoͤht.

Die Geſpielen.

Springe heut, ſpringe heut deinen letzten, letzten Tanz,
Welken erſt die Roſen, ſtehn Dornen in dem Kranz,
Dein Schleierlein weht ſo feucht und thraͤnenſchwer,
O wie weinet die ſchoͤne Braut ſo ſehr!
Mußt die Bluͤmlein laſſen ſtehn,
Mußt nun auf den Acker gehn.

Die Lilienfraͤulein.

Fuͤhrt ſternenreine Engellein
Die Braut auf guter Weide,
Durch Lieb und Leid, bis klar und rein
Der Geiſt im Lilienkleide
Sich ſcheidet von dem Dornenthal
Und mit uns ſingt beim Hochzeitsmahl:
O Stern und Blume, Geiſt und Kleid
Lieb, Leid und Zeit und Ewigkeit!

Es wird Jedermann leicht einſehen, daß alles Dieſes mehr
zum Weinen als zum Lachen war, erſt die kuͤhlen Naͤchte
auf der Bleiche in Hennegau, dann die Geſchichte der Klei¬
nodien von Vadutz, dann durch neun Feuer geſprungen, dann

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[341/0397] Die Geſpielen. Winke nur, winke nur, ſind gar leichte, leichte Wink, Bis den Finger druͤcket der goldne Treuering. Dein Schleierlein weht ſo feucht und thraͤnenſchwer, O wie weinet die ſchoͤne Braut ſo ſehr! Ringlein ſehn heut lieblich aus, Morgen werden Feſſeln draus. Die Lilienfraͤulein. Wir Lilien aus dem Lilienthal, Wir kehren einſtens wieder, Dann in ein Bettchen eng und ſchmahl Sinkt muͤd dein Brautkleid nieder, Dann naht der Seelenbraͤutigam Das Lamm von koͤniglichem Stamm, Und wer ihm nicht entgegengeht, Bleibt unerhoͤrt und unerhoͤht. Die Geſpielen. Springe heut, ſpringe heut deinen letzten, letzten Tanz, Welken erſt die Roſen, ſtehn Dornen in dem Kranz, Dein Schleierlein weht ſo feucht und thraͤnenſchwer, O wie weinet die ſchoͤne Braut ſo ſehr! Mußt die Bluͤmlein laſſen ſtehn, Mußt nun auf den Acker gehn. Die Lilienfraͤulein. Fuͤhrt ſternenreine Engellein Die Braut auf guter Weide, Durch Lieb und Leid, bis klar und rein Der Geiſt im Lilienkleide Sich ſcheidet von dem Dornenthal Und mit uns ſingt beim Hochzeitsmahl: O Stern und Blume, Geiſt und Kleid Lieb, Leid und Zeit und Ewigkeit! Es wird Jedermann leicht einſehen, daß alles Dieſes mehr zum Weinen als zum Lachen war, erſt die kuͤhlen Naͤchte auf der Bleiche in Hennegau, dann die Geſchichte der Klei¬ nodien von Vadutz, dann durch neun Feuer geſprungen, dann

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/397>, abgerufen am 20.05.2024.