die Angst um die Amaranthseidne Decke, dann die lange gewaltsame Entführung zu Pferd, dann der Kampf unter der Linde, dann die plötzliche Verlobung durch die Gewalt des Salomonsringes, dann die Jahrhunderte von Meilen lange Traumreise mit Verena zum Erntekranz, und das mühselige Weinen von Weizenkörnern für das Büblein, dann noch pudelnaß von Thränen aus dem Schlafe geweckt durch ein wehklagendes Hochzeitslied, dann in den linken Pan¬ toffel zuerst geschlüpft, dann den Kopf durchs Fenster hin¬ aus in den kalten Nebel, wie in einen nassen Mehlsack ge¬ steckt, dann mühselig eingeschnürt in der verstorbenen Mut¬ ter Brautkleid, das mir viel zu eng ist, dann hinter der Sterbedecke meiner Mutter her, auf der auch ich einst ster¬ ben sollte, durch den kalten Nebel von lamentabelm Gesang begleitet. -- Sollte ich nicht schwer und krank und müd seyn und den Schnupfen ganz entsetzlich haben? -- Das Fatalste war noch, daß das Hühnlein Gallina ganz naß und kalt die Flügel hängen ließ, und da ich sehr oft und ungemein stark nießte, fuhr es erschreckt zusammen und mir mit den naßkalten Flügeln an den Hals; wodurch ich ge¬ wiß einen Halskrampf bekommen hätte, denn der Schluchser stellte sich schon ein; jedoch Klareta hängte mir die neun Röslein, die ich beim Johannisfeuer erobert hatte um den Hals, das half so ziemlich; aber ich mußte alle Augenblicke denken: wäre ich nicht über das neunte Feuer gesprungen, so brauchte ich nicht hier im Nebel zu gehn. -- Ich werde mein Leben lang an diesen Brautzug denken, wenn ich ver¬ drießlich bin. -- Man kann sich keine verdrießlichere Braut denken, als mich, Alles ärgerte mich, selbst daß ich keine Wand sah, an der mich eine Fliege hätte ärgern können. -- Ach! dachte ich, wäre doch der fatale Ring Salomonis nicht, der mit der Erfüllung aller Wünsche einem schier die Thüre einrennt, das plötzliche Glück trifft einen wie ein Schlag¬ fluß, es wird mir nichts zu wünschen übrig bleiben, das ist
die Angſt um die Amaranthſeidne Decke, dann die lange gewaltſame Entfuͤhrung zu Pferd, dann der Kampf unter der Linde, dann die ploͤtzliche Verlobung durch die Gewalt des Salomonsringes, dann die Jahrhunderte von Meilen lange Traumreiſe mit Verena zum Erntekranz, und das muͤhſelige Weinen von Weizenkoͤrnern fuͤr das Buͤblein, dann noch pudelnaß von Thraͤnen aus dem Schlafe geweckt durch ein wehklagendes Hochzeitslied, dann in den linken Pan¬ toffel zuerſt geſchluͤpft, dann den Kopf durchs Fenſter hin¬ aus in den kalten Nebel, wie in einen naſſen Mehlſack ge¬ ſteckt, dann muͤhſelig eingeſchnuͤrt in der verſtorbenen Mut¬ ter Brautkleid, das mir viel zu eng iſt, dann hinter der Sterbedecke meiner Mutter her, auf der auch ich einſt ſter¬ ben ſollte, durch den kalten Nebel von lamentabelm Geſang begleitet. — Sollte ich nicht ſchwer und krank und muͤd ſeyn und den Schnupfen ganz entſetzlich haben? — Das Fatalſte war noch, daß das Huͤhnlein Gallina ganz naß und kalt die Fluͤgel haͤngen ließ, und da ich ſehr oft und ungemein ſtark nießte, fuhr es erſchreckt zuſammen und mir mit den naßkalten Fluͤgeln an den Hals; wodurch ich ge¬ wiß einen Halskrampf bekommen haͤtte, denn der Schluchſer ſtellte ſich ſchon ein; jedoch Klareta haͤngte mir die neun Roͤslein, die ich beim Johannisfeuer erobert hatte um den Hals, das half ſo ziemlich; aber ich mußte alle Augenblicke denken: waͤre ich nicht uͤber das neunte Feuer geſprungen, ſo brauchte ich nicht hier im Nebel zu gehn. — Ich werde mein Leben lang an dieſen Brautzug denken, wenn ich ver¬ drießlich bin. — Man kann ſich keine verdrießlichere Braut denken, als mich, Alles aͤrgerte mich, ſelbſt daß ich keine Wand ſah, an der mich eine Fliege haͤtte aͤrgern koͤnnen. — Ach! dachte ich, waͤre doch der fatale Ring Salomonis nicht, der mit der Erfuͤllung aller Wuͤnſche einem ſchier die Thuͤre einrennt, das ploͤtzliche Gluͤck trifft einen wie ein Schlag¬ fluß, es wird mir nichts zu wuͤnſchen uͤbrig bleiben, das iſt
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die Angſt um die Amaranthſeidne Decke, dann die lange
gewaltſame Entfuͤhrung zu Pferd, dann der Kampf unter
der Linde, dann die ploͤtzliche Verlobung durch die Gewalt
des Salomonsringes, dann die Jahrhunderte von Meilen
lange Traumreiſe mit Verena zum Erntekranz, und das
muͤhſelige Weinen von Weizenkoͤrnern fuͤr das Buͤblein, dann
noch pudelnaß von Thraͤnen aus dem Schlafe geweckt durch
ein wehklagendes Hochzeitslied, dann in den linken Pan¬
toffel zuerſt geſchluͤpft, dann den Kopf durchs Fenſter hin¬
aus in den kalten Nebel, wie in einen naſſen Mehlſack ge¬
ſteckt, dann muͤhſelig eingeſchnuͤrt in der verſtorbenen Mut¬
ter Brautkleid, das mir viel zu eng iſt, dann hinter der
Sterbedecke meiner Mutter her, auf der auch ich einſt ſter¬
ben ſollte, durch den kalten Nebel von lamentabelm Geſang
begleitet. — Sollte ich nicht ſchwer und krank und muͤd
ſeyn und den Schnupfen ganz entſetzlich haben? — Das
Fatalſte war noch, daß das Huͤhnlein Gallina ganz naß
und kalt die Fluͤgel haͤngen ließ, und da ich ſehr oft und
ungemein ſtark nießte, fuhr es erſchreckt zuſammen und mir
mit den naßkalten Fluͤgeln an den Hals; wodurch ich ge¬
wiß einen Halskrampf bekommen haͤtte, denn der Schluchſer
ſtellte ſich ſchon ein; jedoch Klareta haͤngte mir die neun
Roͤslein, die ich beim Johannisfeuer erobert hatte um den
Hals, das half ſo ziemlich; aber ich mußte alle Augenblicke
denken: waͤre ich nicht uͤber das neunte Feuer geſprungen, ſo
brauchte ich nicht hier im Nebel zu gehn. — Ich werde
mein Leben lang an dieſen Brautzug denken, wenn ich ver¬
drießlich bin. — Man kann ſich keine verdrießlichere Braut
denken, als mich, Alles aͤrgerte mich, ſelbſt daß ich keine
Wand ſah, an der mich eine Fliege haͤtte aͤrgern koͤnnen. —
Ach! dachte ich, waͤre doch der fatale Ring Salomonis nicht,
der mit der Erfuͤllung aller Wuͤnſche einem ſchier die Thuͤre
einrennt, das ploͤtzliche Gluͤck trifft einen wie ein Schlag¬
fluß, es wird mir nichts zu wuͤnſchen uͤbrig bleiben, das iſt
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/398>, abgerufen am 21.11.2024.
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