die größte Armuth. Gockel mag es gut meinen, aber was ist das für eine Heurath über Hals und Kopf?-- alle Schränke sind voll und eingeräumt, und keinen Faden habe ich gespon¬ nen, gewebt, gebleicht, genäht; -- ach die Freuden einer großen Wäsche sind nun ewig für mich verloren! o unaus¬ stehliche Vollkommenheit aller Mobilien -- nichts zu be¬ sorgen, auszusuchen, zu bestellen, nur wünschen, wünschen, wünschen und auch gleich besitzen -- o verwünschtes Wün¬ schen! -- In solchen Jammergedanken nahten wir der Ka¬ pelle, und ich hatte noch eine neue Ursache, mich zu ärgern. Die Brautgeschenke Gockels zogen mir entgegen, er hatte die Geschenke Salomos und der Königinn von Saba durch den Ring herbei gewünscht, und das war eine Toilette aus einem goldnen Hahn und einer goldnen Henne bestehend von so kunstreichem Innern und Aeußern, daß mir der Geduld¬ faden ganz riß, all das Zeug anzusehen. Was mir in der Kapelle geschah, würde ich hier gar nicht sagen, wenn es nicht meiner Verdrießlichkeit die Krone aufgesetzt hätte. Graf Gockel erwartete mich am Altar, ich sah ihn nicht an, er ward sehr betrübt über meinen Unmuth, er bat mich drin¬ gend um die Ursache, ich antwortete nicht; da ward dem Alektryo auf seiner Schulter der Kamm ganz blutroth, und er ließ drohende Töne hören; -- das fand ich impertinent; daß aber Gallina auf meiner Schulter sich darauf einließ, mit freundlicher Stimme zu antworten, verdroß mich mehr als Alles. -- Ich meinte sie habe mir Etwas von meinem Rechte vergeben, und hätte sie schier herabgestoßen; aber Verena flüsterte: "das fromme Hühnlein weiß Alles" -- das verdroß mich wieder; doch nun trat Jakob von Guise vor den Altar und hielt die Trauungsrede, und als wir die Ringe wechselten und ich das Jawort sagen wollte, mußte ich so entsetzlich nießen, daß ich selbst und alle Anwesenden in lautes Lachen ausbrachen. Gockel drehte den Ring mit dem lauten Wunsche "zur Gesundheit!"-- da wirkte mein Nie¬
die groͤßte Armuth. Gockel mag es gut meinen, aber was iſt das fuͤr eine Heurath uͤber Hals und Kopf?— alle Schraͤnke ſind voll und eingeraͤumt, und keinen Faden habe ich geſpon¬ nen, gewebt, gebleicht, genaͤht; — ach die Freuden einer großen Waͤſche ſind nun ewig fuͤr mich verloren! o unaus¬ ſtehliche Vollkommenheit aller Mobilien — nichts zu be¬ ſorgen, auszuſuchen, zu beſtellen, nur wuͤnſchen, wuͤnſchen, wuͤnſchen und auch gleich beſitzen — o verwuͤnſchtes Wuͤn¬ ſchen! — In ſolchen Jammergedanken nahten wir der Ka¬ pelle, und ich hatte noch eine neue Urſache, mich zu aͤrgern. Die Brautgeſchenke Gockels zogen mir entgegen, er hatte die Geſchenke Salomos und der Koͤniginn von Saba durch den Ring herbei gewuͤnſcht, und das war eine Toilette aus einem goldnen Hahn und einer goldnen Henne beſtehend von ſo kunſtreichem Innern und Aeußern, daß mir der Geduld¬ faden ganz riß, all das Zeug anzuſehen. Was mir in der Kapelle geſchah, wuͤrde ich hier gar nicht ſagen, wenn es nicht meiner Verdrießlichkeit die Krone aufgeſetzt haͤtte. Graf Gockel erwartete mich am Altar, ich ſah ihn nicht an, er ward ſehr betruͤbt uͤber meinen Unmuth, er bat mich drin¬ gend um die Urſache, ich antwortete nicht; da ward dem Alektryo auf ſeiner Schulter der Kamm ganz blutroth, und er ließ drohende Toͤne hoͤren; — das fand ich impertinent; daß aber Gallina auf meiner Schulter ſich darauf einließ, mit freundlicher Stimme zu antworten, verdroß mich mehr als Alles. — Ich meinte ſie habe mir Etwas von meinem Rechte vergeben, und haͤtte ſie ſchier herabgeſtoßen; aber Verena fluͤſterte: „das fromme Huͤhnlein weiß Alles“ — das verdroß mich wieder; doch nun trat Jakob von Guiſe vor den Altar und hielt die Trauungsrede, und als wir die Ringe wechſelten und ich das Jawort ſagen wollte, mußte ich ſo entſetzlich nießen, daß ich ſelbſt und alle Anweſenden in lautes Lachen ausbrachen. Gockel drehte den Ring mit dem lauten Wunſche „zur Geſundheit!“— da wirkte mein Nie¬
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die groͤßte Armuth. Gockel mag es gut meinen, aber was
iſt das fuͤr eine Heurath uͤber Hals und Kopf?— alle Schraͤnke
ſind voll und eingeraͤumt, und keinen Faden habe ich geſpon¬
nen, gewebt, gebleicht, genaͤht; — ach die Freuden einer
großen Waͤſche ſind nun ewig fuͤr mich verloren! o unaus¬
ſtehliche Vollkommenheit aller Mobilien — nichts zu be¬
ſorgen, auszuſuchen, zu beſtellen, nur wuͤnſchen, wuͤnſchen,
wuͤnſchen und auch gleich beſitzen — o verwuͤnſchtes Wuͤn¬
ſchen! — In ſolchen Jammergedanken nahten wir der Ka¬
pelle, und ich hatte noch eine neue Urſache, mich zu aͤrgern.
Die Brautgeſchenke Gockels zogen mir entgegen, er hatte die
Geſchenke Salomos und der Koͤniginn von Saba durch den
Ring herbei gewuͤnſcht, und das war eine Toilette aus
einem goldnen Hahn und einer goldnen Henne beſtehend von
ſo kunſtreichem Innern und Aeußern, daß mir der Geduld¬
faden ganz riß, all das Zeug anzuſehen. Was mir in der
Kapelle geſchah, wuͤrde ich hier gar nicht ſagen, wenn es
nicht meiner Verdrießlichkeit die Krone aufgeſetzt haͤtte. Graf
Gockel erwartete mich am Altar, ich ſah ihn nicht an, er
ward ſehr betruͤbt uͤber meinen Unmuth, er bat mich drin¬
gend um die Urſache, ich antwortete nicht; da ward dem
Alektryo auf ſeiner Schulter der Kamm ganz blutroth, und
er ließ drohende Toͤne hoͤren; — das fand ich impertinent;
daß aber Gallina auf meiner Schulter ſich darauf einließ,
mit freundlicher Stimme zu antworten, verdroß mich mehr
als Alles. — Ich meinte ſie habe mir Etwas von meinem
Rechte vergeben, und haͤtte ſie ſchier herabgeſtoßen; aber
Verena fluͤſterte: „das fromme Huͤhnlein weiß Alles“ —
das verdroß mich wieder; doch nun trat Jakob von Guiſe
vor den Altar und hielt die Trauungsrede, und als wir die
Ringe wechſelten und ich das Jawort ſagen wollte, mußte
ich ſo entſetzlich nießen, daß ich ſelbſt und alle Anweſenden
in lautes Lachen ausbrachen. Gockel drehte den Ring mit
dem lauten Wunſche „zur Geſundheit!“— da wirkte mein Nie¬
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/399>, abgerufen am 21.11.2024.
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