so begierig die Hühnchen zu sehen, daß ihr die Augen fun¬ kelten. Da sagte Gackeleia: "wenn du hübsch leise auftreten willst und nicht miauen, damit die Mutter nicht erwacht, so will ich dir die artigen Hühnchen zeigen; die kleinen Kätz¬ chen können auch mitgehen, die werden große Freude an den Hühnchen haben." Gleich lief nun Schurrimurri mit ihren Jungen vor Gackeleia her, und als sie an den Stall gekom¬ men waren, ermahnte sie dieselben nochmals, recht artig zu seyn, und machte leise die Thüre auf. Da konnte sich aber Schurrimurri nicht länger halten, sie setzte mit einem Sprunge auf die brütende Gallina und erwürgte sie, und die jungen Kätzchen waren eben so schnell mit den jungen Hühnchen fertig.
Das Geschrei der Gackeleia und der sterbenden Gallina weckte die Mutter, die noch auf dem Lager schlief und mit Entsetzen ihre ganze Hoffnung von der Katze erwürgt sah, die sich, nebst ihren Jungen, bald mit ihrer Beute davon machte. Gackeleia und Hinkel weinten und rangen die Hän¬ de, und der arme Alektryo, der das Wehgeschrei der Sei¬ nigen wohl gehört hatte, flatterte und schrie in dem Sack.
Gackeleia wollte sterben vor Angst, sie umfaßte die Kniee der Mutter und schrie immer: "ach der Vater, ach der Vater, ach was wird der Vater sagen, ach er wird mich umbringen; Mutter, liebe Mutter, hilf der armen Gacke¬ leia!"
Frau Hinkel war nicht weniger erschreckt, als Gacke¬ leia, und fürchtete sich nicht weniger als diese vor dem ge¬ rechten Zorne Gockels, denn sie hatte den wachsamen Alek¬ tryo in den Sack gesteckt. Als sie das bedachte, fiel ihr auf einmal ein, sie wolle den Hahn Alektryo als den Mörder der jungen Hühnlein angeben, und hoffte dadurch den Zorn Gockels auf diesen unbequemen Wächter zu wenden. Sie nahm daher den Sack, worin der Hahn war, und sagte: "komm Gackeleia, wir wollen dem Vater, nacheilen und ihm
ſo begierig die Huͤhnchen zu ſehen, daß ihr die Augen fun¬ kelten. Da ſagte Gackeleia: „wenn du huͤbſch leiſe auftreten willſt und nicht miauen, damit die Mutter nicht erwacht, ſo will ich dir die artigen Huͤhnchen zeigen; die kleinen Kaͤtz¬ chen koͤnnen auch mitgehen, die werden große Freude an den Huͤhnchen haben.“ Gleich lief nun Schurrimurri mit ihren Jungen vor Gackeleia her, und als ſie an den Stall gekom¬ men waren, ermahnte ſie dieſelben nochmals, recht artig zu ſeyn, und machte leiſe die Thuͤre auf. Da konnte ſich aber Schurrimurri nicht laͤnger halten, ſie ſetzte mit einem Sprunge auf die bruͤtende Gallina und erwuͤrgte ſie, und die jungen Kaͤtzchen waren eben ſo ſchnell mit den jungen Huͤhnchen fertig.
Das Geſchrei der Gackeleia und der ſterbenden Gallina weckte die Mutter, die noch auf dem Lager ſchlief und mit Entſetzen ihre ganze Hoffnung von der Katze erwuͤrgt ſah, die ſich, nebſt ihren Jungen, bald mit ihrer Beute davon machte. Gackeleia und Hinkel weinten und rangen die Haͤn¬ de, und der arme Alektryo, der das Wehgeſchrei der Sei¬ nigen wohl gehoͤrt hatte, flatterte und ſchrie in dem Sack.
Gackeleia wollte ſterben vor Angſt, ſie umfaßte die Kniee der Mutter und ſchrie immer: „ach der Vater, ach der Vater, ach was wird der Vater ſagen, ach er wird mich umbringen; Mutter, liebe Mutter, hilf der armen Gacke¬ leia!“
Frau Hinkel war nicht weniger erſchreckt, als Gacke¬ leia, und fuͤrchtete ſich nicht weniger als dieſe vor dem ge¬ rechten Zorne Gockels, denn ſie hatte den wachſamen Alek¬ tryo in den Sack geſteckt. Als ſie das bedachte, fiel ihr auf einmal ein, ſie wolle den Hahn Alektryo als den Moͤrder der jungen Huͤhnlein angeben, und hoffte dadurch den Zorn Gockels auf dieſen unbequemen Waͤchter zu wenden. Sie nahm daher den Sack, worin der Hahn war, und ſagte: „komm Gackeleia, wir wollen dem Vater, nacheilen und ihm
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ſo begierig die Huͤhnchen zu ſehen, daß ihr die Augen fun¬
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willſt und nicht miauen, damit die Mutter nicht erwacht,
ſo will ich dir die artigen Huͤhnchen zeigen; die kleinen Kaͤtz¬
chen koͤnnen auch mitgehen, die werden große Freude an den
Huͤhnchen haben.“ Gleich lief nun Schurrimurri mit ihren
Jungen vor Gackeleia her, und als ſie an den Stall gekom¬
men waren, ermahnte ſie dieſelben nochmals, recht artig zu
ſeyn, und machte leiſe die Thuͤre auf. Da konnte ſich aber
Schurrimurri nicht laͤnger halten, ſie ſetzte mit einem Sprunge
auf die bruͤtende Gallina und erwuͤrgte ſie, und die jungen
Kaͤtzchen waren eben ſo ſchnell mit den jungen Huͤhnchen
fertig.
Das Geſchrei der Gackeleia und der ſterbenden Gallina
weckte die Mutter, die noch auf dem Lager ſchlief und mit
Entſetzen ihre ganze Hoffnung von der Katze erwuͤrgt ſah,
die ſich, nebſt ihren Jungen, bald mit ihrer Beute davon
machte. Gackeleia und Hinkel weinten und rangen die Haͤn¬
de, und der arme Alektryo, der das Wehgeſchrei der Sei¬
nigen wohl gehoͤrt hatte, flatterte und ſchrie in dem Sack.
Gackeleia wollte ſterben vor Angſt, ſie umfaßte die
Kniee der Mutter und ſchrie immer: „ach der Vater, ach
der Vater, ach was wird der Vater ſagen, ach er wird mich
umbringen; Mutter, liebe Mutter, hilf der armen Gacke¬
leia!“
Frau Hinkel war nicht weniger erſchreckt, als Gacke¬
leia, und fuͤrchtete ſich nicht weniger als dieſe vor dem ge¬
rechten Zorne Gockels, denn ſie hatte den wachſamen Alek¬
tryo in den Sack geſteckt. Als ſie das bedachte, fiel ihr auf
einmal ein, ſie wolle den Hahn Alektryo als den Moͤrder
der jungen Huͤhnlein angeben, und hoffte dadurch den Zorn
Gockels auf dieſen unbequemen Waͤchter zu wenden. Sie
nahm daher den Sack, worin der Hahn war, und ſagte:
„komm Gackeleia, wir wollen dem Vater, nacheilen und ihm
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/62>, abgerufen am 11.12.2024.
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