dank seinem Herrn Glück bringen werde?" -- "Ja," sagte da der zweite Petschierstecher, "der Spruch ist, wie viele sol¬ che Sprüche, in der Flattirmanier gestellt, große Herrn flat¬ tirt man gern. Die Urkunde ist ein bischen verschmeichelt und aus Menschenfreundlichkeit ein wenig aufgemuntert; so wie man einem alten Roß die Haare aus den Ohren schnei¬ det und die Zähne feilt, daß es jünger aussieht, haben unsre Vorfahren dem damaligen Graf Gockel den Schrecken erspa¬ ren wollen und haben ein r aus einem e und aus einem u ein ü gemacht, denn der Spruch heißt eigentlich:
Alektryo bringt die Glucke selbst um, o Undank! was durch die Thatsache bewiesen ist, denn der undankbare Alektryo hat ja die Glucke sammt den Küchlein umgebracht; wir aber müssen dieses verstehen, denn wir sind von undenk¬ lichen Zeiten aus dem Stamme der Petschierstecher. Von un¬ sern Vorältern ist das Siegel Juda, das Siegel Pharaos, das Siegel Ahabs, das Siegel Ahasveri und das Siegel des Darius gestochen, womit er den Daniel in die Löwen¬ grube versiegelte. Wir sind Leute vom Fach, der Herr Graf können sich auf die Güte unsrer Auslegung verlassen, und so sie sich nicht von erster Qualität bewährt, können der Herr Graf sie uns wieder zurückgeben."
Gockel ganz von der Rede der Männer und seinem Un¬ glücke überzeugt, bat sie, ihm doch nun den Bock und die Ziege für den Hahn zu geben, aber das wollten sie nicht mehr und sprachen: "was soll uns der Hahn, er ist ein Unglückshahn, er kann uns ein Leid anthun, wer wird einen Unglückshahn essen, und bleibt er am Leben, er könnte ei¬ nem ein Unglück ankrähen; aber lassen ihn der Herr Graf einmal sehen, man kauft keine Katze im Sack, viel weniger einen Hahn." Da zog Gockel den Hahn aus dem Sack, und sprach weinend: "o Alektryo, Alektryo! welch Leid hast du mir gethan." Alektryo ließ Kopf und Flügel hängen und war sehr traurig; aber als ihm der eine Petschierstecher an
dank ſeinem Herrn Gluͤck bringen werde?“ — „Ja,“ ſagte da der zweite Petſchierſtecher, „der Spruch iſt, wie viele ſol¬ che Spruͤche, in der Flattirmanier geſtellt, große Herrn flat¬ tirt man gern. Die Urkunde iſt ein bischen verſchmeichelt und aus Menſchenfreundlichkeit ein wenig aufgemuntert; ſo wie man einem alten Roß die Haare aus den Ohren ſchnei¬ det und die Zaͤhne feilt, daß es juͤnger ausſieht, haben unſre Vorfahren dem damaligen Graf Gockel den Schrecken erſpa¬ ren wollen und haben ein r aus einem e und aus einem u ein uͤ gemacht, denn der Spruch heißt eigentlich:
Alektryo bringt die Glucke ſelbſt um, o Undank! was durch die Thatſache bewieſen iſt, denn der undankbare Alektryo hat ja die Glucke ſammt den Kuͤchlein umgebracht; wir aber muͤſſen dieſes verſtehen, denn wir ſind von undenk¬ lichen Zeiten aus dem Stamme der Petſchierſtecher. Von un¬ ſern Voraͤltern iſt das Siegel Juda, das Siegel Pharaos, das Siegel Ahabs, das Siegel Ahasveri und das Siegel des Darius geſtochen, womit er den Daniel in die Loͤwen¬ grube verſiegelte. Wir ſind Leute vom Fach, der Herr Graf koͤnnen ſich auf die Guͤte unſrer Auslegung verlaſſen, und ſo ſie ſich nicht von erſter Qualitaͤt bewaͤhrt, koͤnnen der Herr Graf ſie uns wieder zuruͤckgeben.“
Gockel ganz von der Rede der Maͤnner und ſeinem Un¬ gluͤcke uͤberzeugt, bat ſie, ihm doch nun den Bock und die Ziege fuͤr den Hahn zu geben, aber das wollten ſie nicht mehr und ſprachen: „was ſoll uns der Hahn, er iſt ein Ungluͤckshahn, er kann uns ein Leid anthun, wer wird einen Ungluͤckshahn eſſen, und bleibt er am Leben, er koͤnnte ei¬ nem ein Ungluͤck ankraͤhen; aber laſſen ihn der Herr Graf einmal ſehen, man kauft keine Katze im Sack, viel weniger einen Hahn.“ Da zog Gockel den Hahn aus dem Sack, und ſprach weinend: „o Alektryo, Alektryo! welch Leid haſt du mir gethan.“ Alektryo ließ Kopf und Fluͤgel haͤngen und war ſehr traurig; aber als ihm der eine Petſchierſtecher an
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0066"n="40"/>
dank ſeinem Herrn Gluͤck bringen werde?“—„Ja,“ſagte da<lb/>
der zweite Petſchierſtecher, „der Spruch iſt, wie viele ſol¬<lb/>
che Spruͤche, in der Flattirmanier geſtellt, große Herrn flat¬<lb/>
tirt man gern. Die Urkunde iſt ein bischen verſchmeichelt<lb/>
und aus Menſchenfreundlichkeit ein wenig aufgemuntert; ſo<lb/>
wie man einem alten Roß die Haare aus den Ohren ſchnei¬<lb/>
det und die Zaͤhne feilt, daß es juͤnger ausſieht, haben unſre<lb/>
Vorfahren dem damaligen Graf Gockel den Schrecken erſpa¬<lb/>
ren wollen und haben ein r aus einem e und aus einem u<lb/>
ein uͤ gemacht, denn der Spruch heißt eigentlich:</p><lb/><p>Alektryo bringt die Glucke ſelbſt um, o Undank!<lb/>
was durch die Thatſache bewieſen iſt, denn der undankbare<lb/>
Alektryo hat ja die Glucke ſammt den Kuͤchlein umgebracht;<lb/>
wir aber muͤſſen dieſes verſtehen, denn wir ſind von undenk¬<lb/>
lichen Zeiten aus dem Stamme der Petſchierſtecher. Von un¬<lb/>ſern Voraͤltern iſt das Siegel Juda, das Siegel Pharaos,<lb/>
das Siegel Ahabs, das Siegel Ahasveri und das Siegel<lb/>
des Darius geſtochen, womit er den Daniel in die Loͤwen¬<lb/>
grube verſiegelte. Wir ſind Leute vom Fach, der Herr Graf<lb/>
koͤnnen ſich auf die Guͤte unſrer Auslegung verlaſſen, und ſo<lb/>ſie ſich nicht von erſter Qualitaͤt bewaͤhrt, koͤnnen der Herr<lb/>
Graf ſie uns wieder zuruͤckgeben.“</p><lb/><p>Gockel ganz von der Rede der Maͤnner und ſeinem Un¬<lb/>
gluͤcke uͤberzeugt, bat ſie, ihm doch nun den Bock und die<lb/>
Ziege fuͤr den Hahn zu geben, aber das wollten ſie nicht<lb/>
mehr und ſprachen: „was ſoll uns der Hahn, er iſt ein<lb/>
Ungluͤckshahn, er kann uns ein Leid anthun, wer wird einen<lb/>
Ungluͤckshahn eſſen, und bleibt er am Leben, er koͤnnte ei¬<lb/>
nem ein Ungluͤck ankraͤhen; aber laſſen ihn der Herr Graf<lb/>
einmal ſehen, man kauft keine Katze im Sack, viel weniger<lb/>
einen Hahn.“ Da zog Gockel den Hahn aus dem Sack, und<lb/>ſprach weinend: „o Alektryo, Alektryo! welch Leid haſt du<lb/>
mir gethan.“ Alektryo ließ Kopf und Fluͤgel haͤngen und<lb/>
war ſehr traurig; aber als ihm der eine Petſchierſtecher an<lb/></p></div></body></text></TEI>
[40/0066]
dank ſeinem Herrn Gluͤck bringen werde?“ — „Ja,“ ſagte da
der zweite Petſchierſtecher, „der Spruch iſt, wie viele ſol¬
che Spruͤche, in der Flattirmanier geſtellt, große Herrn flat¬
tirt man gern. Die Urkunde iſt ein bischen verſchmeichelt
und aus Menſchenfreundlichkeit ein wenig aufgemuntert; ſo
wie man einem alten Roß die Haare aus den Ohren ſchnei¬
det und die Zaͤhne feilt, daß es juͤnger ausſieht, haben unſre
Vorfahren dem damaligen Graf Gockel den Schrecken erſpa¬
ren wollen und haben ein r aus einem e und aus einem u
ein uͤ gemacht, denn der Spruch heißt eigentlich:
Alektryo bringt die Glucke ſelbſt um, o Undank!
was durch die Thatſache bewieſen iſt, denn der undankbare
Alektryo hat ja die Glucke ſammt den Kuͤchlein umgebracht;
wir aber muͤſſen dieſes verſtehen, denn wir ſind von undenk¬
lichen Zeiten aus dem Stamme der Petſchierſtecher. Von un¬
ſern Voraͤltern iſt das Siegel Juda, das Siegel Pharaos,
das Siegel Ahabs, das Siegel Ahasveri und das Siegel
des Darius geſtochen, womit er den Daniel in die Loͤwen¬
grube verſiegelte. Wir ſind Leute vom Fach, der Herr Graf
koͤnnen ſich auf die Guͤte unſrer Auslegung verlaſſen, und ſo
ſie ſich nicht von erſter Qualitaͤt bewaͤhrt, koͤnnen der Herr
Graf ſie uns wieder zuruͤckgeben.“
Gockel ganz von der Rede der Maͤnner und ſeinem Un¬
gluͤcke uͤberzeugt, bat ſie, ihm doch nun den Bock und die
Ziege fuͤr den Hahn zu geben, aber das wollten ſie nicht
mehr und ſprachen: „was ſoll uns der Hahn, er iſt ein
Ungluͤckshahn, er kann uns ein Leid anthun, wer wird einen
Ungluͤckshahn eſſen, und bleibt er am Leben, er koͤnnte ei¬
nem ein Ungluͤck ankraͤhen; aber laſſen ihn der Herr Graf
einmal ſehen, man kauft keine Katze im Sack, viel weniger
einen Hahn.“ Da zog Gockel den Hahn aus dem Sack, und
ſprach weinend: „o Alektryo, Alektryo! welch Leid haſt du
mir gethan.“ Alektryo ließ Kopf und Fluͤgel haͤngen und
war ſehr traurig; aber als ihm der eine Petſchierſtecher an
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/66>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.