den Kropf fühlen wollte, ward er ganz wüthend; alle seine Federn sträubten sich empor, er hackte und biß nach ihm und schrie und schlug, so heftig mit den Flügeln, daß der Mann zurückwich, und Gockel den Hahn kaum halten konnte.
"Schau eins," sagten die drei Petschierstecher, "man soll noch Geld geben für so ein wildes Ungeheuer, es will die Leute fressen; wer wird ihn kaufen?" Als aber Gockel ihn immer wohlfeiler bot, sagten sie ihm endlich: "wir ge¬ ben dem Herrn Grafen, wenn er uns den Hahn nach Hause tragen will, neun Ellen Zopfband dafür, daß er sich einen schönen langen Zopf binden kann, wie sichs einem Grafen gebührt," und Gockel willigte ein, um nur etwas für den Alektryo zu erhalten.
Frau Hinkel und Gackeleia hatten alles dieses still mit angehört und giengen mit schwerem Gewissen nach Hause, denn sie wußten wohl, daß die Dreie die Unwahrheit sag¬ ten. Gockel aber nahm den Alektryo unter den Arm und folgte traurig den drei Petschierstechern durch den Wald nach ihrem Wohnorte. Anfangs giengen sie dicht um ihn; weil der Hahn aber dann immer nach ihnen biß und schrie, ba¬ ten sie Gockel, einige Schritte mit dem grausamen Unge¬ heuer hinter ihnen her zu gehen. Gockel hörte öfter, wie die drei unheimlichen Männer zu einander sagten: "Kropf¬ auf, Siegelring, Kopf ab," und wie sie dann miteinander zankten und immer einer zum andern schrie: "nein ich Sie¬ gelring, nein du Kropf auf, nein du Hals ab," und als Gockel sie fragte, warum sie immer miteinander zankten, sagten sie: "ei, es will keiner von uns den Hahn schlach¬ en, weil er ein so grausames Thier ist; wenn der Herr Graf ihn gleich schlachten, so wollen wir Ihro Excellenz den Kamm, die Füße und Sporen und Schweif geben, die können Sie auf die Mütze setzen zum ewigen Andenken, -- ein schönes Monument, ein statuirtes Exempel für den Un¬
den Kropf fuͤhlen wollte, ward er ganz wuͤthend; alle ſeine Federn ſtraͤubten ſich empor, er hackte und biß nach ihm und ſchrie und ſchlug, ſo heftig mit den Fluͤgeln, daß der Mann zuruͤckwich, und Gockel den Hahn kaum halten konnte.
„Schau eins,“ ſagten die drei Petſchierſtecher, „man ſoll noch Geld geben fuͤr ſo ein wildes Ungeheuer, es will die Leute freſſen; wer wird ihn kaufen?“ Als aber Gockel ihn immer wohlfeiler bot, ſagten ſie ihm endlich: „wir ge¬ ben dem Herrn Grafen, wenn er uns den Hahn nach Hauſe tragen will, neun Ellen Zopfband dafuͤr, daß er ſich einen ſchoͤnen langen Zopf binden kann, wie ſichs einem Grafen gebuͤhrt,“ und Gockel willigte ein, um nur etwas fuͤr den Alektryo zu erhalten.
Frau Hinkel und Gackeleia hatten alles dieſes ſtill mit angehoͤrt und giengen mit ſchwerem Gewiſſen nach Hauſe, denn ſie wußten wohl, daß die Dreie die Unwahrheit ſag¬ ten. Gockel aber nahm den Alektryo unter den Arm und folgte traurig den drei Petſchierſtechern durch den Wald nach ihrem Wohnorte. Anfangs giengen ſie dicht um ihn; weil der Hahn aber dann immer nach ihnen biß und ſchrie, ba¬ ten ſie Gockel, einige Schritte mit dem grauſamen Unge¬ heuer hinter ihnen her zu gehen. Gockel hoͤrte oͤfter, wie die drei unheimlichen Maͤnner zu einander ſagten: „Kropf¬ auf, Siegelring, Kopf ab,“ und wie ſie dann miteinander zankten und immer einer zum andern ſchrie: „nein ich Sie¬ gelring, nein du Kropf auf, nein du Hals ab,“ und als Gockel ſie fragte, warum ſie immer miteinander zankten, ſagten ſie: „ei, es will keiner von uns den Hahn ſchlach¬ en, weil er ein ſo grauſames Thier iſt; wenn der Herr Graf ihn gleich ſchlachten, ſo wollen wir Ihro Excellenz den Kamm, die Fuͤße und Sporen und Schweif geben, die koͤnnen Sie auf die Muͤtze ſetzen zum ewigen Andenken, — ein ſchoͤnes Monument, ein ſtatuirtes Exempel fuͤr den Un¬
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den Kropf fuͤhlen wollte, ward er ganz wuͤthend; alle ſeine
Federn ſtraͤubten ſich empor, er hackte und biß nach ihm
und ſchrie und ſchlug, ſo heftig mit den Fluͤgeln, daß der
Mann zuruͤckwich, und Gockel den Hahn kaum halten konnte.
„Schau eins,“ ſagten die drei Petſchierſtecher, „man
ſoll noch Geld geben fuͤr ſo ein wildes Ungeheuer, es will
die Leute freſſen; wer wird ihn kaufen?“ Als aber Gockel
ihn immer wohlfeiler bot, ſagten ſie ihm endlich: „wir ge¬
ben dem Herrn Grafen, wenn er uns den Hahn nach Hauſe
tragen will, neun Ellen Zopfband dafuͤr, daß er ſich einen
ſchoͤnen langen Zopf binden kann, wie ſichs einem Grafen
gebuͤhrt,“ und Gockel willigte ein, um nur etwas fuͤr den
Alektryo zu erhalten.
Frau Hinkel und Gackeleia hatten alles dieſes ſtill mit
angehoͤrt und giengen mit ſchwerem Gewiſſen nach Hauſe,
denn ſie wußten wohl, daß die Dreie die Unwahrheit ſag¬
ten. Gockel aber nahm den Alektryo unter den Arm und
folgte traurig den drei Petſchierſtechern durch den Wald nach
ihrem Wohnorte. Anfangs giengen ſie dicht um ihn; weil
der Hahn aber dann immer nach ihnen biß und ſchrie, ba¬
ten ſie Gockel, einige Schritte mit dem grauſamen Unge¬
heuer hinter ihnen her zu gehen. Gockel hoͤrte oͤfter, wie
die drei unheimlichen Maͤnner zu einander ſagten: „Kropf¬
auf, Siegelring, Kopf ab,“ und wie ſie dann miteinander
zankten und immer einer zum andern ſchrie: „nein ich Sie¬
gelring, nein du Kropf auf, nein du Hals ab,“ und als
Gockel ſie fragte, warum ſie immer miteinander zankten,
ſagten ſie: „ei, es will keiner von uns den Hahn ſchlach¬
en, weil er ein ſo grauſames Thier iſt; wenn der Herr
Graf ihn gleich ſchlachten, ſo wollen wir Ihro Excellenz
den Kamm, die Fuͤße und Sporen und Schweif geben, die
koͤnnen Sie auf die Muͤtze ſetzen zum ewigen Andenken, —
ein ſchoͤnes Monument, ein ſtatuirtes Exempel fuͤr den Un¬
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/67>, abgerufen am 04.12.2024.
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