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Brentano, Clemens: Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl. Berlin, 1838.

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Es ist nicht möglich, kommen Sie zur Parade, da will
ich Sie vorstellen.

Mir brannte der Boden unter den Füßen. Jetzt,
rief ich aus, oder nie! es muß seyn, es betrifft das
Leben eines Menschen.

Es kann jetzt nicht seyn, erwiederte Grossinger scharf
absprechend, es betrifft meine Ehre, es ist mir untersagt,
heute Nacht irgend eine Meldung zu thun.

Das Wort Ehre machte mich verzweifeln; ich dachte
an Kaspers Ehre, an Annerls Ehre, und sagte: die
vermaledeite Ehre, gerade um die letzte Hülfe zu leisten,
welche so eine Ehre übrig gelassen, muß ich zum Herzoge,
Sie müssen mich melden oder ich schreie laut nach dem
Herzog.

So Sie sich rühren, sagte Grossinger heftig, lasse
ich Sie in die Wache werfen, Sie sind ein Phantast, Sie
kennen keine Verhältnisse.

O, ich kenne Verhältnisse, schreckliche Verhältnisse!
ich muß zum Herzoge, jede Minute ist unerkauflich! ver¬
setzte ich, wollen Sie mich nicht gleich melden, so eile ich
allein zu ihm.

Mit diesen Worten wollte ich nach der Treppe, die
zu den Gemächern des Herzogs hinaufführte, als ich den

Es iſt nicht möglich, kommen Sie zur Parade, da will
ich Sie vorſtellen.

Mir brannte der Boden unter den Füßen. Jetzt,
rief ich aus, oder nie! es muß ſeyn, es betrifft das
Leben eines Menſchen.

Es kann jetzt nicht ſeyn, erwiederte Groſſinger ſcharf
abſprechend, es betrifft meine Ehre, es iſt mir unterſagt,
heute Nacht irgend eine Meldung zu thun.

Das Wort Ehre machte mich verzweifeln; ich dachte
an Kaspers Ehre, an Annerls Ehre, und ſagte: die
vermaledeite Ehre, gerade um die letzte Hülfe zu leiſten,
welche ſo eine Ehre übrig gelaſſen, muß ich zum Herzoge,
Sie müſſen mich melden oder ich ſchreie laut nach dem
Herzog.

So Sie ſich rühren, ſagte Groſſinger heftig, laſſe
ich Sie in die Wache werfen, Sie ſind ein Phantaſt, Sie
kennen keine Verhältniſſe.

O, ich kenne Verhältniſſe, ſchreckliche Verhältniſſe!
ich muß zum Herzoge, jede Minute iſt unerkauflich! ver¬
ſetzte ich, wollen Sie mich nicht gleich melden, ſo eile ich
allein zu ihm.

Mit dieſen Worten wollte ich nach der Treppe, die
zu den Gemächern des Herzogs hinaufführte, als ich den

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[54/0064] Es iſt nicht möglich, kommen Sie zur Parade, da will ich Sie vorſtellen. Mir brannte der Boden unter den Füßen. Jetzt, rief ich aus, oder nie! es muß ſeyn, es betrifft das Leben eines Menſchen. Es kann jetzt nicht ſeyn, erwiederte Groſſinger ſcharf abſprechend, es betrifft meine Ehre, es iſt mir unterſagt, heute Nacht irgend eine Meldung zu thun. Das Wort Ehre machte mich verzweifeln; ich dachte an Kaspers Ehre, an Annerls Ehre, und ſagte: die vermaledeite Ehre, gerade um die letzte Hülfe zu leiſten, welche ſo eine Ehre übrig gelaſſen, muß ich zum Herzoge, Sie müſſen mich melden oder ich ſchreie laut nach dem Herzog. So Sie ſich rühren, ſagte Groſſinger heftig, laſſe ich Sie in die Wache werfen, Sie ſind ein Phantaſt, Sie kennen keine Verhältniſſe. O, ich kenne Verhältniſſe, ſchreckliche Verhältniſſe! ich muß zum Herzoge, jede Minute iſt unerkauflich! ver¬ ſetzte ich, wollen Sie mich nicht gleich melden, ſo eile ich allein zu ihm. Mit dieſen Worten wollte ich nach der Treppe, die zu den Gemächern des Herzogs hinaufführte, als ich den

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl. Berlin, 1838, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_kasperl_1838/64>, abgerufen am 21.11.2024.