Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.

Bild:
<< vorherige Seite

Wenn es, als wie in silbernen Gefässen,
Auch güld'ne Körner sehen kann,
Die wunderbar an kleinen weissen Stangen
Nicht stehn, nicht liegen, auch nicht hangen,
Die fest und los zugleich, bald stille stehn,
Bald sich bewegen, bald sich drehn.
Es fasst es keiner noch, was sie für Nutzen haben.
Jn ihrem Mittel-Punct steht, einer Säule gleich,
Ein runder Stiel, von Farbe grünlich bleich,
Auf einem kleinen Berg' erhaben,
Der oben dreyeckt ist, den eine Crone schmückt,
Worauf man Silber-grün und weiß gemischt erblickt.

Das allerfeinste Porcelein
Jst bey der Liljen weissem Blatt
Nicht fein, nicht weiß, nicht glatt,
Hat keine Wäss'rung, keinen Schein.
So gar der Perlen sanfter Glanz,
Der unsern Augen so gefällt,
Verlieret seinen Schimmer ganz,
Wenn man sie bey einander hält.
Wie angenem, wie lieblich und wie süß
Gleich der Geruch, der aus der Lilje qvillet,
Wird doch, wenn er das Haupt zu sehr erfüllet;
Das Haupt mit Schwermut, mit Verdrieß,
Ja gar mit Schmerz erfüllt. Ein Lehr-Bild ist mir dieß,
Daß auch bey zugelass'nen Freuden
Man stets die Uebermasse meiden,
Und das zu viele fliehen muß.
Noch mehr, es giebt uns von der Ehre
Auch eine schöne Lehre.
So wie der Dunst, der aus den Liljen steiget,
Uns anfangs sehr ergetzt;
Jedoch zuletzt
Schlaf, Schwermut, Schmerz und Schwindel zeuget:

So

Wenn es, als wie in ſilbernen Gefaͤſſen,
Auch guͤld’ne Koͤrner ſehen kann,
Die wunderbar an kleinen weiſſen Stangen
Nicht ſtehn, nicht liegen, auch nicht hangen,
Die feſt und los zugleich, bald ſtille ſtehn,
Bald ſich bewegen, bald ſich drehn.
Es faſſt es keiner noch, was ſie fuͤr Nutzen haben.
Jn ihrem Mittel-Punct ſteht, einer Saͤule gleich,
Ein runder Stiel, von Farbe gruͤnlich bleich,
Auf einem kleinen Berg’ erhaben,
Der oben dreyeckt iſt, den eine Crone ſchmuͤckt,
Worauf man Silber-gruͤn und weiß gemiſcht erblickt.

Das allerfeinſte Porcelein
Jſt bey der Liljen weiſſem Blatt
Nicht fein, nicht weiß, nicht glatt,
Hat keine Waͤſſ’rung, keinen Schein.
So gar der Perlen ſanfter Glanz,
Der unſern Augen ſo gefaͤllt,
Verlieret ſeinen Schimmer ganz,
Wenn man ſie bey einander haͤlt.
Wie angenem, wie lieblich und wie ſuͤß
Gleich der Geruch, der aus der Lilje qvillet,
Wird doch, wenn er das Haupt zu ſehr erfuͤllet;
Das Haupt mit Schwermut, mit Verdrieß,
Ja gar mit Schmerz erfuͤllt. Ein Lehr-Bild iſt mir dieß,
Daß auch bey zugelaſſ’nen Freuden
Man ſtets die Uebermaſſe meiden,
Und das zu viele fliehen muß.
Noch mehr, es giebt uns von der Ehre
Auch eine ſchoͤne Lehre.
So wie der Dunſt, der aus den Liljen ſteiget,
Uns anfangs ſehr ergetzt;
Jedoch zuletzt
Schlaf, Schwermut, Schmerz und Schwindel zeuget:

So
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg n="10">
            <l><pb facs="#f0127" n="91"/>
Wenn es, als wie in &#x017F;ilbernen Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Auch gu&#x0364;ld&#x2019;ne Ko&#x0364;rner &#x017F;ehen kann,</l><lb/>
            <l>Die wunderbar an kleinen wei&#x017F;&#x017F;en Stangen</l><lb/>
            <l>Nicht &#x017F;tehn, nicht liegen, auch nicht hangen,</l><lb/>
            <l>Die fe&#x017F;t und los zugleich, bald &#x017F;tille &#x017F;tehn,</l><lb/>
            <l>Bald &#x017F;ich bewegen, bald &#x017F;ich drehn.</l><lb/>
            <l>Es fa&#x017F;&#x017F;t es keiner noch, was &#x017F;ie fu&#x0364;r Nutzen haben.</l><lb/>
            <l>Jn ihrem Mittel-Punct &#x017F;teht, einer Sa&#x0364;ule gleich,</l><lb/>
            <l>Ein runder Stiel, von Farbe gru&#x0364;nlich bleich,</l><lb/>
            <l>Auf einem kleinen Berg&#x2019; erhaben,</l><lb/>
            <l>Der oben dreyeckt i&#x017F;t, den eine Crone &#x017F;chmu&#x0364;ckt,</l><lb/>
            <l>Worauf man Silber-gru&#x0364;n und weiß gemi&#x017F;cht erblickt.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="11">
            <l>Das allerfein&#x017F;te Porcelein</l><lb/>
            <l>J&#x017F;t bey der Liljen wei&#x017F;&#x017F;em Blatt</l><lb/>
            <l>Nicht fein, nicht weiß, nicht glatt,</l><lb/>
            <l>Hat keine Wa&#x0364;&#x017F;&#x017F;&#x2019;rung, keinen Schein.</l><lb/>
            <l>So gar der Perlen &#x017F;anfter Glanz,</l><lb/>
            <l>Der un&#x017F;ern Augen &#x017F;o gefa&#x0364;llt,</l><lb/>
            <l>Verlieret &#x017F;einen Schimmer ganz,</l><lb/>
            <l>Wenn man &#x017F;ie bey einander ha&#x0364;lt.</l><lb/>
            <l>Wie angenem, wie lieblich und wie &#x017F;u&#x0364;ß</l><lb/>
            <l>Gleich der Geruch, der aus der Lilje qvillet,</l><lb/>
            <l>Wird doch, wenn er das Haupt zu &#x017F;ehr erfu&#x0364;llet;</l><lb/>
            <l>Das Haupt mit Schwermut, mit Verdrieß,</l><lb/>
            <l>Ja gar mit Schmerz erfu&#x0364;llt. Ein Lehr-Bild i&#x017F;t mir dieß,</l><lb/>
            <l>Daß auch bey zugela&#x017F;&#x017F;&#x2019;nen Freuden</l><lb/>
            <l>Man &#x017F;tets die Ueberma&#x017F;&#x017F;e meiden,</l><lb/>
            <l>Und das zu viele fliehen muß.</l><lb/>
            <l>Noch mehr, es giebt uns von der Ehre</l><lb/>
            <l>Auch eine &#x017F;cho&#x0364;ne Lehre.</l><lb/>
            <l>So wie der Dun&#x017F;t, der aus den Liljen &#x017F;teiget,</l><lb/>
            <l>Uns anfangs &#x017F;ehr ergetzt;</l><lb/>
            <l>Jedoch zuletzt</l><lb/>
            <l>Schlaf, Schwermut, Schmerz und Schwindel zeuget:</l><lb/>
            <l>
              <fw place="bottom" type="catch">So</fw><lb/>
            </l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[91/0127] Wenn es, als wie in ſilbernen Gefaͤſſen, Auch guͤld’ne Koͤrner ſehen kann, Die wunderbar an kleinen weiſſen Stangen Nicht ſtehn, nicht liegen, auch nicht hangen, Die feſt und los zugleich, bald ſtille ſtehn, Bald ſich bewegen, bald ſich drehn. Es faſſt es keiner noch, was ſie fuͤr Nutzen haben. Jn ihrem Mittel-Punct ſteht, einer Saͤule gleich, Ein runder Stiel, von Farbe gruͤnlich bleich, Auf einem kleinen Berg’ erhaben, Der oben dreyeckt iſt, den eine Crone ſchmuͤckt, Worauf man Silber-gruͤn und weiß gemiſcht erblickt. Das allerfeinſte Porcelein Jſt bey der Liljen weiſſem Blatt Nicht fein, nicht weiß, nicht glatt, Hat keine Waͤſſ’rung, keinen Schein. So gar der Perlen ſanfter Glanz, Der unſern Augen ſo gefaͤllt, Verlieret ſeinen Schimmer ganz, Wenn man ſie bey einander haͤlt. Wie angenem, wie lieblich und wie ſuͤß Gleich der Geruch, der aus der Lilje qvillet, Wird doch, wenn er das Haupt zu ſehr erfuͤllet; Das Haupt mit Schwermut, mit Verdrieß, Ja gar mit Schmerz erfuͤllt. Ein Lehr-Bild iſt mir dieß, Daß auch bey zugelaſſ’nen Freuden Man ſtets die Uebermaſſe meiden, Und das zu viele fliehen muß. Noch mehr, es giebt uns von der Ehre Auch eine ſchoͤne Lehre. So wie der Dunſt, der aus den Liljen ſteiget, Uns anfangs ſehr ergetzt; Jedoch zuletzt Schlaf, Schwermut, Schmerz und Schwindel zeuget: So

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/127
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/127>, abgerufen am 21.11.2024.