So giebt der süsse Dunst, wenn uns die Leute loben, Uns fast dieselben Proben. Es nimmt dadurch der Schlaf der Sicherheit Die aufgeblas'nen Sinnen ein; Man hält sich gar zu groß, und and're gar zu klein, Zu niedrig sie, sich selbst zu sehr erhoben. Der Schwindel folgt darauf, wodurch Fall, Schimpf und Pein Gar oft zugleich gebohren seyn. Ach GOtt! wenn man mich etwan ehret, So sey mein froher Geist allein zu Dir gekehret; Es denke stets mein Dir ergeb'ner Sinn: Durch deine Gnad' allein bin ich das, was ich bin!
Jn dieser Bluhme wird noch gegen böse Wunden Ein heilsam Mittel ausgefunden; Da, wenn man nur in Oel die reinen Blätter leget, Sie allgemälig Schmerz und Pein Zu lindern und zu heilen pfleget. Ach mögt'st du mir ein Bild, geliebte Lilje, seyn, Daß, wenn mein Nächster, der ein Christ, Durch Uebereilung fel't, und als verwundet ist; Jch ihn nicht hasse, nicht verfluche, Nein, sondern durch Geduld ihn suche Zu heilen, zu verbinden, Daß seine Sele mög' in meiner Sele Der linden Sanftmut Liljen-Oele, Zu sein- und meinem Nutz, zu GOttes Ruhme, finden!
Der
So giebt der ſuͤſſe Dunſt, wenn uns die Leute loben, Uns faſt dieſelben Proben. Es nimmt dadurch der Schlaf der Sicherheit Die aufgeblaſ’nen Sinnen ein; Man haͤlt ſich gar zu groß, und and’re gar zu klein, Zu niedrig ſie, ſich ſelbſt zu ſehr erhoben. Der Schwindel folgt darauf, wodurch Fall, Schimpf und Pein Gar oft zugleich gebohren ſeyn. Ach GOtt! wenn man mich etwan ehret, So ſey mein froher Geiſt allein zu Dir gekehret; Es denke ſtets mein Dir ergeb’ner Sinn: Durch deine Gnad’ allein bin ich das, was ich bin!
Jn dieſer Bluhme wird noch gegen boͤſe Wunden Ein heilſam Mittel ausgefunden; Da, wenn man nur in Oel die reinen Blaͤtter leget, Sie allgemaͤlig Schmerz und Pein Zu lindern und zu heilen pfleget. Ach moͤgt’ſt du mir ein Bild, geliebte Lilje, ſeyn, Daß, wenn mein Naͤchſter, der ein Chriſt, Durch Uebereilung fel’t, und als verwundet iſt; Jch ihn nicht haſſe, nicht verfluche, Nein, ſondern durch Geduld ihn ſuche Zu heilen, zu verbinden, Daß ſeine Sele moͤg’ in meiner Sele Der linden Sanftmut Liljen-Oele, Zu ſein- und meinem Nutz, zu GOttes Ruhme, finden!
Der
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So giebt der ſuͤſſe Dunſt, wenn uns die Leute loben,</l><lb/><l>Uns faſt dieſelben Proben.</l><lb/><l>Es nimmt dadurch der Schlaf der Sicherheit</l><lb/><l>Die aufgeblaſ’nen Sinnen ein;</l><lb/><l>Man haͤlt ſich gar zu groß, und and’re gar zu klein,</l><lb/><l>Zu niedrig ſie, ſich ſelbſt zu ſehr erhoben.</l><lb/><l>Der Schwindel folgt darauf, wodurch Fall, Schimpf und Pein</l><lb/><l>Gar oft zugleich gebohren ſeyn.</l><lb/><l>Ach GOtt! wenn man mich etwan ehret,</l><lb/><l>So ſey mein froher Geiſt allein zu Dir gekehret;</l><lb/><l>Es denke ſtets mein Dir ergeb’ner Sinn:</l><lb/><l>Durch deine Gnad’ allein bin ich das, was ich bin!</l></lg><lb/><lgn="12"><l>Jn dieſer Bluhme wird noch gegen boͤſe Wunden</l><lb/><l>Ein heilſam Mittel ausgefunden;</l><lb/><l>Da, wenn man nur in Oel die reinen Blaͤtter leget,</l><lb/><l>Sie allgemaͤlig Schmerz und Pein</l><lb/><l>Zu lindern und zu heilen pfleget.</l><lb/><l>Ach moͤgt’ſt du mir ein Bild, geliebte Lilje, ſeyn,</l><lb/><l>Daß, wenn mein Naͤchſter, der ein Chriſt,</l><lb/><l>Durch Uebereilung fel’t, und als verwundet iſt;</l><lb/><l>Jch ihn nicht haſſe, nicht verfluche,</l><lb/><l>Nein, ſondern durch Geduld ihn ſuche</l><lb/><l>Zu heilen, zu verbinden,</l><lb/><l>Daß ſeine Sele moͤg’ in meiner Sele</l><lb/><l>Der linden Sanftmut Liljen-Oele,</l><lb/><l>Zu ſein- und meinem Nutz, zu GOttes Ruhme, finden!</l></lg></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#b">Der</hi></fw><lb/></div></body></text></TEI>
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So giebt der ſuͤſſe Dunſt, wenn uns die Leute loben,
Uns faſt dieſelben Proben.
Es nimmt dadurch der Schlaf der Sicherheit
Die aufgeblaſ’nen Sinnen ein;
Man haͤlt ſich gar zu groß, und and’re gar zu klein,
Zu niedrig ſie, ſich ſelbſt zu ſehr erhoben.
Der Schwindel folgt darauf, wodurch Fall, Schimpf und Pein
Gar oft zugleich gebohren ſeyn.
Ach GOtt! wenn man mich etwan ehret,
So ſey mein froher Geiſt allein zu Dir gekehret;
Es denke ſtets mein Dir ergeb’ner Sinn:
Durch deine Gnad’ allein bin ich das, was ich bin!
Jn dieſer Bluhme wird noch gegen boͤſe Wunden
Ein heilſam Mittel ausgefunden;
Da, wenn man nur in Oel die reinen Blaͤtter leget,
Sie allgemaͤlig Schmerz und Pein
Zu lindern und zu heilen pfleget.
Ach moͤgt’ſt du mir ein Bild, geliebte Lilje, ſeyn,
Daß, wenn mein Naͤchſter, der ein Chriſt,
Durch Uebereilung fel’t, und als verwundet iſt;
Jch ihn nicht haſſe, nicht verfluche,
Nein, ſondern durch Geduld ihn ſuche
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Daß ſeine Sele moͤg’ in meiner Sele
Der linden Sanftmut Liljen-Oele,
Zu ſein- und meinem Nutz, zu GOttes Ruhme, finden!
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/128>, abgerufen am 21.11.2024.
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