Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.Uns überhaupt ein Lehr-Bild geben; So zeigen hier die feuchten Fluten So gar die flüchtigen Minuten Von uns'rer schnellen Lebens-Zeit. Allein, was soll ich viel, bey dieser Flut, Von einem feuchten Seiger sagen; Da wir ja selbst in unserm Blut Dergleichen feuchten Seiger tragen, Da jeder Puls- und Ader-Schlag Mir meine Zeiten richtig teilet, Und folglich wol mit Recht, weil er beständig eilet, Mein Lebens-Seiger heissen mag. HErr! gib, so oft ich Wasser seh, Daß ich ja nicht vergessen möge, Daß ich, so lang' ich mich bewege, Aus reger Feuchtigkeit besteh'! HErr! gib, so oft die Stunden schlagen, Daß ich mag zu mir selber sagen: Von meinen kurzen Lebens-Stunden Sind sechzig Teil' aufs neu verschwunden. Hast du, mein Herz, darin auch einst gedacht An Deines Schöpfers Lieb' und Macht? Wenn man den strengen Stral, der in die Höhe eilet, Durch etwas hartes hemm't und teilet; Zerteilt er sich in Tropfen, die so klein, Daß sie kaum zu erkennen seyn. Jn dem fast unsichtbaren Duft Der angefeuchteten durchstral'ten Luft Wird, wenn die Sonn' ihn trifft, Ein neues Wunder-Werk gestift, Und oft ein kleiner Regen-Bogen Jn einem Augenblick gezogen. An dessen buntem Schein such't' ich mit tausend Freuden Nicht
Uns uͤberhaupt ein Lehr-Bild geben; So zeigen hier die feuchten Fluten So gar die fluͤchtigen Minuten Von unſ’rer ſchnellen Lebens-Zeit. Allein, was ſoll ich viel, bey dieſer Flut, Von einem feuchten Seiger ſagen; Da wir ja ſelbſt in unſerm Blut Dergleichen feuchten Seiger tragen, Da jeder Puls- und Ader-Schlag Mir meine Zeiten richtig teilet, Und folglich wol mit Recht, weil er beſtaͤndig eilet, Mein Lebens-Seiger heiſſen mag. HErr! gib, ſo oft ich Waſſer ſeh, Daß ich ja nicht vergeſſen moͤge, Daß ich, ſo lang’ ich mich bewege, Aus reger Feuchtigkeit beſteh’! HErr! gib, ſo oft die Stunden ſchlagen, Daß ich mag zu mir ſelber ſagen: Von meinen kurzen Lebens-Stunden Sind ſechzig Teil’ aufs neu verſchwunden. Haſt du, mein Herz, darin auch einſt gedacht An Deines Schoͤpfers Lieb’ und Macht? Wenn man den ſtrengen Stral, der in die Hoͤhe eilet, Durch etwas hartes hemm’t und teilet; Zerteilt er ſich in Tropfen, die ſo klein, Daß ſie kaum zu erkennen ſeyn. Jn dem faſt unſichtbaren Duft Der angefeuchteten durchſtral’ten Luft Wird, wenn die Sonn’ ihn trifft, Ein neues Wunder-Werk geſtift, Und oft ein kleiner Regen-Bogen Jn einem Augenblick gezogen. An deſſen buntem Schein ſuch’t’ ich mit tauſend Freuden Nicht
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Uns uͤberhaupt ein Lehr-Bild geben;
So zeigen hier die feuchten Fluten
So gar die fluͤchtigen Minuten
Von unſ’rer ſchnellen Lebens-Zeit.
Allein, was ſoll ich viel, bey dieſer Flut,
Von einem feuchten Seiger ſagen;
Da wir ja ſelbſt in unſerm Blut
Dergleichen feuchten Seiger tragen,
Da jeder Puls- und Ader-Schlag
Mir meine Zeiten richtig teilet,
Und folglich wol mit Recht, weil er beſtaͤndig eilet,
Mein Lebens-Seiger heiſſen mag.
HErr! gib, ſo oft ich Waſſer ſeh,
Daß ich ja nicht vergeſſen moͤge,
Daß ich, ſo lang’ ich mich bewege,
Aus reger Feuchtigkeit beſteh’!
HErr! gib, ſo oft die Stunden ſchlagen,
Daß ich mag zu mir ſelber ſagen:
Von meinen kurzen Lebens-Stunden
Sind ſechzig Teil’ aufs neu verſchwunden.
Haſt du, mein Herz, darin auch einſt gedacht
An Deines Schoͤpfers Lieb’ und Macht?
Wenn man den ſtrengen Stral, der in die Hoͤhe eilet,
Durch etwas hartes hemm’t und teilet;
Zerteilt er ſich in Tropfen, die ſo klein,
Daß ſie kaum zu erkennen ſeyn.
Jn dem faſt unſichtbaren Duft
Der angefeuchteten durchſtral’ten Luft
Wird, wenn die Sonn’ ihn trifft,
Ein neues Wunder-Werk geſtift,
Und oft ein kleiner Regen-Bogen
Jn einem Augenblick gezogen.
An deſſen buntem Schein ſuch’t’ ich mit tauſend Freuden
Nicht
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