Bemüht gewesen vorzustellen, Die laß, geliebter Leser, dir Nicht seltsam und nicht fremde seyn! Du kannst so gar davon ein Beyspiel würklich sehen.
Muß nicht der helle Sonnen-Schein Die Welt auf einmal übergehen, Auf einmal einen Kreis, Den menschlicher Verstand nicht zu ermessen weiß, Jn unbegrenzten Lüften füllen? Erwäge denn um GOttes Willen, Was bildest du dir wol von einer Gottheit ein? Muß Selbe nicht vielmehr auf unerforschte Weise Weit unermeßlicher allgegenwärtig seyn? Mich deucht, wie mancher hiezu spricht: Die Sonne scheinet doch den Gegen-Füssern nicht. Dann, wann sie bey uns ist; so ist zwar dieses wahr: Allein, den Unterschied der Sätze zu geschweigen; Kann man jedoch fast Sonnen-klar Davon ein Beyspiel zeigen. Man halte nur in einen Zimmer Viel kleine Kugeln nah aus Licht; So wird zum wenigsten ein Gegen-Schimmer Vom Licht, das sich an Wänden bricht, Die dunk'len Seiten gleichfalls treffen. Da nun viel hundert tausend Welten Jm unermeßlichen und unbegrenzten Schein Der Gottheit, die allgegenwärtig, schwimmen: Wie sollten sie denn nicht von Deren Glanze glimmen, Und nicht von Jhr bestralet seyn? Zudem heisst dein Exempel nichts, Daß Gegen-Füsser nicht mit uns zu einer Zeit Die Gegenwart des Sonnen-Lichts
Empfin-
L 4
Bemuͤht geweſen vorzuſtellen, Die laß, geliebter Leſer, dir Nicht ſeltſam und nicht fremde ſeyn! Du kannſt ſo gar davon ein Beyſpiel wuͤrklich ſehen.
Muß nicht der helle Sonnen-Schein Die Welt auf einmal uͤbergehen, Auf einmal einen Kreis, Den menſchlicher Verſtand nicht zu ermeſſen weiß, Jn unbegrenzten Luͤften fuͤllen? Erwaͤge denn um GOttes Willen, Was bildeſt du dir wol von einer Gottheit ein? Muß Selbe nicht vielmehr auf unerforſchte Weiſe Weit unermeßlicher allgegenwaͤrtig ſeyn? Mich deucht, wie mancher hiezu ſpricht: Die Sonne ſcheinet doch den Gegen-Fuͤſſern nicht. Dann, wann ſie bey uns iſt; ſo iſt zwar dieſes wahr: Allein, den Unterſchied der Saͤtze zu geſchweigen; Kann man jedoch faſt Sonnen-klar Davon ein Beyſpiel zeigen. Man halte nur in einen Zimmer Viel kleine Kugeln nah aus Licht; So wird zum wenigſten ein Gegen-Schimmer Vom Licht, das ſich an Waͤnden bricht, Die dunk’len Seiten gleichfalls treffen. Da nun viel hundert tauſend Welten Jm unermeßlichen und unbegrenzten Schein Der Gottheit, die allgegenwaͤrtig, ſchwimmen: Wie ſollten ſie denn nicht von Deren Glanze glimmen, Und nicht von Jhr beſtralet ſeyn? Zudem heiſſt dein Exempel nichts, Daß Gegen-Fuͤſſer nicht mit uns zu einer Zeit Die Gegenwart des Sonnen-Lichts
Empfin-
L 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><lgn="21"><l><pbfacs="#f0203"n="167"/>
Bemuͤht geweſen vorzuſtellen,</l><lb/><l>Die laß, geliebter Leſer, dir</l><lb/><l>Nicht ſeltſam und nicht fremde ſeyn!</l><lb/><l>Du kannſt ſo gar davon ein Beyſpiel wuͤrklich ſehen.</l></lg><lb/><lgn="22"><l>Muß nicht der helle Sonnen-Schein</l><lb/><l>Die Welt auf einmal uͤbergehen,</l><lb/><l>Auf einmal einen Kreis,</l><lb/><l>Den menſchlicher Verſtand nicht zu ermeſſen weiß,</l><lb/><l>Jn unbegrenzten Luͤften fuͤllen?</l><lb/><l>Erwaͤge denn um GOttes Willen,</l><lb/><l>Was bildeſt du dir wol von einer <hirendition="#fr">Gottheit</hi> ein?</l><lb/><l>Muß Selbe nicht vielmehr auf unerforſchte Weiſe</l><lb/><l>Weit unermeßlicher allgegenwaͤrtig ſeyn?</l><lb/><l>Mich deucht, wie mancher hiezu ſpricht:</l><lb/><l>Die Sonne ſcheinet doch den Gegen-Fuͤſſern nicht.</l><lb/><l>Dann, wann ſie bey uns iſt; ſo iſt zwar dieſes wahr:</l><lb/><l>Allein, den Unterſchied der Saͤtze zu geſchweigen;</l><lb/><l>Kann man jedoch faſt Sonnen-klar</l><lb/><l>Davon ein Beyſpiel zeigen.</l><lb/><l>Man halte nur in einen Zimmer</l><lb/><l>Viel kleine Kugeln nah aus Licht;</l><lb/><l>So wird zum wenigſten ein Gegen-Schimmer</l><lb/><l>Vom Licht, das ſich an Waͤnden bricht,</l><lb/><l>Die dunk’len Seiten gleichfalls treffen.</l><lb/><l>Da nun viel hundert tauſend Welten</l><lb/><l>Jm unermeßlichen und unbegrenzten Schein</l><lb/><l>Der Gottheit, die allgegenwaͤrtig, ſchwimmen:</l><lb/><l>Wie ſollten ſie denn nicht von Deren Glanze glimmen,</l><lb/><l>Und nicht von Jhr beſtralet ſeyn?</l><lb/><l>Zudem heiſſt dein Exempel nichts,</l><lb/><l>Daß Gegen-Fuͤſſer nicht mit uns zu einer Zeit</l><lb/><l>Die Gegenwart des Sonnen-Lichts</l><lb/><l><fwplace="bottom"type="sig">L 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">Empfin-</fw><lb/></l></lg></div></div></body></text></TEI>
[167/0203]
Bemuͤht geweſen vorzuſtellen,
Die laß, geliebter Leſer, dir
Nicht ſeltſam und nicht fremde ſeyn!
Du kannſt ſo gar davon ein Beyſpiel wuͤrklich ſehen.
Muß nicht der helle Sonnen-Schein
Die Welt auf einmal uͤbergehen,
Auf einmal einen Kreis,
Den menſchlicher Verſtand nicht zu ermeſſen weiß,
Jn unbegrenzten Luͤften fuͤllen?
Erwaͤge denn um GOttes Willen,
Was bildeſt du dir wol von einer Gottheit ein?
Muß Selbe nicht vielmehr auf unerforſchte Weiſe
Weit unermeßlicher allgegenwaͤrtig ſeyn?
Mich deucht, wie mancher hiezu ſpricht:
Die Sonne ſcheinet doch den Gegen-Fuͤſſern nicht.
Dann, wann ſie bey uns iſt; ſo iſt zwar dieſes wahr:
Allein, den Unterſchied der Saͤtze zu geſchweigen;
Kann man jedoch faſt Sonnen-klar
Davon ein Beyſpiel zeigen.
Man halte nur in einen Zimmer
Viel kleine Kugeln nah aus Licht;
So wird zum wenigſten ein Gegen-Schimmer
Vom Licht, das ſich an Waͤnden bricht,
Die dunk’len Seiten gleichfalls treffen.
Da nun viel hundert tauſend Welten
Jm unermeßlichen und unbegrenzten Schein
Der Gottheit, die allgegenwaͤrtig, ſchwimmen:
Wie ſollten ſie denn nicht von Deren Glanze glimmen,
Und nicht von Jhr beſtralet ſeyn?
Zudem heiſſt dein Exempel nichts,
Daß Gegen-Fuͤſſer nicht mit uns zu einer Zeit
Die Gegenwart des Sonnen-Lichts
Empfin-
L 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/203>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.