Jhres Cörpers Fleisch soll Leimen, Jhre Knochen, Fels und Stein, Und das Laub auf Sträuch- und Bäumen Jhre Zier und Hare seyn, Uns're Luft, die aus dem Boden Stetig duftet, sey ihr Oden, Jhr Geseufz sey Sturm und Wind, So man oft mit Furcht empfind't.
32.
Dies' und andere Gedanken Sind zwar Anfangs anzusehn, Als ob sie aus allen Schranken Der vernünft'gen Schlüsse gehn, Denn solch einer Last das Leben Geist und Sinne zuzugeben, Die todt scheint, wie Holz und Stein, Scheinet lächerlich zu seyn.
33.
Aber daß die Welt nicht gehet, Daß sie keine Schritte thut, Daß sie nicht auf Füssen stehet, Daß sie, wie es scheinet, ruht, Und ihr seltenes Bewegen Jst dem Satze nicht zugegen, Der so grosse Kreis der Welt Sey ein Thier, wie wir gemeld't.
34. Kann
31.
Jhres Coͤrpers Fleiſch ſoll Leimen, Jhre Knochen, Fels und Stein, Und das Laub auf Straͤuch- und Baͤumen Jhre Zier und Hare ſeyn, Unſ’re Luft, die aus dem Boden Stetig duftet, ſey ihr Oden, Jhr Geſeufz ſey Sturm und Wind, So man oft mit Furcht empfind’t.
32.
Dieſ’ und andere Gedanken Sind zwar Anfangs anzuſehn, Als ob ſie aus allen Schranken Der vernuͤnft’gen Schluͤſſe gehn, Denn ſolch einer Laſt das Leben Geiſt und Sinne zuzugeben, Die todt ſcheint, wie Holz und Stein, Scheinet laͤcherlich zu ſeyn.
33.
Aber daß die Welt nicht gehet, Daß ſie keine Schritte thut, Daß ſie nicht auf Fuͤſſen ſtehet, Daß ſie, wie es ſcheinet, ruht, Und ihr ſeltenes Bewegen Jſt dem Satze nicht zugegen, Der ſo groſſe Kreis der Welt Sey ein Thier, wie wir gemeld’t.
34. Kann
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31.
Jhres Coͤrpers Fleiſch ſoll Leimen,
Jhre Knochen, Fels und Stein,
Und das Laub auf Straͤuch- und Baͤumen
Jhre Zier und Hare ſeyn,
Unſ’re Luft, die aus dem Boden
Stetig duftet, ſey ihr Oden,
Jhr Geſeufz ſey Sturm und Wind,
So man oft mit Furcht empfind’t.
32.
Dieſ’ und andere Gedanken
Sind zwar Anfangs anzuſehn,
Als ob ſie aus allen Schranken
Der vernuͤnft’gen Schluͤſſe gehn,
Denn ſolch einer Laſt das Leben
Geiſt und Sinne zuzugeben,
Die todt ſcheint, wie Holz und Stein,
Scheinet laͤcherlich zu ſeyn.
33.
Aber daß die Welt nicht gehet,
Daß ſie keine Schritte thut,
Daß ſie nicht auf Fuͤſſen ſtehet,
Daß ſie, wie es ſcheinet, ruht,
Und ihr ſeltenes Bewegen
Jſt dem Satze nicht zugegen,
Der ſo groſſe Kreis der Welt
Sey ein Thier, wie wir gemeld’t.
34. Kann
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/239>, abgerufen am 21.11.2024.
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