Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.

Bild:
<< vorherige Seite
Selbst-Dienst kein Gottes-Dienst.
Was thust du, lieber Mensch, zu deines GOttes Ehren?
Worin besteht dein Gottes-Dienst?
Jch wund're mich, daß du dich so erkün'st,
Und lässest dieses Wort noch von dir hören,
Da du jedoch auf dich aus Eigen-Lieb' allein,
Und sonsten fast auf nichts, gedenkest,
Und all dein geistlich Thun auf nichts sonst lenkest,
Als daß du dort dereinst mög'st ewig selig seyn.
Es sag'te jüngst mit allem Recht'
Ein wol-verdienter GOttes-Knecht,
Ein Prediger, ein frommer Lehrer:
Jhr irret sehr, geliebte Hörer,
Falls ihr auf diesem Wahn besteht,
Daß, wenn ihr in die Kirche geht,
Jhr eurem Schöpfer dient. Jhr dien't euch selbst vielmehr.
An statt, o Mensch, wenn du vernünftig handeln
wolltest
Jn deinem Gottes-Dienst, du GOttes Ehr' allein
Zu deinem Endzweck haben solltest;
So kehrest du es um. Dort ewig wol zu seyn,
Jst einzig dein Bemüh'n, das zwar erlaubet wäre,
Wofern darüber nur des Allerhöchsten Ehre
Nicht ganz versäumet würd'. Ob GOtt geehret sey,
Ob Seine schönen Wunder-Werke,
Ob Seine Weisheit, Lieb' und Stärke
Betrachtet und gerühm't mit Dank bewundert seyn,
Jst deine klein'ste Sorg'. Allein
Erwäge, lieber Mensch: sollt' auch ein Bettler wol
Durch sein alltägliches Verlangen,
Von dir die Nahrung zu empfangen,
Dich wol dadurch mit Recht geehret nennen,

Und
P 4
Selbſt-Dienſt kein Gottes-Dienſt.
Was thuſt du, lieber Menſch, zu deines GOttes Ehren?
Worin beſteht dein Gottes-Dienſt?
Jch wund’re mich, daß du dich ſo erkuͤn’ſt,
Und laͤſſeſt dieſes Wort noch von dir hoͤren,
Da du jedoch auf dich aus Eigen-Lieb’ allein,
Und ſonſten faſt auf nichts, gedenkeſt,
Und all dein geiſtlich Thun auf nichts ſonſt lenkeſt,
Als daß du dort dereinſt moͤg’ſt ewig ſelig ſeyn.
Es ſag’te juͤngſt mit allem Recht’
Ein wol-verdienter GOttes-Knecht,
Ein Prediger, ein frommer Lehrer:
Jhr irret ſehr, geliebte Hoͤrer,
Falls ihr auf dieſem Wahn beſteht,
Daß, wenn ihr in die Kirche geht,
Jhr eurem Schoͤpfer dient. Jhr dien’t euch ſelbſt vielmehr.
An ſtatt, o Menſch, wenn du vernuͤnftig handeln
wollteſt
Jn deinem Gottes-Dienſt, du GOttes Ehr’ allein
Zu deinem Endzweck haben ſollteſt;
So kehreſt du es um. Dort ewig wol zu ſeyn,
Jſt einzig dein Bemuͤh’n, das zwar erlaubet waͤre,
Wofern daruͤber nur des Allerhoͤchſten Ehre
Nicht ganz verſaͤumet wuͤrd’. Ob GOtt geehret ſey,
Ob Seine ſchoͤnen Wunder-Werke,
Ob Seine Weiſheit, Lieb’ und Staͤrke
Betrachtet und geruͤhm’t mit Dank bewundert ſeyn,
Jſt deine klein’ſte Sorg’. Allein
Erwaͤge, lieber Menſch: ſollt’ auch ein Bettler wol
Durch ſein alltaͤgliches Verlangen,
Von dir die Nahrung zu empfangen,
Dich wol dadurch mit Recht geehret nennen,

Und
P 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0267" n="231"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Selb&#x017F;t-Dien&#x017F;t kein Gottes-Dien&#x017F;t.</hi> </head><lb/>
          <lg n="11">
            <l><hi rendition="#in">W</hi>as thu&#x017F;t du, lieber Men&#x017F;ch, zu deines GOttes Ehren?</l><lb/>
            <l>Worin be&#x017F;teht dein Gottes-Dien&#x017F;t?</l><lb/>
            <l>Jch wund&#x2019;re mich, daß du dich &#x017F;o erku&#x0364;n&#x2019;&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Und la&#x0364;&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t die&#x017F;es Wort noch von dir ho&#x0364;ren,</l><lb/>
            <l>Da du jedoch auf dich aus Eigen-Lieb&#x2019; allein,</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;on&#x017F;ten fa&#x017F;t auf nichts, gedenke&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Und all dein gei&#x017F;tlich Thun auf nichts &#x017F;on&#x017F;t lenke&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Als daß du dort derein&#x017F;t mo&#x0364;g&#x2019;&#x017F;t ewig &#x017F;elig &#x017F;eyn.</l><lb/>
            <l>Es &#x017F;ag&#x2019;te ju&#x0364;ng&#x017F;t mit allem Recht&#x2019;</l><lb/>
            <l>Ein wol-verdienter GOttes-Knecht,</l><lb/>
            <l>Ein Prediger, ein frommer Lehrer:</l><lb/>
            <l>Jhr irret &#x017F;ehr, geliebte Ho&#x0364;rer,</l><lb/>
            <l>Falls ihr auf die&#x017F;em Wahn be&#x017F;teht,</l><lb/>
            <l>Daß, wenn ihr in die Kirche geht,</l><lb/>
            <l>Jhr eurem Scho&#x0364;pfer dient. Jhr dien&#x2019;t euch &#x017F;elb&#x017F;t vielmehr.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="12">
            <l>An &#x017F;tatt, o Men&#x017F;ch, wenn du vernu&#x0364;nftig handeln</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">wollte&#x017F;t</hi> </l><lb/>
            <l>Jn deinem Gottes-Dien&#x017F;t, du GOttes Ehr&#x2019; allein</l><lb/>
            <l>Zu deinem Endzweck haben &#x017F;ollte&#x017F;t;</l><lb/>
            <l>So kehre&#x017F;t du es um. Dort ewig wol zu &#x017F;eyn,</l><lb/>
            <l>J&#x017F;t einzig dein Bemu&#x0364;h&#x2019;n, das zwar erlaubet wa&#x0364;re,</l><lb/>
            <l>Wofern daru&#x0364;ber nur des Allerho&#x0364;ch&#x017F;ten Ehre</l><lb/>
            <l>Nicht ganz ver&#x017F;a&#x0364;umet wu&#x0364;rd&#x2019;. Ob GOtt geehret &#x017F;ey,</l><lb/>
            <l>Ob Seine &#x017F;cho&#x0364;nen Wunder-Werke,</l><lb/>
            <l>Ob Seine Wei&#x017F;heit, Lieb&#x2019; und Sta&#x0364;rke</l><lb/>
            <l>Betrachtet und geru&#x0364;hm&#x2019;t mit Dank bewundert &#x017F;eyn,</l><lb/>
            <l>J&#x017F;t deine klein&#x2019;&#x017F;te Sorg&#x2019;. Allein</l><lb/>
            <l>Erwa&#x0364;ge, lieber Men&#x017F;ch: &#x017F;ollt&#x2019; auch ein Bettler wol</l><lb/>
            <l>Durch &#x017F;ein allta&#x0364;gliches Verlangen,</l><lb/>
            <l>Von dir die Nahrung zu empfangen,</l><lb/>
            <l>Dich wol dadurch mit Recht geehret nennen,</l><lb/>
            <l>
              <fw place="bottom" type="sig">P 4</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/>
            </l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[231/0267] Selbſt-Dienſt kein Gottes-Dienſt. Was thuſt du, lieber Menſch, zu deines GOttes Ehren? Worin beſteht dein Gottes-Dienſt? Jch wund’re mich, daß du dich ſo erkuͤn’ſt, Und laͤſſeſt dieſes Wort noch von dir hoͤren, Da du jedoch auf dich aus Eigen-Lieb’ allein, Und ſonſten faſt auf nichts, gedenkeſt, Und all dein geiſtlich Thun auf nichts ſonſt lenkeſt, Als daß du dort dereinſt moͤg’ſt ewig ſelig ſeyn. Es ſag’te juͤngſt mit allem Recht’ Ein wol-verdienter GOttes-Knecht, Ein Prediger, ein frommer Lehrer: Jhr irret ſehr, geliebte Hoͤrer, Falls ihr auf dieſem Wahn beſteht, Daß, wenn ihr in die Kirche geht, Jhr eurem Schoͤpfer dient. Jhr dien’t euch ſelbſt vielmehr. An ſtatt, o Menſch, wenn du vernuͤnftig handeln wollteſt Jn deinem Gottes-Dienſt, du GOttes Ehr’ allein Zu deinem Endzweck haben ſollteſt; So kehreſt du es um. Dort ewig wol zu ſeyn, Jſt einzig dein Bemuͤh’n, das zwar erlaubet waͤre, Wofern daruͤber nur des Allerhoͤchſten Ehre Nicht ganz verſaͤumet wuͤrd’. Ob GOtt geehret ſey, Ob Seine ſchoͤnen Wunder-Werke, Ob Seine Weiſheit, Lieb’ und Staͤrke Betrachtet und geruͤhm’t mit Dank bewundert ſeyn, Jſt deine klein’ſte Sorg’. Allein Erwaͤge, lieber Menſch: ſollt’ auch ein Bettler wol Durch ſein alltaͤgliches Verlangen, Von dir die Nahrung zu empfangen, Dich wol dadurch mit Recht geehret nennen, Und P 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/267
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/267>, abgerufen am 22.11.2024.