Und es als einen Dienst, der dir geschehn, Da er sich selbst nur dien't, wol rechnen können? Du schüttelst hier den Kopf, und mich bedünkt, ich sehe Den Einwurf schon voraus: Wie? soll man denn nicht beten, Und soll man GOttes Haus Forthin nicht mehr betreten? Das ist die Meinung nicht. Jch tad'le dieß allein, Daß gegen GOttes Huld wir so undankbar seyn, Und daß, da unser Wunsch in anders nichts bestehet, Als daß wir reich allhier auf Erden, Und dort im Himmel selig werden, Wir doch, als wenn wir GOtt, dem grossen Schöpfer, dienen, Uns einzubilden uns erkünen; Daß wir des wahren Dienst's, des Dankens, ganz vergessen, Und in der Creaturen Pracht Des Schöpfers Weisheit, Lieb' und Macht, Ob sie gleich allenthalben prangt, Nicht würdigen zu sehn, noch sie mit Lust ermessen, An allem, was man hat, sich nimmer recht vergnüget, Nur, was uns fel't, verlangt.
Wir leben so, daß, wenn nicht Eigen-Liebe, Um etwa künftig ohne Pein, Auch selig und hier reich zu seyn, Auf eine Gottheit uns zu denken triebe; Man ganz gewiß auf keine Gottheit denken Noch sie verehren würd'. Jst der Beweis nicht klar, Da wir kaum einen Blick auf Seine Werke lenken? Da GOtt zum Ueberfluß so gar, Wenn man es recht betrachtet, Den Dienst mit uns'rer Lust recht wunderbar verbunden; So scheint es doch, dem allen ungeachtet, Als ob wir lieber, Eh wir auf solche Ahrt den Schöpfer ehren sollten,
Uns
Und es als einen Dienſt, der dir geſchehn, Da er ſich ſelbſt nur dien’t, wol rechnen koͤnnen? Du ſchuͤttelſt hier den Kopf, und mich beduͤnkt, ich ſehe Den Einwurf ſchon voraus: Wie? ſoll man denn nicht beten, Und ſoll man GOttes Haus Forthin nicht mehr betreten? Das iſt die Meinung nicht. Jch tad’le dieß allein, Daß gegen GOttes Huld wir ſo undankbar ſeyn, Und daß, da unſer Wunſch in anders nichts beſtehet, Als daß wir reich allhier auf Erden, Und dort im Himmel ſelig werden, Wir doch, als wenn wir GOtt, dem groſſen Schoͤpfer, dienen, Uns einzubilden uns erkuͤnen; Daß wir des wahren Dienſt’s, des Dankens, ganz vergeſſen, Und in der Creaturen Pracht Des Schoͤpfers Weiſheit, Lieb’ und Macht, Ob ſie gleich allenthalben prangt, Nicht wuͤrdigen zu ſehn, noch ſie mit Luſt ermeſſen, An allem, was man hat, ſich nimmer recht vergnuͤget, Nur, was uns fel’t, verlangt.
Wir leben ſo, daß, wenn nicht Eigen-Liebe, Um etwa kuͤnftig ohne Pein, Auch ſelig und hier reich zu ſeyn, Auf eine Gottheit uns zu denken triebe; Man ganz gewiß auf keine Gottheit denken Noch ſie verehren wuͤrd’. Jſt der Beweis nicht klar, Da wir kaum einen Blick auf Seine Werke lenken? Da GOtt zum Ueberfluß ſo gar, Wenn man es recht betrachtet, Den Dienſt mit unſ’rer Luſt recht wunderbar verbunden; So ſcheint es doch, dem allen ungeachtet, Als ob wir lieber, Eh wir auf ſolche Ahrt den Schoͤpfer ehren ſollten,
Uns
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Und es als einen Dienſt, der dir geſchehn,
Da er ſich ſelbſt nur dien’t, wol rechnen koͤnnen?
Du ſchuͤttelſt hier den Kopf, und mich beduͤnkt, ich ſehe
Den Einwurf ſchon voraus:
Wie? ſoll man denn nicht beten,
Und ſoll man GOttes Haus
Forthin nicht mehr betreten?
Das iſt die Meinung nicht. Jch tad’le dieß allein,
Daß gegen GOttes Huld wir ſo undankbar ſeyn,
Und daß, da unſer Wunſch in anders nichts beſtehet,
Als daß wir reich allhier auf Erden,
Und dort im Himmel ſelig werden,
Wir doch, als wenn wir GOtt, dem groſſen Schoͤpfer, dienen,
Uns einzubilden uns erkuͤnen;
Daß wir des wahren Dienſt’s, des Dankens, ganz vergeſſen,
Und in der Creaturen Pracht
Des Schoͤpfers Weiſheit, Lieb’ und Macht,
Ob ſie gleich allenthalben prangt,
Nicht wuͤrdigen zu ſehn, noch ſie mit Luſt ermeſſen,
An allem, was man hat, ſich nimmer recht vergnuͤget,
Nur, was uns fel’t, verlangt.
Wir leben ſo, daß, wenn nicht Eigen-Liebe,
Um etwa kuͤnftig ohne Pein,
Auch ſelig und hier reich zu ſeyn,
Auf eine Gottheit uns zu denken triebe;
Man ganz gewiß auf keine Gottheit denken
Noch ſie verehren wuͤrd’. Jſt der Beweis nicht klar,
Da wir kaum einen Blick auf Seine Werke lenken?
Da GOtt zum Ueberfluß ſo gar,
Wenn man es recht betrachtet,
Den Dienſt mit unſ’rer Luſt recht wunderbar verbunden;
So ſcheint es doch, dem allen ungeachtet,
Als ob wir lieber,
Eh wir auf ſolche Ahrt den Schoͤpfer ehren ſollten,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/268>, abgerufen am 22.11.2024.
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