Jch gieng im Garten hin und her, Und sah von ungefehr, Wie durch der Erlen dichte Wand Von einem Kürbs die Ranken durchgedrungen, Sich artig hin und her geschlungen, Und in dem Steig' auf den betret'nen Sand Sich ausgestreckt und ausgebreitet hatten. Dieweil ich nun der Ranke Stand, So wie sie lag, nicht sicher fand, Jndem sie in Gefahr An einem solchen Orte war Vertreten und zerknickt zu werden; Hub ich sie von der Erden, Um, daß sie möchte sicher liegen, Sie wiederum dahin zu biegen, Woher sie kommen war; allein Kaum mogte sie von mir gefasset seyn; So brach sie, wie ein Glas. Ey daß dich! fing ich an, Jst das nicht Schad'? Ey hätt' ich es gelassen! Doch dacht' ich, wie ich mich besann, Da der Verlust nicht groß, kann ich mich leichtlich fassen, Und darf ja nicht verdrießlich seyn. Mir fiel jedoch dabey dieß Sprichwort ein, Das mich zum öftern schon gerühret: Der Weg, den mancher nimmt, um etwas zu vermindern,
Jst
Der Kuͤrbis.
Jch gieng im Garten hin und her, Und ſah von ungefehr, Wie durch der Erlen dichte Wand Von einem Kuͤrbs die Ranken durchgedrungen, Sich artig hin und her geſchlungen, Und in dem Steig’ auf den betret’nen Sand Sich ausgeſtreckt und ausgebreitet hatten. Dieweil ich nun der Ranke Stand, So wie ſie lag, nicht ſicher fand, Jndem ſie in Gefahr An einem ſolchen Orte war Vertreten und zerknickt zu werden; Hub ich ſie von der Erden, Um, daß ſie moͤchte ſicher liegen, Sie wiederum dahin zu biegen, Woher ſie kommen war; allein Kaum mogte ſie von mir gefaſſet ſeyn; So brach ſie, wie ein Glas. Ey daß dich! fing ich an, Jſt das nicht Schad’? Ey haͤtt’ ich es gelaſſen! Doch dacht’ ich, wie ich mich beſann, Da der Verluſt nicht groß, kann ich mich leichtlich faſſen, Und darf ja nicht verdrießlich ſeyn. Mir fiel jedoch dabey dieß Sprichwort ein, Das mich zum oͤftern ſchon geruͤhret: Der Weg, den mancher nimmt, um etwas zu vermindern,
Jſt
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0304"n="268"/><divn="2"><head><hirendition="#b">Der Kuͤrbis.</hi></head><lb/><lgn="106"><l><hirendition="#in">J</hi>ch gieng im Garten hin und her,</l><lb/><l>Und ſah von ungefehr,</l><lb/><l>Wie durch der Erlen dichte Wand</l><lb/><l>Von einem Kuͤrbs die Ranken durchgedrungen,</l><lb/><l>Sich artig hin und her geſchlungen,</l><lb/><l>Und in dem Steig’ auf den betret’nen Sand</l><lb/><l>Sich ausgeſtreckt und ausgebreitet hatten.</l><lb/><l>Dieweil ich nun der Ranke Stand,</l><lb/><l>So wie ſie lag, nicht ſicher fand,</l><lb/><l>Jndem ſie in Gefahr</l><lb/><l>An einem ſolchen Orte war</l><lb/><l>Vertreten und zerknickt zu werden;</l><lb/><l>Hub ich ſie von der Erden,</l><lb/><l>Um, daß ſie moͤchte ſicher liegen,</l><lb/><l>Sie wiederum dahin zu biegen,</l><lb/><l>Woher ſie kommen war; allein</l><lb/><l>Kaum mogte ſie von mir gefaſſet ſeyn;</l><lb/><l>So brach ſie, wie ein Glas. Ey daß dich! fing ich an,</l><lb/><l>Jſt das nicht Schad’? Ey haͤtt’ ich es gelaſſen!</l><lb/><l>Doch dacht’ ich, wie ich mich beſann,</l><lb/><l>Da der Verluſt nicht groß, kann ich mich leichtlich faſſen,</l><lb/><l>Und darf ja nicht verdrießlich ſeyn.</l><lb/><l>Mir fiel jedoch dabey dieß Sprichwort ein,</l><lb/><l>Das mich zum oͤftern ſchon geruͤhret:</l><lb/><l>Der Weg, den mancher nimmt, um etwas zu vermindern,</l><lb/><l><fwplace="bottom"type="catch">Jſt</fw><lb/></l></lg></div></div></body></text></TEI>
[268/0304]
Der Kuͤrbis.
Jch gieng im Garten hin und her,
Und ſah von ungefehr,
Wie durch der Erlen dichte Wand
Von einem Kuͤrbs die Ranken durchgedrungen,
Sich artig hin und her geſchlungen,
Und in dem Steig’ auf den betret’nen Sand
Sich ausgeſtreckt und ausgebreitet hatten.
Dieweil ich nun der Ranke Stand,
So wie ſie lag, nicht ſicher fand,
Jndem ſie in Gefahr
An einem ſolchen Orte war
Vertreten und zerknickt zu werden;
Hub ich ſie von der Erden,
Um, daß ſie moͤchte ſicher liegen,
Sie wiederum dahin zu biegen,
Woher ſie kommen war; allein
Kaum mogte ſie von mir gefaſſet ſeyn;
So brach ſie, wie ein Glas. Ey daß dich! fing ich an,
Jſt das nicht Schad’? Ey haͤtt’ ich es gelaſſen!
Doch dacht’ ich, wie ich mich beſann,
Da der Verluſt nicht groß, kann ich mich leichtlich faſſen,
Und darf ja nicht verdrießlich ſeyn.
Mir fiel jedoch dabey dieß Sprichwort ein,
Das mich zum oͤftern ſchon geruͤhret:
Der Weg, den mancher nimmt, um etwas zu vermindern,
Jſt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/304>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.