Durch ein allmächtiges, allweises Wesen werde Auch das, was böse scheint, zum guten Zweck gelenket, Weil Er das Höchste Gut. Denn selber Schmerz und Pein, Die auf der Welt ja wol die grösten Plagen seyn, Sind, wegen ihrer Daur, so arg noch lange nicht, Als man sie glaubt zu seyn. Es ist die ganze Zeit Vom Anbeginn der Welt Nicht eine Stunde lang, wo man der Ewigkeit Die Zeit zur Seite stellt, Und die mit ihr vergleicht. Was gegen eine Stunde Der allerkleinste Teil der flüchtigen Secunde, Das ist des Menschen Zeit, mit jener Zeit verglichen, Noch lange nicht einmal. Wird nun die schwer'ste Pein, Wird auch die gröste Qval, So je ein Mensch auf dieser Welt empfunden, Wenn man der Zeiten Folg' erwäg't, nicht leicht und klein! So gar gebrannte Wunden, Gicht, Podagra und Stein, Sind ja, so bald sie heil, verschmerzt. Dieß denk' ein jeglicher, wenn etwa GOtt ihm Plagen Und Schmerzen aufgeleg't! Er suche sie beherzt, Durch die Betrachtungen der kurzen Daur, zu tragen! Er denke, wie so leicht ein Schmerz, wenn er vorbey, Zu dulden sey! Doch deucht mich, hör' ich schon, daß mancher hierzu spricht: Der du die Lehren schreibst, du hast gut sagen, Jndem dir nichts gebricht.
Du
Durch ein allmaͤchtiges, allweiſes Weſen werde Auch das, was boͤſe ſcheint, zum guten Zweck gelenket, Weil Er das Hoͤchſte Gut. Denn ſelber Schmerz und Pein, Die auf der Welt ja wol die groͤſten Plagen ſeyn, Sind, wegen ihrer Daur, ſo arg noch lange nicht, Als man ſie glaubt zu ſeyn. Es iſt die ganze Zeit Vom Anbeginn der Welt Nicht eine Stunde lang, wo man der Ewigkeit Die Zeit zur Seite ſtellt, Und die mit ihr vergleicht. Was gegen eine Stunde Der allerkleinſte Teil der fluͤchtigen Secunde, Das iſt des Menſchen Zeit, mit jener Zeit verglichen, Noch lange nicht einmal. Wird nun die ſchwer’ſte Pein, Wird auch die groͤſte Qval, So je ein Menſch auf dieſer Welt empfunden, Wenn man der Zeiten Folg’ erwaͤg’t, nicht leicht und klein! So gar gebrannte Wunden, Gicht, Podagra und Stein, Sind ja, ſo bald ſie heil, verſchmerzt. Dieß denk’ ein jeglicher, wenn etwa GOtt ihm Plagen Und Schmerzen aufgeleg’t! Er ſuche ſie beherzt, Durch die Betrachtungen der kurzen Daur, zu tragen! Er denke, wie ſo leicht ein Schmerz, wenn er vorbey, Zu dulden ſey! Doch deucht mich, hoͤr’ ich ſchon, daß mancher hierzu ſpricht: Der du die Lehren ſchreibſt, du haſt gut ſagen, Jndem dir nichts gebricht.
Du
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Durch ein allmaͤchtiges, allweiſes Weſen werde
Auch das, was boͤſe ſcheint, zum guten Zweck gelenket,
Weil Er das Hoͤchſte Gut. Denn ſelber Schmerz und Pein,
Die auf der Welt ja wol die groͤſten Plagen ſeyn,
Sind, wegen ihrer Daur, ſo arg noch lange nicht,
Als man ſie glaubt zu ſeyn.
Es iſt die ganze Zeit
Vom Anbeginn der Welt
Nicht eine Stunde lang, wo man der Ewigkeit
Die Zeit zur Seite ſtellt,
Und die mit ihr vergleicht. Was gegen eine Stunde
Der allerkleinſte Teil der fluͤchtigen Secunde,
Das iſt des Menſchen Zeit, mit jener Zeit verglichen,
Noch lange nicht einmal.
Wird nun die ſchwer’ſte Pein,
Wird auch die groͤſte Qval,
So je ein Menſch auf dieſer Welt empfunden,
Wenn man der Zeiten Folg’ erwaͤg’t, nicht leicht und klein!
So gar gebrannte Wunden,
Gicht, Podagra und Stein,
Sind ja, ſo bald ſie heil, verſchmerzt.
Dieß denk’ ein jeglicher, wenn etwa GOtt ihm Plagen
Und Schmerzen aufgeleg’t! Er ſuche ſie beherzt,
Durch die Betrachtungen der kurzen Daur, zu tragen!
Er denke, wie ſo leicht ein Schmerz, wenn er vorbey,
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Doch deucht mich, hoͤr’ ich ſchon, daß mancher hierzu ſpricht:
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/494>, abgerufen am 22.11.2024.
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