Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.Welcher sich in Brockes Schrifsten als auf offner Bahne sucht, Den erquickt der Lohn der Mühe, den ergötzt der Arbeit Frucht. Dem, der hier bereits den Kern ihrer Lehren angetroffen, Steht bey wiederholtem Fleiß, endlich ihr Geheimniß offen. Er durchgrübelt Wort und Zeilen, und wenn dieses offt ge- schehn, Werden ihm die Augen klärer, und er fängt erst an zu sehn. Jeder Satz gleicht einem Stamm voller Blüthen, Frucht und Säffte, Jede Redens-Art enthält neue Zierlichkeit und Kräffte, Jeder Blick gewährt Vergnügen, alles stimmt dem Zeugniß bey, Daß ein Schacht von diesen Adern tieff und unerschöpflich sey. Wie ein Kora auf fettem Land sich in hundert Aehren breitet, Wird aus einer engen Fluht hier ein gantzes Meer geleitet, Wie die Hydra zehen Köpffe statt des einen von sich streckt, Wachsen hier zehn Gründe, wenn man einen Grund ent- deckt. Alles scheint von Geist und Feuer, nur der Titul scheint zu trügen, Denn es ist kein irdisches sondern himmlisches Vergnügen. GOTT in der Natur erkennen, die in ihrem Schooß beschleust, Was den Arm des grossen Schöpffers durch viel tausend Zun- gen preißt. Dieses macht, daß sich der Geist dem, was irdisch ist, entziehet, Und das Auge der Vernunfft näher in die Sonne siehet, Daß die Schärffe der Erkänntniß sich in jenem Licht verliehrt, Wo der Ausfluß alles Seegens die entzückten Sinne rührt. Solches heist, schon in der Welt GOTT in seinem Licht erkennen, Solches heist recht inniglich gegen ihn in Liebe brennen, Ob gleich vieler Aberglauben diesen Schimmer nicht verträgt, Und vor GOTT und seinen Wercken Hertz und Augen nieder- schlägt. Aller Schein verblendet sie, aller Glantz setzt sie in Schrecken, Moses muß sein Augesicht vor so blöden Augen decken. Was ):( ):( 2
Welcher ſich in Brockes Schrifſten als auf offner Bahne ſucht, Den erquickt der Lohn der Muͤhe, den ergoͤtzt der Arbeit Frucht. Dem, der hier bereits den Kern ihrer Lehren angetroffen, Steht bey wiederholtem Fleiß, endlich ihr Geheimniß offen. Er durchgruͤbelt Wort und Zeilen, und wenn dieſes offt ge- ſchehn, Werden ihm die Augen klaͤrer, und er faͤngt erſt an zu ſehn. Jeder Satz gleicht einem Stamm voller Bluͤthen, Frucht und Saͤffte, Jede Redens-Art enthaͤlt neue Zierlichkeit und Kraͤffte, Jeder Blick gewaͤhrt Vergnuͤgen, alles ſtimmt dem Zeugniß bey, Daß ein Schacht von dieſen Adern tieff und unerſchoͤpflich ſey. Wie ein Kora auf fettem Land ſich in hundert Aehren breitet, Wird aus einer engen Fluht hier ein gantzes Meer geleitet, Wie die Hydra zehen Koͤpffe ſtatt des einen von ſich ſtreckt, Wachſen hier zehn Gruͤnde, wenn man einen Grund ent- deckt. Alles ſcheint von Geiſt und Feuer, nur der Titul ſcheint zu truͤgen, Denn es iſt kein irdiſches ſondern himmliſches Vergnuͤgen. GOTT in der Natur erkennen, die in ihrem Schooß beſchleuſt, Was den Arm des groſſen Schoͤpffers durch viel tauſend Zun- gen preißt. Dieſes macht, daß ſich der Geiſt dem, was irdiſch iſt, entziehet, Und das Auge der Vernunfft naͤher in die Sonne ſiehet, Daß die Schaͤrffe der Erkaͤnntniß ſich in jenem Licht verliehrt, Wo der Ausfluß alles Seegens die entzuͤckten Sinne ruͤhrt. Solches heiſt, ſchon in der Welt GOTT in ſeinem Licht erkennen, Solches heiſt recht inniglich gegen ihn in Liebe brennen, Ob gleich vieler Aberglauben dieſen Schimmer nicht vertraͤgt, Und vor GOTT und ſeinen Wercken Hertz und Augen nieder- ſchlaͤgt. Aller Schein verblendet ſie, aller Glantz ſetzt ſie in Schrecken, Moſes muß ſein Augeſicht vor ſo bloͤden Augen decken. Was ):( ):( 2
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Welcher ſich in Brockes Schrifſten als auf offner Bahne ſucht,
Den erquickt der Lohn der Muͤhe, den ergoͤtzt der Arbeit Frucht.
Dem, der hier bereits den Kern ihrer Lehren angetroffen,
Steht bey wiederholtem Fleiß, endlich ihr Geheimniß offen.
Er durchgruͤbelt Wort und Zeilen, und wenn dieſes offt ge-
ſchehn,
Werden ihm die Augen klaͤrer, und er faͤngt erſt an zu ſehn.
Jeder Satz gleicht einem Stamm voller Bluͤthen, Frucht und
Saͤffte,
Jede Redens-Art enthaͤlt neue Zierlichkeit und Kraͤffte,
Jeder Blick gewaͤhrt Vergnuͤgen, alles ſtimmt dem Zeugniß
bey,
Daß ein Schacht von dieſen Adern tieff und unerſchoͤpflich ſey.
Wie ein Kora auf fettem Land ſich in hundert Aehren breitet,
Wird aus einer engen Fluht hier ein gantzes Meer geleitet,
Wie die Hydra zehen Koͤpffe ſtatt des einen von ſich ſtreckt,
Wachſen hier zehn Gruͤnde, wenn man einen Grund ent-
deckt.
Alles ſcheint von Geiſt und Feuer, nur der Titul ſcheint zu truͤgen,
Denn es iſt kein irdiſches ſondern himmliſches Vergnuͤgen.
GOTT in der Natur erkennen, die in ihrem Schooß beſchleuſt,
Was den Arm des groſſen Schoͤpffers durch viel tauſend Zun-
gen preißt.
Dieſes macht, daß ſich der Geiſt dem, was irdiſch iſt, entziehet,
Und das Auge der Vernunfft naͤher in die Sonne ſiehet,
Daß die Schaͤrffe der Erkaͤnntniß ſich in jenem Licht verliehrt,
Wo der Ausfluß alles Seegens die entzuͤckten Sinne ruͤhrt.
Solches heiſt, ſchon in der Welt GOTT in ſeinem Licht erkennen,
Solches heiſt recht inniglich gegen ihn in Liebe brennen,
Ob gleich vieler Aberglauben dieſen Schimmer nicht vertraͤgt,
Und vor GOTT und ſeinen Wercken Hertz und Augen nieder-
ſchlaͤgt.
Aller Schein verblendet ſie, aller Glantz ſetzt ſie in Schrecken,
Moſes muß ſein Augeſicht vor ſo bloͤden Augen decken.
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