Bald im gefrornen Lande, Bald im verbrannten Sande, Des schönen Schmucks beraubt, verödet und zerstöhrt.
Lasst uns den stoltzen Stamm verwegner Eichen, Die mit den Aesten fast bis an die Wolcken reichen, Wodurch nicht einst der Sonnen Strahlen gehn, Sammt ihren dichten Blättern sehn. Man wirfft ein'Eichel in das Land; Daselbst wird sie erweicht, Eröffnet sich, und da sie feucht, Entwickelt sie sich bald, und spannt Die kleinen Wurtzeln aus; worauf der Erden Safft, Beweget durch der Hitze Krafft, Jn ihre Löcher dringt, gemächlich aufwerts steiget Und anfangs kleine Zweiglein zeiget. Man beuget einen Baum, der jung ist, mit der Hand, Allein sein Stamm, der zart und schwach, Vermehrt sich nach und nach. Durch seine Rahrungs-Safft, und durch den Lauff der Zeit Stets mehr befestiget, nimmt er so festen Stand, Und hat zuletzt ein' Unbeweglichkeit. Da er nun täglich wächst, wiewol gantz unvermerckt; So wird, was anfangs nur ein schwaches Pfläntzgen wiese, Ein ungeheurer Baum, ein rechter Riese.
Ein solches ordentlichs Bewegen, Und eines solchen Drucks und Dranges fruchtbars regen, Herrscht nach und nach in allen Erden-Theilen.
Es
R 5
Von den Jahrs-Zeiten.
Bald im gefrornen Lande, Bald im verbrannten Sande, Des ſchoͤnen Schmucks beraubt, veroͤdet und zerſtoͤhrt.
Laſſt uns den ſtoltzen Stamm verwegner Eichen, Die mit den Aeſten faſt bis an die Wolcken reichen, Wodurch nicht einſt der Sonnen Strahlen gehn, Sammt ihren dichten Blaͤttern ſehn. Man wirfft ein’Eichel in das Land; Daſelbſt wird ſie erweicht, Eroͤffnet ſich, und da ſie feucht, Entwickelt ſie ſich bald, und ſpannt Die kleinen Wurtzeln aus; worauf der Erden Safft, Beweget durch der Hitze Krafft, Jn ihre Loͤcher dringt, gemaͤchlich aufwerts ſteiget Und anfangs kleine Zweiglein zeiget. Man beuget einen Baum, der jung iſt, mit der Hand, Allein ſein Stamm, der zart und ſchwach, Vermehrt ſich nach und nach. Durch ſeine Rahrungs-Safft, und durch den Lauff der Zeit Stets mehr befeſtiget, nimmt er ſo feſten Stand, Und hat zuletzt ein’ Unbeweglichkeit. Da er nun taͤglich waͤchſt, wiewol gantz unvermerckt; So wird, was anfangs nur ein ſchwaches Pflaͤntzgen wieſe, Ein ungeheurer Baum, ein rechter Rieſe.
Ein ſolches ordentlichs Bewegen, Und eines ſolchen Drucks und Dranges fruchtbars regen, Herrſcht nach und nach in allen Erden-Theilen.
Es
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Von den Jahrs-Zeiten.
Bald im gefrornen Lande,
Bald im verbrannten Sande,
Des ſchoͤnen Schmucks beraubt, veroͤdet und zerſtoͤhrt.
Laſſt uns den ſtoltzen Stamm verwegner Eichen,
Die mit den Aeſten faſt bis an die Wolcken reichen,
Wodurch nicht einſt der Sonnen Strahlen gehn,
Sammt ihren dichten Blaͤttern ſehn.
Man wirfft ein’Eichel in das Land;
Daſelbſt wird ſie erweicht,
Eroͤffnet ſich, und da ſie feucht,
Entwickelt ſie ſich bald, und ſpannt
Die kleinen Wurtzeln aus; worauf der Erden Safft,
Beweget durch der Hitze Krafft,
Jn ihre Loͤcher dringt, gemaͤchlich aufwerts ſteiget
Und anfangs kleine Zweiglein zeiget.
Man beuget einen Baum, der jung iſt, mit der Hand,
Allein ſein Stamm, der zart und ſchwach,
Vermehrt ſich nach und nach.
Durch ſeine Rahrungs-Safft, und durch den Lauff der Zeit
Stets mehr befeſtiget, nimmt er ſo feſten Stand,
Und hat zuletzt ein’ Unbeweglichkeit.
Da er nun taͤglich waͤchſt, wiewol gantz unvermerckt;
So wird, was anfangs nur ein ſchwaches Pflaͤntzgen wieſe,
Ein ungeheurer Baum, ein rechter Rieſe.
Ein ſolches ordentlichs Bewegen,
Und eines ſolchen Drucks und Dranges fruchtbars regen,
Herrſcht nach und nach in allen Erden-Theilen.
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/295>, abgerufen am 16.07.2024.
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