Es werden hier und dar uns Cörper auf der Welt, Die, wie die unsrigen bereitet, dargestellt. Wir können augenscheinlich sehen, Daß sie auf gleiche Weis', als wir, entstehen, Man siehet, daß sie allzusammen Aus der Materie gefüget sind, und stammen. Sie sind, wer leugnet es? gebohren, so, wie wir: Jhr Leben fängt sich an; sie scheiden auch von hier. Allein, hat denn der Mensch, nebst allen ihren Gaben, Nicht den Verstand dazu, den sie nicht haben?
Der Mensch, durch GOTTES Hand gebildet und formirt, Der eintzig unsre Welt bewohnet und regiert, Enthielt' in seinem Schooß die Nachwelt auf einmal. Die Wüsten füllete sein Saame, sonder Zahl, Bebauete das Feld, beschiffete das Meer. Von Dingen, die sich ändern und vergehen, Kan man in Menschen recht den Auszug sehen. Es findet sich in seiner ersten Zeit, Wenn er empfangen wird, kein Unterscheid. Wie eine grosse Zahl von Thier-und Pflantzen, Die bald aus einem Korn, bald einem Ey entspringt, Zu seiner Vollenkommenheit Sich Staffel-Weise dringt; Empfänget auch der Mensch gar bald Ein' Art von Bildung und Gestalt: Es scheint, ob werd' er in der Mutter Schooß Recht auf die Art, als eine Pflantze, groß:
Als
D d 4
Von den Sinnlichkeiten insgemein.
Es werden hier und dar uns Coͤrper auf der Welt, Die, wie die unſrigen bereitet, dargeſtellt. Wir koͤnnen augenſcheinlich ſehen, Daß ſie auf gleiche Weiſ’, als wir, entſtehen, Man ſiehet, daß ſie allzuſammen Aus der Materie gefuͤget ſind, und ſtammen. Sie ſind, wer leugnet es? gebohren, ſo, wie wir: Jhr Leben faͤngt ſich an; ſie ſcheiden auch von hier. Allein, hat denn der Menſch, nebſt allen ihren Gaben, Nicht den Verſtand dazu, den ſie nicht haben?
Der Menſch, durch GOTTES Hand gebildet und formirt, Der eintzig unſre Welt bewohnet und regiert, Enthielt’ in ſeinem Schooß die Nachwelt auf einmal. Die Wuͤſten fuͤllete ſein Saame, ſonder Zahl, Bebauete das Feld, beſchiffete das Meer. Von Dingen, die ſich aͤndern und vergehen, Kan man in Menſchen recht den Auszug ſehen. Es findet ſich in ſeiner erſten Zeit, Wenn er empfangen wird, kein Unterſcheid. Wie eine groſſe Zahl von Thier-und Pflantzen, Die bald aus einem Korn, bald einem Ey entſpringt, Zu ſeiner Vollenkommenheit Sich Staffel-Weiſe dringt; Empfaͤnget auch der Menſch gar bald Ein’ Art von Bildung und Geſtalt: Es ſcheint, ob werd’ er in der Mutter Schooß Recht auf die Art, als eine Pflantze, groß:
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Von den Sinnlichkeiten insgemein.
Es werden hier und dar uns Coͤrper auf der Welt,
Die, wie die unſrigen bereitet, dargeſtellt.
Wir koͤnnen augenſcheinlich ſehen,
Daß ſie auf gleiche Weiſ’, als wir, entſtehen,
Man ſiehet, daß ſie allzuſammen
Aus der Materie gefuͤget ſind, und ſtammen.
Sie ſind, wer leugnet es? gebohren, ſo, wie wir:
Jhr Leben faͤngt ſich an; ſie ſcheiden auch von hier.
Allein, hat denn der Menſch, nebſt allen ihren Gaben,
Nicht den Verſtand dazu, den ſie nicht haben?
Der Menſch, durch GOTTES Hand gebildet und formirt,
Der eintzig unſre Welt bewohnet und regiert,
Enthielt’ in ſeinem Schooß die Nachwelt auf einmal.
Die Wuͤſten fuͤllete ſein Saame, ſonder Zahl,
Bebauete das Feld, beſchiffete das Meer.
Von Dingen, die ſich aͤndern und vergehen,
Kan man in Menſchen recht den Auszug ſehen.
Es findet ſich in ſeiner erſten Zeit,
Wenn er empfangen wird, kein Unterſcheid.
Wie eine groſſe Zahl von Thier-und Pflantzen,
Die bald aus einem Korn, bald einem Ey entſpringt,
Zu ſeiner Vollenkommenheit
Sich Staffel-Weiſe dringt;
Empfaͤnget auch der Menſch gar bald
Ein’ Art von Bildung und Geſtalt:
Es ſcheint, ob werd’ er in der Mutter Schooß
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/453>, abgerufen am 16.07.2024.
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