Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.Vom Gehör. Wann dort von Mars gereitzt, zwo feindliche Armeen Voll frecher Grausamkeit zum kämpffen fertig stehen; So flösset bloß ein Wort vom tapfern Capitain Auch selbst den Feigesten Hertz Muth und Feuer ein, Und treibt sie kräfftiger zum Würgen und zum Tödten, Als der geschärffte Klang der lermenden Trompeten. Man fühlet, wie das Hertz von tapffrer Hitz entbrennt, Wenn sich der Geist ein Bildniß, mit Vergnügen, Bloß aus den Nahmen macht von Ehr und Siegen. Das cörperliche Hirn ist fähig, daß ein Schlag, Ein Stoß, ein Schüttern es sehr starck bewegen mag. Durch rasendes Geschrey, durch Keiffen und durch Schmählen Erregt man eben das in einer andern Seelen. Allein, auch sonder Schall, und sonder hefftigs Klingen Kan offt ein sanftes Wort, ein Lächeln, wenn der Geist Was spöttisches, was spitzigs drinnen weis't, Ein Hertz zerreissen und durchdringen, So, daß dasselbe zu ertragen Dem Menschen fast nicht möglich fällt. Dies zeiget, daß der Geist, der sich geschimpffet hält, Allein empfindlich sey, daß er allein geschlagen. Also ward Soerates, so vieler stoltzen Geister, O kluge Jronie! durch deine Stärcke, Meister. Durch sanfte Töne mehr, als durch ein starck Geschrey Zwang er der wütigen Sophisten Raserey. Er lehrte sie ohn alle Leidenschafft Der richtigen Vernunft Gesetze, Recht und Krafft. Je- F f 2
Vom Gehoͤr. Wann dort von Mars gereitzt, zwo feindliche Armeen Voll frecher Grauſamkeit zum kaͤmpffen fertig ſtehen; So floͤſſet bloß ein Wort vom tapfern Capitain Auch ſelbſt den Feigeſten Hertz Muth und Feuer ein, Und treibt ſie kraͤfftiger zum Wuͤrgen und zum Toͤdten, Als der geſchaͤrffte Klang der lermenden Trompeten. Man fuͤhlet, wie das Hertz von tapffrer Hitz entbrennt, Wenn ſich der Geiſt ein Bildniß, mit Vergnuͤgen, Bloß aus den Nahmen macht von Ehr und Siegen. Das coͤrperliche Hirn iſt faͤhig, daß ein Schlag, Ein Stoß, ein Schuͤttern es ſehr ſtarck bewegen mag. Durch raſendes Geſchrey, durch Keiffen und durch Schmaͤhlen Erregt man eben das in einer andern Seelen. Allein, auch ſonder Schall, und ſonder hefftigs Klingen Kan offt ein ſanftes Wort, ein Laͤcheln, wenn der Geiſt Was ſpoͤttiſches, was ſpitzigs drinnen weiſ’t, Ein Hertz zerreiſſen und durchdringen, So, daß daſſelbe zu ertragen Dem Menſchen faſt nicht moͤglich faͤllt. Dies zeiget, daß der Geiſt, der ſich geſchimpffet haͤlt, Allein empfindlich ſey, daß er allein geſchlagen. Alſo ward Soerates, ſo vieler ſtoltzen Geiſter, O kluge Jronie! durch deine Staͤrcke, Meiſter. Durch ſanfte Toͤne mehr, als durch ein ſtarck Geſchrey Zwang er der wuͤtigen Sophiſten Raſerey. Er lehrte ſie ohn alle Leidenſchafft Der richtigen Vernunft Geſetze, Recht und Krafft. Je- F f 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0481" n="451"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vom Gehoͤr.</hi> </fw><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">W</hi>ann dort von Mars gereitzt, zwo feindliche Armeen</l><lb/> <l>Voll frecher Grauſamkeit zum kaͤmpffen fertig ſtehen;</l><lb/> <l>So floͤſſet bloß ein Wort vom tapfern Capitain</l><lb/> <l>Auch ſelbſt den Feigeſten Hertz Muth und Feuer ein,</l><lb/> <l>Und treibt ſie kraͤfftiger zum Wuͤrgen und zum Toͤdten,</l><lb/> <l>Als der geſchaͤrffte Klang der lermenden Trompeten.</l><lb/> <l>Man fuͤhlet, wie das Hertz von tapffrer Hitz entbrennt,</l><lb/> <l>Wenn ſich der Geiſt ein Bildniß, mit Vergnuͤgen,</l><lb/> <l>Bloß aus den Nahmen macht von Ehr und Siegen.</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">D</hi>as coͤrperliche Hirn iſt faͤhig, daß ein Schlag,</l><lb/> <l>Ein Stoß, ein Schuͤttern es ſehr ſtarck bewegen mag.</l><lb/> <l>Durch raſendes Geſchrey, durch Keiffen und durch Schmaͤhlen</l><lb/> <l>Erregt man eben das in einer andern Seelen.</l><lb/> <l>Allein, auch ſonder Schall, und ſonder hefftigs Klingen</l><lb/> <l>Kan offt ein ſanftes Wort, ein Laͤcheln, wenn der Geiſt</l><lb/> <l>Was ſpoͤttiſches, was ſpitzigs drinnen weiſ’t,</l><lb/> <l>Ein Hertz zerreiſſen und durchdringen,</l><lb/> <l>So, daß daſſelbe zu ertragen</l><lb/> <l>Dem Menſchen faſt nicht moͤglich faͤllt.</l><lb/> <l>Dies zeiget, daß der Geiſt, der ſich geſchimpffet haͤlt,</l><lb/> <l>Allein empfindlich ſey, daß er allein geſchlagen.</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">A</hi>lſo ward Soerates, ſo vieler ſtoltzen Geiſter,</l><lb/> <l>O kluge Jronie! durch deine Staͤrcke, Meiſter.</l><lb/> <l>Durch ſanfte Toͤne mehr, als durch ein ſtarck Geſchrey</l><lb/> <l>Zwang er der wuͤtigen Sophiſten Raſerey.</l><lb/> <l>Er lehrte ſie ohn alle Leidenſchafft</l><lb/> <l>Der richtigen Vernunft Geſetze, Recht und Krafft.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="sig">F f 2</fw> <fw place="bottom" type="catch">Je-</fw><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [451/0481]
Vom Gehoͤr.
Wann dort von Mars gereitzt, zwo feindliche Armeen
Voll frecher Grauſamkeit zum kaͤmpffen fertig ſtehen;
So floͤſſet bloß ein Wort vom tapfern Capitain
Auch ſelbſt den Feigeſten Hertz Muth und Feuer ein,
Und treibt ſie kraͤfftiger zum Wuͤrgen und zum Toͤdten,
Als der geſchaͤrffte Klang der lermenden Trompeten.
Man fuͤhlet, wie das Hertz von tapffrer Hitz entbrennt,
Wenn ſich der Geiſt ein Bildniß, mit Vergnuͤgen,
Bloß aus den Nahmen macht von Ehr und Siegen.
Das coͤrperliche Hirn iſt faͤhig, daß ein Schlag,
Ein Stoß, ein Schuͤttern es ſehr ſtarck bewegen mag.
Durch raſendes Geſchrey, durch Keiffen und durch Schmaͤhlen
Erregt man eben das in einer andern Seelen.
Allein, auch ſonder Schall, und ſonder hefftigs Klingen
Kan offt ein ſanftes Wort, ein Laͤcheln, wenn der Geiſt
Was ſpoͤttiſches, was ſpitzigs drinnen weiſ’t,
Ein Hertz zerreiſſen und durchdringen,
So, daß daſſelbe zu ertragen
Dem Menſchen faſt nicht moͤglich faͤllt.
Dies zeiget, daß der Geiſt, der ſich geſchimpffet haͤlt,
Allein empfindlich ſey, daß er allein geſchlagen.
Alſo ward Soerates, ſo vieler ſtoltzen Geiſter,
O kluge Jronie! durch deine Staͤrcke, Meiſter.
Durch ſanfte Toͤne mehr, als durch ein ſtarck Geſchrey
Zwang er der wuͤtigen Sophiſten Raſerey.
Er lehrte ſie ohn alle Leidenſchafft
Der richtigen Vernunft Geſetze, Recht und Krafft.
Je-
F f 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |