Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.

Bild:
<< vorherige Seite
Von dem Sitz der Sinnlichkeiten.


Es mag des Donners Knall erklingen,
Uns mag ein scharffer Stahl durchdringen,
Es mag uns Marmor, Eis, wie oder Feur berühren;
Der Geist allein kan es bemercken und verspüren,
Und nennt es Kälte, Hitz, Wärm, Härtigkeit und Pein,
Nachdem der Druck in ihn von Werckzeug ist gesencket:
Der Geist, zu welchem sich ein jeder Vorwurff lencket,
Fügt Nahmen zum Begriff, er überleget, dencket,
Und durch Bewegungen gerührt, macht er den Schluß,
Wem man zu folgen hat, und was man meiden muß.


Vom Cörper, womit sich die Seele bind't, verlangen,
Daß er den Druck empfind, den wir durch ihn empfangen,
Jst eben, als wenn man von einer Laute wollte,
Daß sie die Melodey vernehmen sollte
Von den, von uns erregten Saiten.
Dies heisst dem Jnstrument das Wissen, das Vermögen,
Die Anmuth sammt den Lieblichkeiten,
Die es den Sinnen nur verursacht, beyzulegen.
Dies heisst die Meinungen von einem Bilde hegen,
Daß es an einer Schilderey,
Der Ordnung, und des Tons der Farben kundig sey,
Und daß, wofern man es von ungefehr beweget,
Es ihm entweder Lust, entweder Schmertz erreget.


Vom Auge haben wir gesehen und erkennt,
Daß es nicht anders anzusehen,
Als ein bequem und leichtes Jnstrument,
Wodurch in uns des Lichtes Strahlen gehen.
Ja
J i
Von dem Sitz der Sinnlichkeiten.


Es mag des Donners Knall erklingen,
Uns mag ein ſcharffer Stahl durchdringen,
Es mag uns Marmor, Eis, wie oder Feur beruͤhren;
Der Geiſt allein kan es bemercken und verſpuͤren,
Und nennt es Kaͤlte, Hitz, Waͤrm, Haͤrtigkeit und Pein,
Nachdem der Druck in ihn von Werckzeug iſt geſencket:
Der Geiſt, zu welchem ſich ein jeder Vorwurff lencket,
Fuͤgt Nahmen zum Begriff, er uͤberleget, dencket,
Und durch Bewegungen geruͤhrt, macht er den Schluß,
Wem man zu folgen hat, und was man meiden muß.


Vom Coͤrper, womit ſich die Seele bind’t, verlangen,
Daß er den Druck empfind, den wir durch ihn empfangen,
Jſt eben, als wenn man von einer Laute wollte,
Daß ſie die Melodey vernehmen ſollte
Von den, von uns erregten Saiten.
Dies heiſſt dem Jnſtrument das Wiſſen, das Vermoͤgen,
Die Anmuth ſammt den Lieblichkeiten,
Die es den Sinnen nur verurſacht, beyzulegen.
Dies heiſſt die Meinungen von einem Bilde hegen,
Daß es an einer Schilderey,
Der Ordnung, und des Tons der Farben kundig ſey,
Und daß, wofern man es von ungefehr beweget,
Es ihm entweder Luſt, entweder Schmertz erreget.


Vom Auge haben wir geſehen und erkennt,
Daß es nicht anders anzuſehen,
Als ein bequem und leichtes Jnſtrument,
Wodurch in uns des Lichtes Strahlen gehen.
Ja
J i
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0527" n="497"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Von dem Sitz der Sinnlichkeiten.</hi> </fw><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">E</hi>s mag des Donners Knall erklingen,</l><lb/>
                <l>Uns mag ein &#x017F;charffer Stahl durchdringen,</l><lb/>
                <l>Es mag uns Marmor, Eis, wie oder Feur beru&#x0364;hren;</l><lb/>
                <l>Der Gei&#x017F;t allein kan es bemercken und ver&#x017F;pu&#x0364;ren,</l><lb/>
                <l>Und nennt es Ka&#x0364;lte, Hitz, Wa&#x0364;rm, Ha&#x0364;rtigkeit und Pein,</l><lb/>
                <l>Nachdem der Druck in ihn von Werckzeug i&#x017F;t ge&#x017F;encket:</l><lb/>
                <l>Der Gei&#x017F;t, zu welchem &#x017F;ich ein jeder Vorwurff lencket,</l><lb/>
                <l>Fu&#x0364;gt Nahmen zum Begriff, er u&#x0364;berleget, dencket,</l><lb/>
                <l>Und durch Bewegungen geru&#x0364;hrt, macht er den Schluß,</l><lb/>
                <l>Wem man zu folgen hat, und was man meiden muß.</l>
              </lg><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">V</hi>om Co&#x0364;rper, womit &#x017F;ich die Seele bind&#x2019;t, verlangen,</l><lb/>
                <l>Daß er den Druck empfind, den wir durch ihn empfangen,</l><lb/>
                <l>J&#x017F;t eben, als wenn man von einer Laute wollte,</l><lb/>
                <l>Daß &#x017F;ie die Melodey vernehmen &#x017F;ollte</l><lb/>
                <l>Von den, von uns erregten Saiten.</l><lb/>
                <l>Dies hei&#x017F;&#x017F;t dem Jn&#x017F;trument das Wi&#x017F;&#x017F;en, das Vermo&#x0364;gen,</l><lb/>
                <l>Die Anmuth &#x017F;ammt den Lieblichkeiten,</l><lb/>
                <l>Die es den Sinnen nur verur&#x017F;acht, beyzulegen.</l><lb/>
                <l>Dies hei&#x017F;&#x017F;t die Meinungen von einem Bilde hegen,</l><lb/>
                <l>Daß es an einer Schilderey,</l><lb/>
                <l>Der Ordnung, und des Tons der Farben kundig &#x017F;ey,</l><lb/>
                <l>Und daß, wofern man es von ungefehr beweget,</l><lb/>
                <l>Es ihm entweder Lu&#x017F;t, entweder Schmertz erreget.</l>
              </lg><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">V</hi>om Auge haben wir ge&#x017F;ehen und erkennt,</l><lb/>
                <l>Daß es nicht anders anzu&#x017F;ehen,</l><lb/>
                <l>Als ein bequem und leichtes Jn&#x017F;trument,</l><lb/>
                <l>Wodurch in uns des Lichtes Strahlen gehen.</l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">J i</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">Ja</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[497/0527] Von dem Sitz der Sinnlichkeiten. Es mag des Donners Knall erklingen, Uns mag ein ſcharffer Stahl durchdringen, Es mag uns Marmor, Eis, wie oder Feur beruͤhren; Der Geiſt allein kan es bemercken und verſpuͤren, Und nennt es Kaͤlte, Hitz, Waͤrm, Haͤrtigkeit und Pein, Nachdem der Druck in ihn von Werckzeug iſt geſencket: Der Geiſt, zu welchem ſich ein jeder Vorwurff lencket, Fuͤgt Nahmen zum Begriff, er uͤberleget, dencket, Und durch Bewegungen geruͤhrt, macht er den Schluß, Wem man zu folgen hat, und was man meiden muß. Vom Coͤrper, womit ſich die Seele bind’t, verlangen, Daß er den Druck empfind, den wir durch ihn empfangen, Jſt eben, als wenn man von einer Laute wollte, Daß ſie die Melodey vernehmen ſollte Von den, von uns erregten Saiten. Dies heiſſt dem Jnſtrument das Wiſſen, das Vermoͤgen, Die Anmuth ſammt den Lieblichkeiten, Die es den Sinnen nur verurſacht, beyzulegen. Dies heiſſt die Meinungen von einem Bilde hegen, Daß es an einer Schilderey, Der Ordnung, und des Tons der Farben kundig ſey, Und daß, wofern man es von ungefehr beweget, Es ihm entweder Luſt, entweder Schmertz erreget. Vom Auge haben wir geſehen und erkennt, Daß es nicht anders anzuſehen, Als ein bequem und leichtes Jnſtrument, Wodurch in uns des Lichtes Strahlen gehen. Ja J i

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/527
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/527>, abgerufen am 21.11.2024.