Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.Vom Ursprunge der Welt. Die in nur gar zu kleinen Schrancken Verschrenckte menschliche Gedancken Die haben sich umsonst zu zeigen vorgenommen, Ob könn' aus Nichts, ein Etwas kommen. Es leidet die Vernunfft ein solches Dencken nicht; Doch wird bey allem seinem Licht Es diesem stolzen Geist noch weniger gelingen, Sich einigen Begriff von cörperlichen Dingen, Als wär von Ewigkeit ihr Ursprung, beyzubringen. Aus den zwo Meinungen ist eine zu erlesen: Entweder zog ein würckend weises Wesen Die Welt aus nichts, und gab ihr die Gestalt, Durch ein' allmächtige Gewalt. Wo nicht; so hat ein Klump, der ungeheuer schwer, Ein Chaos voller Dunckelheit, Vermischet und verwirrt von Ewigkeit, So mancher Schönheit Pracht, von ohngefehr Empfangen und erlangt: Allein, Wer hat den Klumpen doch, wer hat des Chaos Nacht, So von der gänzlichen Natur der Quell soll seyn, Aus dem verwirrten Stand hervorgebracht? Zog er sich selbst heraus? hat er sich selbst geschaffen? Soll er von uns mit einer ew'gen Macht Beschencket und verherrlicht seyn? Nein, die Vernunfft geht dieses nimmer ein. Kan von getheilten Stoff allein Ohn' einen Geist, der würckt, die Welt formiret seyn? Wie kan ein Cörper doch Bewegung kriegen Ohn' einen ersten Trieb dazu zu fügen? Wie B 4
Vom Urſprunge der Welt. Die in nur gar zu kleinen Schrancken Verſchrenckte menſchliche Gedancken Die haben ſich umſonſt zu zeigen vorgenommen, Ob koͤnn’ aus Nichts, ein Etwas kommen. Es leidet die Vernunfft ein ſolches Dencken nicht; Doch wird bey allem ſeinem Licht Es dieſem ſtolzen Geiſt noch weniger gelingen, Sich einigen Begriff von coͤrperlichen Dingen, Als waͤr von Ewigkeit ihr Urſprung, beyzubringen. Aus den zwo Meinungen iſt eine zu erleſen: Entweder zog ein wuͤrckend weiſes Weſen Die Welt aus nichts, und gab ihr die Geſtalt, Durch ein’ allmaͤchtige Gewalt. Wo nicht; ſo hat ein Klump, der ungeheuer ſchwer, Ein Chaos voller Dunckelheit, Vermiſchet und verwirrt von Ewigkeit, So mancher Schoͤnheit Pracht, von ohngefehr Empfangen und erlangt: Allein, Wer hat den Klumpen doch, wer hat des Chaos Nacht, So von der gaͤnzlichen Natur der Quell ſoll ſeyn, Aus dem verwirrten Stand hervorgebracht? Zog er ſich ſelbſt heraus? hat er ſich ſelbſt geſchaffen? Soll er von uns mit einer ew’gen Macht Beſchencket und verherrlicht ſeyn? Nein, die Vernunfft geht dieſes nimmer ein. Kan von getheilten Stoff allein Ohn’ einen Geiſt, der wuͤrckt, die Welt formiret ſeyn? Wie kan ein Coͤrper doch Bewegung kriegen Ohn’ einen erſten Trieb dazu zu fuͤgen? Wie B 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0053" n="23"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vom Urſprunge der Welt.</hi> </fw><lb/> <lg type="poem"> <l>Die in nur gar zu kleinen Schrancken</l><lb/> <l>Verſchrenckte menſchliche Gedancken</l><lb/> <l>Die haben ſich umſonſt zu zeigen vorgenommen,</l><lb/> <l>Ob koͤnn’ aus Nichts, ein Etwas kommen.</l><lb/> <l>Es leidet die Vernunfft ein ſolches Dencken nicht;</l><lb/> <l>Doch wird bey allem ſeinem Licht</l><lb/> <l>Es dieſem ſtolzen Geiſt noch weniger gelingen,</l><lb/> <l>Sich einigen Begriff von coͤrperlichen Dingen,</l><lb/> <l>Als waͤr von Ewigkeit ihr Urſprung, beyzubringen.</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">A</hi>us den zwo Meinungen iſt eine zu erleſen:</l><lb/> <l>Entweder zog ein wuͤrckend weiſes Weſen</l><lb/> <l>Die Welt aus nichts, und gab ihr die Geſtalt,</l><lb/> <l>Durch ein’ allmaͤchtige Gewalt.</l><lb/> <l>Wo nicht; ſo hat ein Klump, der ungeheuer ſchwer,</l><lb/> <l>Ein Chaos voller Dunckelheit,</l><lb/> <l>Vermiſchet und verwirrt von Ewigkeit,</l><lb/> <l>So mancher Schoͤnheit Pracht, von ohngefehr</l><lb/> <l>Empfangen und erlangt: Allein,</l><lb/> <l>Wer hat den Klumpen doch, wer hat des Chaos Nacht,</l><lb/> <l>So von der gaͤnzlichen Natur der Quell ſoll ſeyn,</l><lb/> <l>Aus dem verwirrten Stand hervorgebracht?</l><lb/> <l>Zog er ſich ſelbſt heraus? hat er ſich ſelbſt geſchaffen?</l><lb/> <l>Soll er von uns mit einer ew’gen Macht</l><lb/> <l>Beſchencket und verherrlicht ſeyn?</l><lb/> <l>Nein, die Vernunfft geht dieſes nimmer ein.</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">K</hi>an von getheilten Stoff allein</l><lb/> <l>Ohn’ einen Geiſt, der wuͤrckt, die Welt formiret ſeyn?</l><lb/> <l>Wie kan ein Coͤrper doch Bewegung kriegen</l><lb/> <l>Ohn’ einen erſten Trieb dazu zu fuͤgen?</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="sig">B 4</fw> <fw place="bottom" type="catch">Wie</fw><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [23/0053]
Vom Urſprunge der Welt.
Die in nur gar zu kleinen Schrancken
Verſchrenckte menſchliche Gedancken
Die haben ſich umſonſt zu zeigen vorgenommen,
Ob koͤnn’ aus Nichts, ein Etwas kommen.
Es leidet die Vernunfft ein ſolches Dencken nicht;
Doch wird bey allem ſeinem Licht
Es dieſem ſtolzen Geiſt noch weniger gelingen,
Sich einigen Begriff von coͤrperlichen Dingen,
Als waͤr von Ewigkeit ihr Urſprung, beyzubringen.
Aus den zwo Meinungen iſt eine zu erleſen:
Entweder zog ein wuͤrckend weiſes Weſen
Die Welt aus nichts, und gab ihr die Geſtalt,
Durch ein’ allmaͤchtige Gewalt.
Wo nicht; ſo hat ein Klump, der ungeheuer ſchwer,
Ein Chaos voller Dunckelheit,
Vermiſchet und verwirrt von Ewigkeit,
So mancher Schoͤnheit Pracht, von ohngefehr
Empfangen und erlangt: Allein,
Wer hat den Klumpen doch, wer hat des Chaos Nacht,
So von der gaͤnzlichen Natur der Quell ſoll ſeyn,
Aus dem verwirrten Stand hervorgebracht?
Zog er ſich ſelbſt heraus? hat er ſich ſelbſt geſchaffen?
Soll er von uns mit einer ew’gen Macht
Beſchencket und verherrlicht ſeyn?
Nein, die Vernunfft geht dieſes nimmer ein.
Kan von getheilten Stoff allein
Ohn’ einen Geiſt, der wuͤrckt, die Welt formiret ſeyn?
Wie kan ein Coͤrper doch Bewegung kriegen
Ohn’ einen erſten Trieb dazu zu fuͤgen?
Wie
B 4
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |