Man spreche, daß darin ein Stoff der himmlisch, rinne, Der unbegreifflich rein und dünne, Und daß der Geister Meng' in ihm auch stets geschwinde Manch' ungezählte Thür und Oeffnung finde; Sind es doch Cörper nur, die leicht und schnell bewegt, Und deren Handlung doch, die bloß nur cörperlich, Nichts als ein schnell Bewegen hegt. So werden wir demnach das Fühlen und das Wissen Am andern Orte suchen müssen.
Was ist, ist in der Seel: doch haben unsre Sinnen Den Sitz in einem Punct des Hirns von innen, Der werth, daß man ihm wohl beachtet und erkennt. Als wie ein allgemein und nöthig Jnstrument, (Dis ist sein Vorzugs-Recht und eigentlichs Geschäffte) Vereint und theilt er ein der Sinnen Kräffte. Die Nase fühlet nie den Eindruck von dem Licht, Das Auge spürt das Riechen nicht, Das Ohr ist nicht geschickt zu schmecken, Jn jedem Sinn kan man sein eigen Amt entdecken. Allein noch mehr, man weiß, die Nase selber kan Nicht riechen, auch der Ton schlägt an das Ohr nicht an. So rühren Dinge, welche Licht, Auch unser Auge nicht, Noch unsre Zunge die, so schmackhafft seyn. Drum muß sich in der Seele finden Ein Jnstrument, das allgemein, Das eintzig hören kan und sehn, Auch schmecken und verstehn,
Wohin
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Von dem Sitz der Sinnlichkeiten.
Man ſpreche, daß darin ein Stoff der himmliſch, rinne, Der unbegreifflich rein und duͤnne, Und daß der Geiſter Meng’ in ihm auch ſtets geſchwinde Manch’ ungezaͤhlte Thuͤr und Oeffnung finde; Sind es doch Coͤrper nur, die leicht und ſchnell bewegt, Und deren Handlung doch, die bloß nur coͤrperlich, Nichts als ein ſchnell Bewegen hegt. So werden wir demnach das Fuͤhlen und das Wiſſen Am andern Orte ſuchen muͤſſen.
Was iſt, iſt in der Seel: doch haben unſre Sinnen Den Sitz in einem Punct des Hirns von innen, Der werth, daß man ihm wohl beachtet und erkennt. Als wie ein allgemein und noͤthig Jnſtrument, (Dis iſt ſein Vorzugs-Recht und eigentlichs Geſchaͤffte) Vereint und theilt er ein der Sinnen Kraͤffte. Die Naſe fuͤhlet nie den Eindruck von dem Licht, Das Auge ſpuͤrt das Riechen nicht, Das Ohr iſt nicht geſchickt zu ſchmecken, Jn jedem Sinn kan man ſein eigen Amt entdecken. Allein noch mehr, man weiß, die Naſe ſelber kan Nicht riechen, auch der Ton ſchlaͤgt an das Ohr nicht an. So ruͤhren Dinge, welche Licht, Auch unſer Auge nicht, Noch unſre Zunge die, ſo ſchmackhafft ſeyn. Drum muß ſich in der Seele finden Ein Jnſtrument, das allgemein, Das eintzig hoͤren kan und ſehn, Auch ſchmecken und verſtehn,
Wohin
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[503/0533]
Von dem Sitz der Sinnlichkeiten.
Man ſpreche, daß darin ein Stoff der himmliſch, rinne,
Der unbegreifflich rein und duͤnne,
Und daß der Geiſter Meng’ in ihm auch ſtets geſchwinde
Manch’ ungezaͤhlte Thuͤr und Oeffnung finde;
Sind es doch Coͤrper nur, die leicht und ſchnell bewegt,
Und deren Handlung doch, die bloß nur coͤrperlich,
Nichts als ein ſchnell Bewegen hegt.
So werden wir demnach das Fuͤhlen und das Wiſſen
Am andern Orte ſuchen muͤſſen.
Was iſt, iſt in der Seel: doch haben unſre Sinnen
Den Sitz in einem Punct des Hirns von innen,
Der werth, daß man ihm wohl beachtet und erkennt.
Als wie ein allgemein und noͤthig Jnſtrument,
(Dis iſt ſein Vorzugs-Recht und eigentlichs Geſchaͤffte)
Vereint und theilt er ein der Sinnen Kraͤffte.
Die Naſe fuͤhlet nie den Eindruck von dem Licht,
Das Auge ſpuͤrt das Riechen nicht,
Das Ohr iſt nicht geſchickt zu ſchmecken,
Jn jedem Sinn kan man ſein eigen Amt entdecken.
Allein noch mehr, man weiß, die Naſe ſelber kan
Nicht riechen, auch der Ton ſchlaͤgt an das Ohr nicht an.
So ruͤhren Dinge, welche Licht,
Auch unſer Auge nicht,
Noch unſre Zunge die, ſo ſchmackhafft ſeyn.
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Ein Jnſtrument, das allgemein,
Das eintzig hoͤren kan und ſehn,
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 503. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/533>, abgerufen am 16.07.2024.
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