Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.Von dem Sitz der Sinnlichkeiten. Jm Wesen des Gehirns, und wieder rückwerts führet Was sie vorhin gedacht; Formiret unsre Seel, obgleich der Leib nicht wacht, Ohn daß was äusserlichs darbey; Jn sich doch eine Schilderey. Durch diese Erd-Meß-Kunst, die sicher und natürlich, Stellt sie den weiten Creis sich deutlich und figürlich, So, wie sie ihn des Tages sahe, für: Und zeiget durch die Züg', die sie behielt, in ihr, Des Himmels und der Erden Zier. Die Seele wircket stets. Von Kunst und Wissen Jst sie die Meisterin. Hat sie sie nicht erdacht? Sind die Gesetze nicht von ihr gemacht, Wornach mit solcher Richtigkeit Sie ausgeführet werden müssen? Durch feste Regeln weiß des Schildrers kluge Hand Aus dem Entwurff, den sein Verstand Zuerst formirt, Entfernungen zu schildern, Wo, von den trügerischen Bildern Die Züge nicht daselbst zu sehn, Wo sie durch seine Kunst gebildet stehn. Wir können ihre Krafft nunmehr Jn fremden Würckungen verschiedner Gläser spüren, Worin die Gegenbrüch erzeugen und formiren Gefärbte Gegenwürff, bald groß, bald klein, Die blos nur nach dem Schein, Durch Striche, die nicht da, zu sehen seyn. Sind K k 2
Von dem Sitz der Sinnlichkeiten. Jm Weſen des Gehirns, und wieder ruͤckwerts fuͤhret Was ſie vorhin gedacht; Formiret unſre Seel, obgleich der Leib nicht wacht, Ohn daß was aͤuſſerlichs darbey; Jn ſich doch eine Schilderey. Durch dieſe Erd-Meß-Kunſt, die ſicher und natuͤrlich, Stellt ſie den weiten Creis ſich deutlich und figuͤrlich, So, wie ſie ihn des Tages ſahe, fuͤr: Und zeiget durch die Zuͤg’, die ſie behielt, in ihr, Des Himmels und der Erden Zier. Die Seele wircket ſtets. Von Kunſt und Wiſſen Jſt ſie die Meiſterin. Hat ſie ſie nicht erdacht? Sind die Geſetze nicht von ihr gemacht, Wornach mit ſolcher Richtigkeit Sie ausgefuͤhret werden muͤſſen? Durch feſte Regeln weiß des Schildrers kluge Hand Aus dem Entwurff, den ſein Verſtand Zuerſt formirt, Entfernungen zu ſchildern, Wo, von den truͤgeriſchen Bildern Die Zuͤge nicht daſelbſt zu ſehn, Wo ſie durch ſeine Kunſt gebildet ſtehn. Wir koͤnnen ihre Krafft nunmehr Jn fremden Wuͤrckungen verſchiedner Glaͤſer ſpuͤren, Worin die Gegenbruͤch erzeugen und formiren Gefaͤrbte Gegenwuͤrff, bald groß, bald klein, Die blos nur nach dem Schein, Durch Striche, die nicht da, zu ſehen ſeyn. Sind K k 2
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Von dem Sitz der Sinnlichkeiten.
Jm Weſen des Gehirns, und wieder ruͤckwerts fuͤhret
Was ſie vorhin gedacht;
Formiret unſre Seel, obgleich der Leib nicht wacht,
Ohn daß was aͤuſſerlichs darbey;
Jn ſich doch eine Schilderey.
Durch dieſe Erd-Meß-Kunſt, die ſicher und natuͤrlich,
Stellt ſie den weiten Creis ſich deutlich und figuͤrlich,
So, wie ſie ihn des Tages ſahe, fuͤr:
Und zeiget durch die Zuͤg’, die ſie behielt, in ihr,
Des Himmels und der Erden Zier.
Die Seele wircket ſtets. Von Kunſt und Wiſſen
Jſt ſie die Meiſterin. Hat ſie ſie nicht erdacht?
Sind die Geſetze nicht von ihr gemacht,
Wornach mit ſolcher Richtigkeit
Sie ausgefuͤhret werden muͤſſen?
Durch feſte Regeln weiß des Schildrers kluge Hand
Aus dem Entwurff, den ſein Verſtand
Zuerſt formirt, Entfernungen zu ſchildern,
Wo, von den truͤgeriſchen Bildern
Die Zuͤge nicht daſelbſt zu ſehn,
Wo ſie durch ſeine Kunſt gebildet ſtehn.
Wir koͤnnen ihre Krafft nunmehr
Jn fremden Wuͤrckungen verſchiedner Glaͤſer ſpuͤren,
Worin die Gegenbruͤch erzeugen und formiren
Gefaͤrbte Gegenwuͤrff, bald groß, bald klein,
Die blos nur nach dem Schein,
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