Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.

Bild:
<< vorherige Seite
Von dem Sitz der Sinnlichkeiten.
Jst das Gehirn von Dünsten eingenommen,
Die in dasselbige durch Kranckheit und durch Pein
Entstanden und gekommen,
Und theilt sich folgends nicht mehr mit der Geister Lauf;
So höret das Gefühl im gantzen Cörper auf.
Wann aber fern vom Hirn der Schmertz die Glieder trifft.
Wenn Feur und Stahl uns Wunden macht und schläget,
Wird gleich in ihm ein scharffer Schmertz gestifft.
Da sich der Geister Heer gewaltig schnell beweget;
Wird plötzlich im Gehirn ein scharffer Druck erreget.


Der weise SCHOEPFFER aller Welt
Hat auch hierinn den Glantz der Weisheit vorgestellt,
Da der geheime Zwang die Cörper unterhält.
Wie wär es müglich, daß die Harmonie bestände,
Wenn unsre Seele nicht
Auf eine Art wär zugericht't,
Daß sie für sich
Von allen, welches äuserlich,
Den Druck, die Würckungen empfände?
Wenn dieses sollt auf andre Art geschehn;
Unmöglich könten wir bestehn.
Nothwendig müsten wir so starcke Triebe spüren,
Die uns durch sie beständig rühren.
Denn durch erkennen blos allein
Desjenigen, was unsern Leib beweget,
Und etwan Pein und Plagen ihm erreget,
Würd' unsrer Seele nicht so schnell zu helffen seyn.
So
K k 5
Von dem Sitz der Sinnlichkeiten.
Jſt das Gehirn von Duͤnſten eingenommen,
Die in daſſelbige durch Kranckheit und durch Pein
Entſtanden und gekommen,
Und theilt ſich folgends nicht mehr mit der Geiſter Lauf;
So hoͤret das Gefuͤhl im gantzen Coͤrper auf.
Wann aber fern vom Hirn der Schmertz die Glieder trifft.
Wenn Feur und Stahl uns Wunden macht und ſchlaͤget,
Wird gleich in ihm ein ſcharffer Schmertz geſtifft.
Da ſich der Geiſter Heer gewaltig ſchnell beweget;
Wird ploͤtzlich im Gehirn ein ſcharffer Druck erreget.


Der weiſe SCHOEPFFER aller Welt
Hat auch hierinn den Glantz der Weisheit vorgeſtellt,
Da der geheime Zwang die Coͤrper unterhaͤlt.
Wie waͤr es muͤglich, daß die Harmonie beſtaͤnde,
Wenn unſre Seele nicht
Auf eine Art waͤr zugericht’t,
Daß ſie fuͤr ſich
Von allen, welches aͤuſerlich,
Den Druck, die Wuͤrckungen empfaͤnde?
Wenn dieſes ſollt auf andre Art geſchehn;
Unmoͤglich koͤnten wir beſtehn.
Nothwendig muͤſten wir ſo ſtarcke Triebe ſpuͤren,
Die uns durch ſie beſtaͤndig ruͤhren.
Denn durch erkennen blos allein
Desjenigen, was unſern Leib beweget,
Und etwan Pein und Plagen ihm erreget,
Wuͤrd’ unſrer Seele nicht ſo ſchnell zu helffen ſeyn.
So
K k 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0551" n="521"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Von dem Sitz der Sinnlichkeiten.</hi> </fw><lb/>
              <lg type="poem">
                <l>J&#x017F;t das Gehirn von Du&#x0364;n&#x017F;ten eingenommen,</l><lb/>
                <l>Die in da&#x017F;&#x017F;elbige durch Kranckheit und durch Pein</l><lb/>
                <l>Ent&#x017F;tanden und gekommen,</l><lb/>
                <l>Und theilt &#x017F;ich folgends nicht mehr mit der Gei&#x017F;ter Lauf;</l><lb/>
                <l>So ho&#x0364;ret das Gefu&#x0364;hl im gantzen Co&#x0364;rper auf.</l><lb/>
                <l>Wann aber fern vom Hirn der Schmertz die Glieder trifft.</l><lb/>
                <l>Wenn Feur und Stahl uns Wunden macht und &#x017F;chla&#x0364;get,</l><lb/>
                <l>Wird gleich in ihm ein &#x017F;charffer Schmertz ge&#x017F;tifft.</l><lb/>
                <l>Da &#x017F;ich der Gei&#x017F;ter Heer gewaltig &#x017F;chnell beweget;</l><lb/>
                <l>Wird plo&#x0364;tzlich im Gehirn ein &#x017F;charffer Druck erreget.</l>
              </lg><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">D</hi>er wei&#x017F;e SCHOEPFFER aller Welt</l><lb/>
                <l>Hat auch hierinn den Glantz der Weisheit vorge&#x017F;tellt,</l><lb/>
                <l>Da der geheime Zwang die Co&#x0364;rper unterha&#x0364;lt.</l><lb/>
                <l>Wie wa&#x0364;r es mu&#x0364;glich, daß die Harmonie be&#x017F;ta&#x0364;nde,</l><lb/>
                <l>Wenn un&#x017F;re Seele nicht</l><lb/>
                <l>Auf eine Art wa&#x0364;r zugericht&#x2019;t,</l><lb/>
                <l>Daß &#x017F;ie fu&#x0364;r &#x017F;ich</l><lb/>
                <l>Von allen, welches a&#x0364;u&#x017F;erlich,</l><lb/>
                <l>Den Druck, die Wu&#x0364;rckungen empfa&#x0364;nde?</l><lb/>
                <l>Wenn die&#x017F;es &#x017F;ollt auf andre Art ge&#x017F;chehn;</l><lb/>
                <l>Unmo&#x0364;glich ko&#x0364;nten wir be&#x017F;tehn.</l><lb/>
                <l>Nothwendig mu&#x0364;&#x017F;ten wir &#x017F;o &#x017F;tarcke Triebe &#x017F;pu&#x0364;ren,</l><lb/>
                <l>Die uns durch &#x017F;ie be&#x017F;ta&#x0364;ndig ru&#x0364;hren.</l><lb/>
                <l>Denn durch erkennen blos allein</l><lb/>
                <l>Desjenigen, was un&#x017F;ern Leib beweget,</l><lb/>
                <l>Und etwan Pein und Plagen ihm erreget,</l><lb/>
                <l>Wu&#x0364;rd&#x2019; un&#x017F;rer Seele nicht &#x017F;o &#x017F;chnell zu helffen &#x017F;eyn.</l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">K k 5</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">So</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[521/0551] Von dem Sitz der Sinnlichkeiten. Jſt das Gehirn von Duͤnſten eingenommen, Die in daſſelbige durch Kranckheit und durch Pein Entſtanden und gekommen, Und theilt ſich folgends nicht mehr mit der Geiſter Lauf; So hoͤret das Gefuͤhl im gantzen Coͤrper auf. Wann aber fern vom Hirn der Schmertz die Glieder trifft. Wenn Feur und Stahl uns Wunden macht und ſchlaͤget, Wird gleich in ihm ein ſcharffer Schmertz geſtifft. Da ſich der Geiſter Heer gewaltig ſchnell beweget; Wird ploͤtzlich im Gehirn ein ſcharffer Druck erreget. Der weiſe SCHOEPFFER aller Welt Hat auch hierinn den Glantz der Weisheit vorgeſtellt, Da der geheime Zwang die Coͤrper unterhaͤlt. Wie waͤr es muͤglich, daß die Harmonie beſtaͤnde, Wenn unſre Seele nicht Auf eine Art waͤr zugericht’t, Daß ſie fuͤr ſich Von allen, welches aͤuſerlich, Den Druck, die Wuͤrckungen empfaͤnde? Wenn dieſes ſollt auf andre Art geſchehn; Unmoͤglich koͤnten wir beſtehn. Nothwendig muͤſten wir ſo ſtarcke Triebe ſpuͤren, Die uns durch ſie beſtaͤndig ruͤhren. Denn durch erkennen blos allein Desjenigen, was unſern Leib beweget, Und etwan Pein und Plagen ihm erreget, Wuͤrd’ unſrer Seele nicht ſo ſchnell zu helffen ſeyn. So K k 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/551
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/551>, abgerufen am 21.11.2024.