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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.

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Von Verein. u. Untersch. Seel. u. Cörpers.


Ein blinder Stoff, ein ungefehr Bewegen,
Die haben uns Gesetz und Tugenden gemacht?
Die können eine Lust zur Ehr' und Weisheit hegen?
Die haben ihnen selbst hervorgebracht
Des Nachruhms Trieb, von ewigem Bestand?
Und haben das Gesetz des SCHOEPFFERS selbst erkannt?


Kan es der Cörper seyn, der durch der Folgrung Krafft,
Durch Gründe, welche nicht umstößlich,
Und Schlüsse, die gantz unauflößlich,
Formiret hat den Creiß der Wissenschafft?
Und von der Wahrheit, die er heget,
Den Grund geleget?


Hätt' er vermocht, die Regeln zu erdencken,
Wodurch er fähig ist, sich selbst zurück zu treiben,
Und sich vom Pfad der Wollust abzulencken?
Hätt' er vermocht ihm Regeln vorzuschreiben,
Auf welche Weis' es anzufangen,
So wolauf lange Zeit gesund zu bleiben,
Als wenn Gesundheit fort, sie wieder zu erlangen?
Jst es der Trieb, der, wenn die Hefftigkeiten
Des Durstes in der Hitz' uns plaget,
Uns kaltes Wasser untersaget,
Und einen starcken Trunck verbeut?
Durch welch ein kalt und gar zu jähes Trincken,
Ein Krancker in der Lust wird in die Grube sincken?
Wo-
N n 5
Von Verein. u. Unterſch. Seel. u. Coͤrpers.


Ein blinder Stoff, ein ungefehr Bewegen,
Die haben uns Geſetz und Tugenden gemacht?
Die koͤnnen eine Luſt zur Ehr’ und Weisheit hegen?
Die haben ihnen ſelbſt hervorgebracht
Des Nachruhms Trieb, von ewigem Beſtand?
Und haben das Geſetz des SCHOEPFFERS ſelbſt erkannt?


Kan es der Coͤrper ſeyn, der durch der Folgrung Krafft,
Durch Gruͤnde, welche nicht umſtoͤßlich,
Und Schluͤſſe, die gantz unaufloͤßlich,
Formiret hat den Creiß der Wiſſenſchafft?
Und von der Wahrheit, die er heget,
Den Grund geleget?


Haͤtt’ er vermocht, die Regeln zu erdencken,
Wodurch er faͤhig iſt, ſich ſelbſt zuruͤck zu treiben,
Und ſich vom Pfad der Wolluſt abzulencken?
Haͤtt’ er vermocht ihm Regeln vorzuſchreiben,
Auf welche Weiſ’ es anzufangen,
So wolauf lange Zeit geſund zu bleiben,
Als wenn Geſundheit fort, ſie wieder zu erlangen?
Jſt es der Trieb, der, wenn die Hefftigkeiten
Des Durſtes in der Hitz’ uns plaget,
Uns kaltes Waſſer unterſaget,
Und einen ſtarcken Trunck verbeut?
Durch welch ein kalt und gar zu jaͤhes Trincken,
Ein Krancker in der Luſt wird in die Grube ſincken?
Wo-
N n 5
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[569/0599] Von Verein. u. Unterſch. Seel. u. Coͤrpers. Ein blinder Stoff, ein ungefehr Bewegen, Die haben uns Geſetz und Tugenden gemacht? Die koͤnnen eine Luſt zur Ehr’ und Weisheit hegen? Die haben ihnen ſelbſt hervorgebracht Des Nachruhms Trieb, von ewigem Beſtand? Und haben das Geſetz des SCHOEPFFERS ſelbſt erkannt? Kan es der Coͤrper ſeyn, der durch der Folgrung Krafft, Durch Gruͤnde, welche nicht umſtoͤßlich, Und Schluͤſſe, die gantz unaufloͤßlich, Formiret hat den Creiß der Wiſſenſchafft? Und von der Wahrheit, die er heget, Den Grund geleget? Haͤtt’ er vermocht, die Regeln zu erdencken, Wodurch er faͤhig iſt, ſich ſelbſt zuruͤck zu treiben, Und ſich vom Pfad der Wolluſt abzulencken? Haͤtt’ er vermocht ihm Regeln vorzuſchreiben, Auf welche Weiſ’ es anzufangen, So wolauf lange Zeit geſund zu bleiben, Als wenn Geſundheit fort, ſie wieder zu erlangen? Jſt es der Trieb, der, wenn die Hefftigkeiten Des Durſtes in der Hitz’ uns plaget, Uns kaltes Waſſer unterſaget, Und einen ſtarcken Trunck verbeut? Durch welch ein kalt und gar zu jaͤhes Trincken, Ein Krancker in der Luſt wird in die Grube ſincken? Wo- N n 5

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 569. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/599>, abgerufen am 21.11.2024.