Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.Jm Wachsthum des Begriffs und der Vernunfft gelangen; Der Seelen edelste und beste Krafft, der Wille, Wird eine Fähigkeit und eine seel'ge Fülle, Den edelsten Besitz der Ruh empfangen. Es ist die Wissenschafft, Erfahrung und Erkenntniß, Begriff, Betrachtung und Verständniß Ein Mittel nur; und von der Seeligkeit Die würckliche Vollkommenheit Noch lange nicht, die bloß in der Verwunderung, Jn der entzückenden Belustigung, So aus so herrlicher Erkenntniß stammt und gehet, Und dem dadurch erzeugten Triebe, Der ewig seel'gen Schöpffers Liebe, Als einem Mittel-Punct der Seeligkeit, bestehet. Sie wird durch Danckbarkeit und durch Verwundrungs- Triebe, Jn stetig brennender und brünst'ger GOTTES Liebe, Am allerseeligsten und recht verhimmelt seyn. Jn einem brünstigen Vertrauen, Und in der Lieb allein, Vermag man in der GOTTHEIT hellen Schein Am allertieffsten einzuschauen. Des Schöpffers Ehre selbst bestehet in der Liebe: Denn wenn wir noch so viel von GOTTES Macht er- kennten; Und solch' Erkenntniß uns dahin nicht triebe, Daß wir in Seiner Liebe brennten; So wäre GOTTES Ehr' und Ruhm dadurch nicht grösser, Jhm nicht gefälliger, nichts besser; Als wenn man etwann auf der Welt Weiß, daß ein Schöpffer sey: Doch Jhn im Hertzen nicht, Als wie das höchste Gut, für Liebenswürdig hält. So
Jm Wachsthum des Begriffs und der Vernunfft gelangen; Der Seelen edelſte und beſte Krafft, der Wille, Wird eine Faͤhigkeit und eine ſeel’ge Fuͤlle, Den edelſten Beſitz der Ruh empfangen. Es iſt die Wiſſenſchafft, Erfahrung und Erkenntniß, Begriff, Betrachtung und Verſtaͤndniß Ein Mittel nur; und von der Seeligkeit Die wuͤrckliche Vollkommenheit Noch lange nicht, die bloß in der Verwunderung, Jn der entzuͤckenden Beluſtigung, So aus ſo herrlicher Erkenntniß ſtammt und gehet, Und dem dadurch erzeugten Triebe, Der ewig ſeel’gen Schoͤpffers Liebe, Als einem Mittel-Punct der Seeligkeit, beſtehet. Sie wird durch Danckbarkeit und durch Verwundrungs- Triebe, Jn ſtetig brennender und bruͤnſt’ger GOTTES Liebe, Am allerſeeligſten und recht verhimmelt ſeyn. Jn einem bruͤnſtigen Vertrauen, Und in der Lieb allein, Vermag man in der GOTTHEIT hellen Schein Am allertieffſten einzuſchauen. Des Schoͤpffers Ehre ſelbſt beſtehet in der Liebe: Denn wenn wir noch ſo viel von GOTTES Macht er- kennten; Und ſolch’ Erkenntniß uns dahin nicht triebe, Daß wir in Seiner Liebe brennten; So waͤre GOTTES Ehr’ und Ruhm dadurch nicht groͤſſer, Jhm nicht gefaͤlliger, nichts beſſer; Als wenn man etwann auf der Welt Weiß, daß ein Schoͤpffer ſey: Doch Jhn im Hertzen nicht, Als wie das hoͤchſte Gut, fuͤr Liebenswuͤrdig haͤlt. So
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0686" n="656"/> <l>Jm Wachsthum des Begriffs und der Vernunfft gelangen;</l> </lg><lb/> <lg type="poem"> <l>Der Seelen edelſte und beſte Krafft, <hi rendition="#fr">der Wille,</hi></l><lb/> <l>Wird eine Faͤhigkeit und eine ſeel’ge Fuͤlle,</l><lb/> <l>Den edelſten Beſitz der Ruh empfangen.</l><lb/> <l>Es iſt die Wiſſenſchafft, Erfahrung und Erkenntniß,</l><lb/> <l>Begriff, Betrachtung und Verſtaͤndniß</l><lb/> <l>Ein Mittel nur; und von der Seeligkeit</l><lb/> <l>Die wuͤrckliche Vollkommenheit</l><lb/> <l>Noch lange nicht, die bloß in der Verwunderung,</l><lb/> <l>Jn der entzuͤckenden Beluſtigung,</l><lb/> <l>So aus ſo herrlicher Erkenntniß ſtammt und gehet,</l><lb/> <l>Und dem dadurch erzeugten Triebe,</l><lb/> <l>Der ewig ſeel’gen Schoͤpffers Liebe,</l><lb/> <l>Als einem Mittel-Punct der Seeligkeit, beſtehet.</l> </lg><lb/> <lg type="poem"> <l>Sie wird durch Danckbarkeit und durch Verwundrungs-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Triebe,</hi> </l><lb/> <l>Jn ſtetig brennender und bruͤnſt’ger GOTTES Liebe,</l><lb/> <l>Am allerſeeligſten und recht verhimmelt ſeyn.</l><lb/> <l>Jn einem bruͤnſtigen Vertrauen,</l><lb/> <l>Und in der Lieb allein,</l><lb/> <l>Vermag man in der GOTTHEIT hellen Schein</l><lb/> <l>Am allertieffſten einzuſchauen.</l> </lg><lb/> <lg type="poem"> <l>Des Schoͤpffers Ehre ſelbſt beſtehet in der Liebe:</l><lb/> <l>Denn wenn wir noch ſo viel von GOTTES Macht er-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">kennten;</hi> </l><lb/> <l>Und ſolch’ Erkenntniß uns dahin nicht triebe,</l><lb/> <l>Daß wir in Seiner Liebe brennten;</l><lb/> <l>So waͤre GOTTES Ehr’ und Ruhm dadurch nicht groͤſſer,</l><lb/> <l>Jhm nicht gefaͤlliger, nichts beſſer;</l><lb/> <l>Als wenn man etwann auf der Welt</l><lb/> <l>Weiß, daß ein Schoͤpffer ſey: Doch Jhn im Hertzen nicht,</l><lb/> <l>Als wie das hoͤchſte Gut, fuͤr Liebenswuͤrdig haͤlt.</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">So</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [656/0686]
Jm Wachsthum des Begriffs und der Vernunfft gelangen;
Der Seelen edelſte und beſte Krafft, der Wille,
Wird eine Faͤhigkeit und eine ſeel’ge Fuͤlle,
Den edelſten Beſitz der Ruh empfangen.
Es iſt die Wiſſenſchafft, Erfahrung und Erkenntniß,
Begriff, Betrachtung und Verſtaͤndniß
Ein Mittel nur; und von der Seeligkeit
Die wuͤrckliche Vollkommenheit
Noch lange nicht, die bloß in der Verwunderung,
Jn der entzuͤckenden Beluſtigung,
So aus ſo herrlicher Erkenntniß ſtammt und gehet,
Und dem dadurch erzeugten Triebe,
Der ewig ſeel’gen Schoͤpffers Liebe,
Als einem Mittel-Punct der Seeligkeit, beſtehet.
Sie wird durch Danckbarkeit und durch Verwundrungs-
Triebe,
Jn ſtetig brennender und bruͤnſt’ger GOTTES Liebe,
Am allerſeeligſten und recht verhimmelt ſeyn.
Jn einem bruͤnſtigen Vertrauen,
Und in der Lieb allein,
Vermag man in der GOTTHEIT hellen Schein
Am allertieffſten einzuſchauen.
Des Schoͤpffers Ehre ſelbſt beſtehet in der Liebe:
Denn wenn wir noch ſo viel von GOTTES Macht er-
kennten;
Und ſolch’ Erkenntniß uns dahin nicht triebe,
Daß wir in Seiner Liebe brennten;
So waͤre GOTTES Ehr’ und Ruhm dadurch nicht groͤſſer,
Jhm nicht gefaͤlliger, nichts beſſer;
Als wenn man etwann auf der Welt
Weiß, daß ein Schoͤpffer ſey: Doch Jhn im Hertzen nicht,
Als wie das hoͤchſte Gut, fuͤr Liebenswuͤrdig haͤlt.
So
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |