Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.So scheint die Meinung mir nicht fern vom Zweck zu zielen, Wenn man vor dem den Stand der seel'gen Welt Sich etwann folgends vorgestellt: GOTT hätt' uns solchen Trieb vergebens nicht gegeben, Jn stetem Wechsel Lust zu finden, Und in Veränderung Vergnügen zu empfinden, Nein, eben dadurch nur noch mehr geschickt gemacht, Von seiner Herrlichkeit, Macht, Majestät und Pracht, Die unerschöpfflich sind, in jenem seel'gen Leben, Unendlichen Beweis auf nie erschöpffte Art, Mehr, als wir ewig können dencken; Uns sonder End und Ziel zu schencken. Vermuthlich würden wir so schnell nicht wünschen können, GOTT würde den Besitz uns augenblicklich gönnen. Die Wollust einer gantzen Welt Die würde sie nach eigenen Verlangen, Mit einer, die ihr mehr gefällt, Vertauschen; und derselben Prangen Kaum bis zur Sättigung verspüren, Da sie im Augenblick von neuen Sich einer andern kann erfreuen. Will etwann dieses dir zu groß, zu herrlich scheinen, Und zwänge dich dein Unglaub' auch zu meinen, Daß diese Herrlichkeit für dich zu herrlich wäre, Dein gantzes Wesen sey nicht fähig solcher Ehre; So dencke nur zurück auf das, was du gewesen, Eh, daß du worden bist. Die Finsterniß, das Nichts, Aus welchem GOTT dich hat gezogen und erlesen, Zum frölichen Genuß des Sonnen-Lichts. Wie unbeschreiblich groß ist doch der Unterscheid, Vom T t 3
So ſcheint die Meinung mir nicht fern vom Zweck zu zielen, Wenn man vor dem den Stand der ſeel’gen Welt Sich etwann folgends vorgeſtellt: GOTT haͤtt’ uns ſolchen Trieb vergebens nicht gegeben, Jn ſtetem Wechſel Luſt zu finden, Und in Veraͤnderung Vergnuͤgen zu empfinden, Nein, eben dadurch nur noch mehr geſchickt gemacht, Von ſeiner Herrlichkeit, Macht, Majeſtaͤt und Pracht, Die unerſchoͤpfflich ſind, in jenem ſeel’gen Leben, Unendlichen Beweis auf nie erſchoͤpffte Art, Mehr, als wir ewig koͤnnen dencken; Uns ſonder End und Ziel zu ſchencken. Vermuthlich wuͤrden wir ſo ſchnell nicht wuͤnſchen koͤnnen, GOTT wuͤrde den Beſitz uns augenblicklich goͤnnen. Die Wolluſt einer gantzen Welt Die wuͤrde ſie nach eigenen Verlangen, Mit einer, die ihr mehr gefaͤllt, Vertauſchen; und derſelben Prangen Kaum bis zur Saͤttigung verſpuͤren, Da ſie im Augenblick von neuen Sich einer andern kann erfreuen. Will etwann dieſes dir zu groß, zu herrlich ſcheinen, Und zwaͤnge dich dein Unglaub’ auch zu meinen, Daß dieſe Herrlichkeit fuͤr dich zu herrlich waͤre, Dein gantzes Weſen ſey nicht faͤhig ſolcher Ehre; So dencke nur zuruͤck auf das, was du geweſen, Eh, daß du worden biſt. Die Finſterniß, das Nichts, Aus welchem GOTT dich hat gezogen und erleſen, Zum froͤlichen Genuß des Sonnen-Lichts. Wie unbeſchreiblich groß iſt doch der Unterſcheid, Vom T t 3
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So ſcheint die Meinung mir nicht fern vom Zweck zu
zielen,
Wenn man vor dem den Stand der ſeel’gen Welt
Sich etwann folgends vorgeſtellt:
GOTT haͤtt’ uns ſolchen Trieb vergebens nicht gegeben,
Jn ſtetem Wechſel Luſt zu finden,
Und in Veraͤnderung Vergnuͤgen zu empfinden,
Nein, eben dadurch nur noch mehr geſchickt gemacht,
Von ſeiner Herrlichkeit, Macht, Majeſtaͤt und Pracht,
Die unerſchoͤpfflich ſind, in jenem ſeel’gen Leben,
Unendlichen Beweis auf nie erſchoͤpffte Art,
Mehr, als wir ewig koͤnnen dencken;
Uns ſonder End und Ziel zu ſchencken.
Vermuthlich wuͤrden wir ſo ſchnell nicht wuͤnſchen koͤnnen,
GOTT wuͤrde den Beſitz uns augenblicklich goͤnnen.
Die Wolluſt einer gantzen Welt
Die wuͤrde ſie nach eigenen Verlangen,
Mit einer, die ihr mehr gefaͤllt,
Vertauſchen; und derſelben Prangen
Kaum bis zur Saͤttigung verſpuͤren,
Da ſie im Augenblick von neuen
Sich einer andern kann erfreuen.
Will etwann dieſes dir zu groß, zu herrlich ſcheinen,
Und zwaͤnge dich dein Unglaub’ auch zu meinen,
Daß dieſe Herrlichkeit fuͤr dich zu herrlich waͤre,
Dein gantzes Weſen ſey nicht faͤhig ſolcher Ehre;
So dencke nur zuruͤck auf das, was du geweſen,
Eh, daß du worden biſt. Die Finſterniß, das Nichts,
Aus welchem GOTT dich hat gezogen und erleſen,
Zum froͤlichen Genuß des Sonnen-Lichts.
Wie unbeſchreiblich groß iſt doch der Unterſcheid,
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