Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.

Bild:
<< vorherige Seite
So stehen doch in stetigem Geschäffte,
Blut, Magen, Lung und Hertz, der Eingeweide Kräffte,
Nie müßig, nimmer still; um wieder zu ersetzen
Was abgegangen war. Ach welche Süßigkeit!
Welch änsserlich und innerlichs Ergetzen
Empfindet man bey stiller Abend-Zeit,
Wenn wir den müden Leib auf weichen Feder-Decken,
Mit einigen Erwegen strecken!
Wir fühlen wie die müden Sehnen,
Jn süsser Lust, sich aus einander dehnen.
Wodurch, wenn wir recht überdächten,
Wie GOTT den Leib so wunderbar formirt,
Und daß nur Jhm davor Lob, Preiß und Ruhm gebührt;
Wir Jhm in unsrer Lust das beste Danck-Lied brächten.
Man stelle sich doch einst die Welt und unser Leben,
Als ohne Nacht, als sonder Ruhe, für.
Welch elend Einerley würd' alle Ding' umgeben,
Welch eckle Lange-Weil und Stunden würden wir,
Bey einem steten Mittag, finden?
Würd' uns ein solches Lust-und Wechsel-loses Ein
Richt unerträglich seyn?
Nie wär' es spath, nie früh,
Nie wär' ein Morgen-Gold an den Saphiernen Höhen,
Kein lieblichs Abend-Roth am Horizont zu sehen.
Man sähe nimmermehr, im Dunckeln,
So vieler Sonnen Heer' in hellen Sternen funckeln.
Ein unaufhörliches Getöse würde nie,
Durch eine sanfft' und holde Stille,
Wie itzt durch Nacht und Schlaf gemindert,
Der Menschen Gram und Arbeit nie gelindert,
Und kurtz, es würd' uns auf der Erden
Das
So ſtehen doch in ſtetigem Geſchaͤffte,
Blut, Magen, Lung und Hertz, der Eingeweide Kraͤffte,
Nie muͤßig, nimmer ſtill; um wieder zu erſetzen
Was abgegangen war. Ach welche Suͤßigkeit!
Welch aͤnſſerlich und innerlichs Ergetzen
Empfindet man bey ſtiller Abend-Zeit,
Wenn wir den muͤden Leib auf weichen Feder-Decken,
Mit einigen Erwegen ſtrecken!
Wir fuͤhlen wie die muͤden Sehnen,
Jn ſuͤſſer Luſt, ſich aus einander dehnen.
Wodurch, wenn wir recht uͤberdaͤchten,
Wie GOTT den Leib ſo wunderbar formirt,
Und daß nur Jhm davor Lob, Preiß und Ruhm gebuͤhrt;
Wir Jhm in unſrer Luſt das beſte Danck-Lied braͤchten.
Man ſtelle ſich doch einſt die Welt und unſer Leben,
Als ohne Nacht, als ſonder Ruhe, fuͤr.
Welch elend Einerley wuͤrd’ alle Ding’ umgeben,
Welch eckle Lange-Weil und Stunden wuͤrden wir,
Bey einem ſteten Mittag, finden?
Wuͤrd’ uns ein ſolches Luſt-und Wechſel-loſes Ein
Richt unertraͤglich ſeyn?
Nie waͤr’ es ſpath, nie fruͤh,
Nie waͤr’ ein Morgen-Gold an den Saphiernen Hoͤhen,
Kein lieblichs Abend-Roth am Horizont zu ſehen.
Man ſaͤhe nimmermehr, im Dunckeln,
So vieler Sonnen Heer’ in hellen Sternen funckeln.
Ein unaufhoͤrliches Getoͤſe wuͤrde nie,
Durch eine ſanfft’ und holde Stille,
Wie itzt durch Nacht und Schlaf gemindert,
Der Menſchen Gram und Arbeit nie gelindert,
Und kurtz, es wuͤrd’ uns auf der Erden
Das
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0702" n="672"/>
            <l>So &#x017F;tehen doch in &#x017F;tetigem Ge&#x017F;cha&#x0364;ffte,</l><lb/>
            <l>Blut, Magen, Lung und Hertz, der Eingeweide Kra&#x0364;ffte,</l><lb/>
            <l>Nie mu&#x0364;ßig, nimmer &#x017F;till; um wieder zu er&#x017F;etzen</l><lb/>
            <l>Was abgegangen war. Ach welche Su&#x0364;ßigkeit!</l><lb/>
            <l>Welch a&#x0364;n&#x017F;&#x017F;erlich und innerlichs Ergetzen</l><lb/>
            <l>Empfindet man bey &#x017F;tiller Abend-Zeit,</l><lb/>
            <l>Wenn wir den mu&#x0364;den Leib auf weichen Feder-Decken,</l><lb/>
            <l>Mit einigen Erwegen &#x017F;trecken!</l><lb/>
            <l>Wir fu&#x0364;hlen wie die mu&#x0364;den Sehnen,</l><lb/>
            <l>Jn &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;er Lu&#x017F;t, &#x017F;ich aus einander dehnen.</l><lb/>
            <l>Wodurch, wenn wir recht u&#x0364;berda&#x0364;chten,</l><lb/>
            <l>Wie GOTT den Leib &#x017F;o wunderbar formirt,</l><lb/>
            <l>Und daß nur Jhm davor Lob, Preiß und Ruhm gebu&#x0364;hrt;</l><lb/>
            <l>Wir Jhm in un&#x017F;rer Lu&#x017F;t das be&#x017F;te Danck-Lied bra&#x0364;chten.</l>
          </lg><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Man &#x017F;telle &#x017F;ich doch ein&#x017F;t die Welt und un&#x017F;er Leben,</l><lb/>
            <l>Als ohne Nacht, als &#x017F;onder Ruhe, fu&#x0364;r.</l><lb/>
            <l>Welch elend Einerley wu&#x0364;rd&#x2019; alle Ding&#x2019; umgeben,</l><lb/>
            <l>Welch eckle Lange-Weil und Stunden wu&#x0364;rden wir,</l><lb/>
            <l>Bey einem &#x017F;teten Mittag, finden?</l><lb/>
            <l>Wu&#x0364;rd&#x2019; uns ein &#x017F;olches Lu&#x017F;t-und Wech&#x017F;el-lo&#x017F;es Ein</l><lb/>
            <l>Richt unertra&#x0364;glich &#x017F;eyn?</l><lb/>
            <l>Nie wa&#x0364;r&#x2019; es &#x017F;path, nie fru&#x0364;h,</l><lb/>
            <l>Nie wa&#x0364;r&#x2019; ein Morgen-Gold an den Saphiernen Ho&#x0364;hen,</l><lb/>
            <l>Kein lieblichs Abend-Roth am Horizont zu &#x017F;ehen.</l><lb/>
            <l>Man &#x017F;a&#x0364;he nimmermehr, im Dunckeln,</l><lb/>
            <l>So vieler Sonnen Heer&#x2019; in hellen Sternen funckeln.</l><lb/>
            <l>Ein unaufho&#x0364;rliches Geto&#x0364;&#x017F;e wu&#x0364;rde nie,</l><lb/>
            <l>Durch eine &#x017F;anfft&#x2019; und holde Stille,</l><lb/>
            <l>Wie itzt durch Nacht und Schlaf gemindert,</l><lb/>
            <l>Der Men&#x017F;chen Gram und Arbeit nie gelindert,</l><lb/>
            <l>Und kurtz, es wu&#x0364;rd&#x2019; uns auf der Erden</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Das</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[672/0702] So ſtehen doch in ſtetigem Geſchaͤffte, Blut, Magen, Lung und Hertz, der Eingeweide Kraͤffte, Nie muͤßig, nimmer ſtill; um wieder zu erſetzen Was abgegangen war. Ach welche Suͤßigkeit! Welch aͤnſſerlich und innerlichs Ergetzen Empfindet man bey ſtiller Abend-Zeit, Wenn wir den muͤden Leib auf weichen Feder-Decken, Mit einigen Erwegen ſtrecken! Wir fuͤhlen wie die muͤden Sehnen, Jn ſuͤſſer Luſt, ſich aus einander dehnen. Wodurch, wenn wir recht uͤberdaͤchten, Wie GOTT den Leib ſo wunderbar formirt, Und daß nur Jhm davor Lob, Preiß und Ruhm gebuͤhrt; Wir Jhm in unſrer Luſt das beſte Danck-Lied braͤchten. Man ſtelle ſich doch einſt die Welt und unſer Leben, Als ohne Nacht, als ſonder Ruhe, fuͤr. Welch elend Einerley wuͤrd’ alle Ding’ umgeben, Welch eckle Lange-Weil und Stunden wuͤrden wir, Bey einem ſteten Mittag, finden? Wuͤrd’ uns ein ſolches Luſt-und Wechſel-loſes Ein Richt unertraͤglich ſeyn? Nie waͤr’ es ſpath, nie fruͤh, Nie waͤr’ ein Morgen-Gold an den Saphiernen Hoͤhen, Kein lieblichs Abend-Roth am Horizont zu ſehen. Man ſaͤhe nimmermehr, im Dunckeln, So vieler Sonnen Heer’ in hellen Sternen funckeln. Ein unaufhoͤrliches Getoͤſe wuͤrde nie, Durch eine ſanfft’ und holde Stille, Wie itzt durch Nacht und Schlaf gemindert, Der Menſchen Gram und Arbeit nie gelindert, Und kurtz, es wuͤrd’ uns auf der Erden Das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/702
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 672. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/702>, abgerufen am 14.05.2024.