Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.Und doch nicht weiß, wohin. Denn alle sind Bis auf das erste Stück, woran der Kopff noch, blind. Jndessen lauffen sie beständig hin und her, Als ob ein jedes Stück ein gantzes Würmgen wär: Dort rennet eins auf sechs, hier eins auf sieben Füssen, Wie sie der Zufall gab, und trägt am andern Ort Das Stückgen Leib und Seel, so sein ist, mit sich fort; Man siehet, sie sich fliehn, sich stossen und mit Hauffen Bald an-bald von einander lauffen. Nicht anders gehet es in unsrer Ruh Mit unsern Träumen zu: Scheint einer etwan erst manierlich, ordentlich, Gleich bricht er und zertheilet sich Jn tausend Grillen, welche fliegen, Sich sencken, sich begegnen, lauffen, stehn, Verworren durch einander gehn, So, daß nicht zwo geschickt sich wiederum zu fügen. Wenn man in einer klaren Fluth Sich spiegelt, sich besieht, ist alles deutlich, rein Und eigentlich zu sehen. Allein, So bald man sie bewegt; wird alsobald Die deutlichste Gestalt, Verzogen, auseinander gehen, Nachdem die wallenden nie stillen Circkel sich Jn klein und grosse Creise drehen: Auf gleiche Weise scheint die Phantasie, Jn einer stets gestörten Harmonie, Jm Traum, wie eine Fluth, beweget, Wodurch wir Theile sehn, Die nicht zusammen hangen, Und
Und doch nicht weiß, wohin. Denn alle ſind Bis auf das erſte Stuͤck, woran der Kopff noch, blind. Jndeſſen lauffen ſie beſtaͤndig hin und her, Als ob ein jedes Stuͤck ein gantzes Wuͤrmgen waͤr: Dort rennet eins auf ſechs, hier eins auf ſieben Fuͤſſen, Wie ſie der Zufall gab, und traͤgt am andern Ort Das Stuͤckgen Leib und Seel, ſo ſein iſt, mit ſich fort; Man ſiehet, ſie ſich fliehn, ſich ſtoſſen und mit Hauffen Bald an-bald von einander lauffen. Nicht anders gehet es in unſrer Ruh Mit unſern Traͤumen zu: Scheint einer etwan erſt manierlich, ordentlich, Gleich bricht er und zertheilet ſich Jn tauſend Grillen, welche fliegen, Sich ſencken, ſich begegnen, lauffen, ſtehn, Verworren durch einander gehn, So, daß nicht zwo geſchickt ſich wiederum zu fuͤgen. Wenn man in einer klaren Fluth Sich ſpiegelt, ſich beſieht, iſt alles deutlich, rein Und eigentlich zu ſehen. Allein, So bald man ſie bewegt; wird alſobald Die deutlichſte Geſtalt, Verzogen, auseinander gehen, Nachdem die wallenden nie ſtillen Circkel ſich Jn klein und groſſe Creiſe drehen: Auf gleiche Weiſe ſcheint die Phantaſie, Jn einer ſtets geſtoͤrten Harmonie, Jm Traum, wie eine Fluth, beweget, Wodurch wir Theile ſehn, Die nicht zuſammen hangen, Und
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Und doch nicht weiß, wohin. Denn alle ſind
Bis auf das erſte Stuͤck, woran der Kopff noch, blind.
Jndeſſen lauffen ſie beſtaͤndig hin und her,
Als ob ein jedes Stuͤck ein gantzes Wuͤrmgen waͤr:
Dort rennet eins auf ſechs, hier eins auf ſieben Fuͤſſen,
Wie ſie der Zufall gab, und traͤgt am andern Ort
Das Stuͤckgen Leib und Seel, ſo ſein iſt, mit ſich fort;
Man ſiehet, ſie ſich fliehn, ſich ſtoſſen und mit Hauffen
Bald an-bald von einander lauffen.
Nicht anders gehet es in unſrer Ruh
Mit unſern Traͤumen zu:
Scheint einer etwan erſt manierlich, ordentlich,
Gleich bricht er und zertheilet ſich
Jn tauſend Grillen, welche fliegen,
Sich ſencken, ſich begegnen, lauffen, ſtehn,
Verworren durch einander gehn,
So, daß nicht zwo geſchickt ſich wiederum zu fuͤgen.
Wenn man in einer klaren Fluth
Sich ſpiegelt, ſich beſieht, iſt alles deutlich, rein
Und eigentlich zu ſehen.
Allein,
So bald man ſie bewegt; wird alſobald
Die deutlichſte Geſtalt,
Verzogen, auseinander gehen,
Nachdem die wallenden nie ſtillen Circkel ſich
Jn klein und groſſe Creiſe drehen:
Auf gleiche Weiſe ſcheint die Phantaſie,
Jn einer ſtets geſtoͤrten Harmonie,
Jm Traum, wie eine Fluth, beweget,
Wodurch wir Theile ſehn,
Die nicht zuſammen hangen,
Und
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