Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.

Bild:
<< vorherige Seite
Vom Geist und Cörper.
Der Cörper werde dünn, er werde leicht,
Er häuffe sich in Dunst und werde feucht,
Er theile sich. Kan man sich wohl mit Recht bequemen,
Jhn als ein Wesen anzunehmen,
Das überlegt und denckt? Wird Witz und wird Verstand
Jn selbigen erkannt?
Nein, mit demjenigen, was kein Erkentniß weis't,
Kan unser Geist
Nie etwas ähnliches und gleiches hegen.
Jn allen Würckungen wird sich
Ein Unterscheid zu Tage legen.


Dieß soll man offtermahls bedencken:
Ein Cörper seyn; heist: Theile haben,
Die man zertrennen kan, versetzen und umschräncken.
Ein Geist zu seyn hingegen
Heist fühlen, wehlen, überlegen,
Heist auf dasjenige, was man gefühlet, achten,
Sich selbst verstehn, erkennen und betrachten.


Der Cörper, der bewegt, weil er gefüg't aus Erden;
Muß dadurch aufgelöst, verändert, Erde werden.
Der Geist ist einfach, der in sich
Von keinen Theilen weiß, und unveränderlich.
Daher natürlich folgt: er sey
Von Aenderung und von Verwesung frey.
Von
Vom Geiſt und Coͤrper.
Der Coͤrper werde duͤnn, er werde leicht,
Er haͤuffe ſich in Dunſt und werde feucht,
Er theile ſich. Kan man ſich wohl mit Recht bequemen,
Jhn als ein Weſen anzunehmen,
Das uͤberlegt und denckt? Wird Witz und wird Verſtand
Jn ſelbigen erkannt?
Nein, mit demjenigen, was kein Erkentniß weiſ’t,
Kan unſer Geiſt
Nie etwas aͤhnliches und gleiches hegen.
Jn allen Wuͤrckungen wird ſich
Ein Unterſcheid zu Tage legen.


Dieß ſoll man offtermahls bedencken:
Ein Coͤrper ſeyn; heiſt: Theile haben,
Die man zertrennen kan, verſetzen und umſchraͤncken.
Ein Geiſt zu ſeyn hingegen
Heiſt fuͤhlen, wehlen, uͤberlegen,
Heiſt auf dasjenige, was man gefuͤhlet, achten,
Sich ſelbſt verſtehn, erkennen und betrachten.


Der Coͤrper, der bewegt, weil er gefuͤg’t aus Erden;
Muß dadurch aufgeloͤſt, veraͤndert, Erde werden.
Der Geiſt iſt einfach, der in ſich
Von keinen Theilen weiß, und unveraͤnderlich.
Daher natuͤrlich folgt: er ſey
Von Aenderung und von Verweſung frey.
Von
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0073" n="43"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vom Gei&#x017F;t und Co&#x0364;rper.</hi> </fw><lb/>
              <lg type="poem">
                <l>Der Co&#x0364;rper werde du&#x0364;nn, er werde leicht,</l><lb/>
                <l>Er ha&#x0364;uffe &#x017F;ich in Dun&#x017F;t und werde feucht,</l><lb/>
                <l>Er theile &#x017F;ich. Kan man &#x017F;ich wohl mit Recht bequemen,</l><lb/>
                <l>Jhn als ein We&#x017F;en anzunehmen,</l><lb/>
                <l>Das u&#x0364;berlegt und denckt? Wird Witz und wird Ver&#x017F;tand</l><lb/>
                <l>Jn &#x017F;elbigen erkannt?</l><lb/>
                <l>Nein, mit demjenigen, was kein Erkentniß wei&#x017F;&#x2019;t,</l><lb/>
                <l>Kan un&#x017F;er Gei&#x017F;t</l><lb/>
                <l>Nie etwas a&#x0364;hnliches und gleiches hegen.</l><lb/>
                <l>Jn allen Wu&#x0364;rckungen wird &#x017F;ich</l><lb/>
                <l>Ein Unter&#x017F;cheid zu Tage legen.</l>
              </lg><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">D</hi>ieß &#x017F;oll man offtermahls bedencken:</l><lb/>
                <l>Ein Co&#x0364;rper &#x017F;eyn; hei&#x017F;t: Theile haben,</l><lb/>
                <l>Die man zertrennen kan, ver&#x017F;etzen und um&#x017F;chra&#x0364;ncken.</l><lb/>
                <l>Ein Gei&#x017F;t zu &#x017F;eyn hingegen</l><lb/>
                <l>Hei&#x017F;t fu&#x0364;hlen, wehlen, u&#x0364;berlegen,</l><lb/>
                <l>Hei&#x017F;t auf dasjenige, was man gefu&#x0364;hlet, achten,</l><lb/>
                <l>Sich &#x017F;elb&#x017F;t ver&#x017F;tehn, erkennen und betrachten.</l>
              </lg><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">D</hi>er Co&#x0364;rper, der bewegt, weil er gefu&#x0364;g&#x2019;t aus Erden;</l><lb/>
                <l>Muß dadurch aufgelo&#x0364;&#x017F;t, vera&#x0364;ndert, Erde werden.</l><lb/>
                <l>Der Gei&#x017F;t i&#x017F;t einfach, der in &#x017F;ich</l><lb/>
                <l>Von keinen Theilen weiß, und unvera&#x0364;nderlich.</l><lb/>
                <l>Daher natu&#x0364;rlich folgt: er &#x017F;ey</l><lb/>
                <l>Von Aenderung und von Verwe&#x017F;ung frey.</l>
              </lg>
            </div><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Von</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0073] Vom Geiſt und Coͤrper. Der Coͤrper werde duͤnn, er werde leicht, Er haͤuffe ſich in Dunſt und werde feucht, Er theile ſich. Kan man ſich wohl mit Recht bequemen, Jhn als ein Weſen anzunehmen, Das uͤberlegt und denckt? Wird Witz und wird Verſtand Jn ſelbigen erkannt? Nein, mit demjenigen, was kein Erkentniß weiſ’t, Kan unſer Geiſt Nie etwas aͤhnliches und gleiches hegen. Jn allen Wuͤrckungen wird ſich Ein Unterſcheid zu Tage legen. Dieß ſoll man offtermahls bedencken: Ein Coͤrper ſeyn; heiſt: Theile haben, Die man zertrennen kan, verſetzen und umſchraͤncken. Ein Geiſt zu ſeyn hingegen Heiſt fuͤhlen, wehlen, uͤberlegen, Heiſt auf dasjenige, was man gefuͤhlet, achten, Sich ſelbſt verſtehn, erkennen und betrachten. Der Coͤrper, der bewegt, weil er gefuͤg’t aus Erden; Muß dadurch aufgeloͤſt, veraͤndert, Erde werden. Der Geiſt iſt einfach, der in ſich Von keinen Theilen weiß, und unveraͤnderlich. Daher natuͤrlich folgt: er ſey Von Aenderung und von Verweſung frey. Von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/73
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/73>, abgerufen am 04.12.2024.