Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.Der Frosch. Jch sah mich durch und durch, mir ward mein wahresWesen Nun allererst bekannt: als wie in einer Schrift, Kunnt' ich im innersten von meiner Seele lesen Das, was ich auf der Welt begangen und gestifft, Ja gar was ich gedacht. Kein Spiegel stellt so klar Die cörperliche Vorwürff dar, Als ich mir von mir selbst ein heller Spiegel war. Was man Gewissen heist Ersüllte meinen gantzen Geist. Jch fand mich gantz entblösst von Wollust, Ehre, Geld, Als eitlen Zielen dieser Welt. Nur die Gedächtniß meiner Thaten, So wohl die bös, als welche gut gerathen, War bloß allein Mein gantzes Seyn. Jndem ich auf der Lufft, als einem Wasser, schwam, Kam ich mir anfangs vor Fast wie ein Frühlings-Frosch, der | in der Winters-Zeit Jm Sumpff und im Morast gestecket, Der aber, wie der Frühling wieder kam, Nach dicker Nacht, die Sonn im hellen Glantz entdecket, Beschmutzt und sonder Schmuck. Doch eine Reinlichkeit Kunnt ich mit innigem erquicken, Bald hie bald da noch durch den Schmutz erblicken. Dieselbe Reinlichkeit und heller Schmuck entstunden Aus mancher Lust, die ich alhier Jn der Geschöpfe Schmuck und Zier, So lang ich auf der Welt, empfunden. Und die den Geist, der sie zu GOttes Ruhm erblickt, Jn-
Der Froſch. Jch ſah mich durch und durch, mir ward mein wahresWeſen Nun allererſt bekannt: als wie in einer Schrift, Kunnt’ ich im innerſten von meiner Seele leſen Das, was ich auf der Welt begangen und geſtifft, Ja gar was ich gedacht. Kein Spiegel ſtellt ſo klar Die coͤrperliche Vorwuͤrff dar, Als ich mir von mir ſelbſt ein heller Spiegel war. Was man Gewiſſen heiſt Erſuͤllte meinen gantzen Geiſt. Jch fand mich gantz entbloͤſſt von Wolluſt, Ehre, Geld, Als eitlen Zielen dieſer Welt. Nur die Gedaͤchtniß meiner Thaten, So wohl die boͤs, als welche gut gerathen, War bloß allein Mein gantzes Seyn. Jndem ich auf der Lufft, als einem Waſſer, ſchwam, Kam ich mir anfangs vor Faſt wie ein Fruͤhlings-Froſch, der | in der Winters-Zeit Jm Sumpff und im Moraſt geſtecket, Der aber, wie der Fruͤhling wieder kam, Nach dicker Nacht, die Sonn im hellen Glantz entdecket, Beſchmutzt und ſonder Schmuck. Doch eine Reinlichkeit Kunnt ich mit innigem erquicken, Bald hie bald da noch durch den Schmutz erblicken. Dieſelbe Reinlichkeit und heller Schmuck entſtunden Aus mancher Luſt, die ich alhier Jn der Geſchoͤpfe Schmuck und Zier, So lang ich auf der Welt, empfunden. Und die den Geiſt, der ſie zu GOttes Ruhm erblickt, Jn-
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Der Froſch.
Jch ſah mich durch und durch, mir ward mein wahres
Weſen
Nun allererſt bekannt: als wie in einer Schrift,
Kunnt’ ich im innerſten von meiner Seele leſen
Das, was ich auf der Welt begangen und geſtifft,
Ja gar was ich gedacht. Kein Spiegel ſtellt ſo klar
Die coͤrperliche Vorwuͤrff dar,
Als ich mir von mir ſelbſt ein heller Spiegel war.
Was man Gewiſſen heiſt
Erſuͤllte meinen gantzen Geiſt.
Jch fand mich gantz entbloͤſſt von Wolluſt, Ehre, Geld,
Als eitlen Zielen dieſer Welt.
Nur die Gedaͤchtniß meiner Thaten,
So wohl die boͤs, als welche gut gerathen,
War bloß allein
Mein gantzes Seyn.
Jndem ich auf der Lufft, als einem Waſſer, ſchwam,
Kam ich mir anfangs vor
Faſt wie ein Fruͤhlings-Froſch, der | in der Winters-Zeit
Jm Sumpff und im Moraſt geſtecket,
Der aber, wie der Fruͤhling wieder kam,
Nach dicker Nacht, die Sonn im hellen Glantz entdecket,
Beſchmutzt und ſonder Schmuck. Doch eine Reinlichkeit
Kunnt ich mit innigem erquicken,
Bald hie bald da noch durch den Schmutz erblicken.
Dieſelbe Reinlichkeit und heller Schmuck entſtunden
Aus mancher Luſt, die ich alhier
Jn der Geſchoͤpfe Schmuck und Zier,
So lang ich auf der Welt, empfunden.
Und die den Geiſt, der ſie zu GOttes Ruhm erblickt,
Jn-
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