Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.Rothe Glas-Scheibe. Dieser Zweifel quälte mich, und ich kunnte mich nicht fassen, Aber endlich fiel mir bey: Da das roth in iedem Vorwurff durch das Glas nur ei- nerley, Wir hingegen tausend Arten, durch die nicht getäuschten Augen, Von Vermischungen der Farben überall zu schauen taugen; So ergiebt sich deutlich gnug, daß wir hie auf dieser Erden Durch die weisse Feuchtigkeit, und durch ungefärbten Schein, Den wir in den Augen haben, nicht betrogen können werden. Lasst euch dieses, liebste Menschen, doch ein neues Wun- der seyn, Daß uns alle Vorwürff' hier in die spieglende Crystallen, Durch die ungefärbte Haut unsrer Augen, richtig fallen. Aber, ob in andern Welten, oder anderen Planeten, Die bey uns begrünte Felder sich nicht etwan wircklich röthen, Oder blau, wie ein Sapphir, oder gelb, wie Gold, vielleicht, Oder sonst gefärbet sind, kann man nicht mit Recht vernei- nen: Weil des Schöpfers Wunder-Werck' in der bildenden Natur, Jn derselben Form und Farben Mannigfaltigkeit nicht nur, Sondern in der Aenderung unerschöpflich sind und scheinen. Ficus
Rothe Glas-Scheibe. Dieſer Zweifel quaͤlte mich, und ich kunnte mich nicht faſſen, Aber endlich fiel mir bey: Da das roth in iedem Vorwurff durch das Glas nur ei- nerley, Wir hingegen tauſend Arten, durch die nicht getaͤuſchten Augen, Von Vermiſchungen der Farben uͤberall zu ſchauen taugen; So ergiebt ſich deutlich gnug, daß wir hie auf dieſer Erden Durch die weiſſe Feuchtigkeit, und durch ungefaͤrbten Schein, Den wir in den Augen haben, nicht betrogen koͤnnen werden. Laſſt euch dieſes, liebſte Menſchen, doch ein neues Wun- der ſeyn, Daß uns alle Vorwuͤrff’ hier in die ſpieglende Cryſtallen, Durch die ungefaͤrbte Haut unſrer Augen, richtig fallen. Aber, ob in andern Welten, oder anderen Planeten, Die bey uns begruͤnte Felder ſich nicht etwan wircklich roͤthen, Oder blau, wie ein Sapphir, oder gelb, wie Gold, vielleicht, Oder ſonſt gefaͤrbet ſind, kann man nicht mit Recht vernei- nen: Weil des Schoͤpfers Wunder-Werck’ in der bildenden Natur, Jn derſelben Form und Farben Mannigfaltigkeit nicht nur, Sondern in der Aenderung unerſchoͤpflich ſind und ſcheinen. Ficus
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0239" n="207"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Rothe Glas-Scheibe.</hi> </fw><lb/> <lg n="6"> <l>Dieſer Zweifel quaͤlte mich, und ich kunnte mich nicht<lb/><hi rendition="#et">faſſen,</hi></l><lb/> <l>Aber endlich fiel mir bey:</l><lb/> <l>Da das roth in iedem Vorwurff durch das Glas nur ei-<lb/><hi rendition="#et">nerley,</hi></l><lb/> <l>Wir hingegen tauſend Arten, durch die nicht getaͤuſchten<lb/><hi rendition="#et">Augen,</hi></l><lb/> <l>Von Vermiſchungen der Farben uͤberall zu ſchauen taugen;</l><lb/> <l>So ergiebt ſich deutlich gnug, daß wir hie auf dieſer Erden</l><lb/> <l>Durch die weiſſe Feuchtigkeit, und durch ungefaͤrbten Schein,</l><lb/> <l>Den wir in den Augen haben, nicht betrogen koͤnnen werden.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Laſſt euch dieſes, liebſte Menſchen, doch ein neues Wun-<lb/><hi rendition="#et">der ſeyn,</hi></l><lb/> <l>Daß uns alle Vorwuͤrff’ hier in die ſpieglende Cryſtallen,</l><lb/> <l>Durch die ungefaͤrbte Haut unſrer Augen, richtig fallen.</l><lb/> <l>Aber, ob in andern Welten, oder anderen Planeten,</l><lb/> <l>Die bey uns begruͤnte Felder ſich nicht etwan wircklich<lb/><hi rendition="#et">roͤthen,</hi></l><lb/> <l>Oder blau, wie ein Sapphir, oder gelb, wie Gold, vielleicht,</l><lb/> <l>Oder ſonſt gefaͤrbet ſind, kann man nicht mit Recht vernei-<lb/><hi rendition="#et">nen:</hi></l><lb/> <l>Weil des Schoͤpfers Wunder-Werck’ in der bildenden<lb/><hi rendition="#et">Natur,</hi></l><lb/> <l>Jn derſelben Form und Farben Mannigfaltigkeit nicht nur,</l><lb/> <l>Sondern in der Aenderung unerſchoͤpflich ſind und ſcheinen.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq">Ficus</hi> </fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [207/0239]
Rothe Glas-Scheibe.
Dieſer Zweifel quaͤlte mich, und ich kunnte mich nicht
faſſen,
Aber endlich fiel mir bey:
Da das roth in iedem Vorwurff durch das Glas nur ei-
nerley,
Wir hingegen tauſend Arten, durch die nicht getaͤuſchten
Augen,
Von Vermiſchungen der Farben uͤberall zu ſchauen taugen;
So ergiebt ſich deutlich gnug, daß wir hie auf dieſer Erden
Durch die weiſſe Feuchtigkeit, und durch ungefaͤrbten Schein,
Den wir in den Augen haben, nicht betrogen koͤnnen werden.
Laſſt euch dieſes, liebſte Menſchen, doch ein neues Wun-
der ſeyn,
Daß uns alle Vorwuͤrff’ hier in die ſpieglende Cryſtallen,
Durch die ungefaͤrbte Haut unſrer Augen, richtig fallen.
Aber, ob in andern Welten, oder anderen Planeten,
Die bey uns begruͤnte Felder ſich nicht etwan wircklich
roͤthen,
Oder blau, wie ein Sapphir, oder gelb, wie Gold, vielleicht,
Oder ſonſt gefaͤrbet ſind, kann man nicht mit Recht vernei-
nen:
Weil des Schoͤpfers Wunder-Werck’ in der bildenden
Natur,
Jn derſelben Form und Farben Mannigfaltigkeit nicht nur,
Sondern in der Aenderung unerſchoͤpflich ſind und ſcheinen.
Ficus
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |